Personen in der Bibel

Schamgar – Ein kleiner Richter erringt einen großen Sieg

In der Bibel gibt es nicht nur „kleine“ Propheten, sondern auch „kleine“ Richter. „Klein“ bedeutet in diesem Fall, dass die Bibel nur sehr wenig über ihn berichtet. Schamgar ist einer von ihnen – dabei ist sein Sieg über die Philister alles andere als klein: Es ist ein eindrucksvoller Triumph des Glaubens!

Im Buch der Richter werden sechs „kleine“ Richter erwähnt, deren Leben und Wirken in maximal drei Versen beschrieben wird. Der erste von diesen eher unbekannten Männern ist Schamgar; in nur einem einzigen Vers schildert uns der Heilige Geist seinen beachtlichen Sieg:

„Und nach ihm war Schamgar, der Sohn Anats; und er schlug die Philister, 600 Mann, mit einem Rinderstachel. Und auch er rettete Israel“ (Ri 3,31).

Zwischen den ausführlichen Berichten über die beiden „großen“ Richter Ehud und Barak bzw. Debora erscheint die Erwähnung Schamgars wie eine Randnotiz. Man muss geradezu aufpassen, um nicht darüber hinwegzulesen. Doch die knappe Beschreibung der Person Schamgars und seines Kampfes enthält Einzelheiten, die unsere Aufmerksamkeit verdienen, weil sie uns praktische Belehrungen für unser Glaubensleben bieten.

 

 

Schamgars Name und Herkunft

 

Die Bedeutung „Fremdling“ ist eine von mehreren Übersetzungsmöglichkeiten des Namens „Schamgar“. Anders als die beiden Richter vor ihm (Othniel und Ehud) kam Schamgar nicht aus einer alten israelitischen Familie, sondern war vermutlich nicht einmal jüdischer Abstammung. Vielleicht kam er sogar aus einem götzendienerischen Umfeld, denn sein Vater trägt womöglich den Namen einer kanaanitischen Gottheit (vgl. Jos 19,38; Ri 1,33): Anat war eine heidnische Kriegsgöttin.

Schamgars Name und Herkunft erinnern uns daran, dass die Nationen keinen Anteil an den Segnungen besaßen, die Gott für sein irdisches Volk Israel vorgesehen hatte. Aber durch den Glauben an den Herrn Jesus sind wir „nun nicht mehr Fremdlinge und ohne Bürgerrecht, sondern […] Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes“ (Eph 2,19). Wie wunderbar, dass wir Gläubige, egal welcher Herkunft, jetzt zu der Familie Gottes, zu seiner Gemeinde gehören!

Darüber hinaus dürfen wir uns durch die Bedeutung von Schamgars Namen darauf besinnen, dass wir auf dieser Erde nur Fremdlinge sind. Wir Gläubige gehören nicht mehr zu dieser Welt, sondern haben unser Bürgertum im Himmel (Phil 3,20). Eine himmlische Ausrichtung ist Voraussetzung, um – wie Schamgar – Glaubenssiege gegen den Feind zu erringen.

 

 

Schamgars Zeit

 

Wegen seiner Untreue geriet das Volk Israel im Land Kanaan immer wieder unter die Herrschaft feindlicher Völker. Wenn die unterdrückten Israeliten dann in ihrer Not zu Gott schrien, sandte Gott in seiner Barmherzigkeit Richter, die das Volk Israel von der Besatzungsmacht befreiten. Ein solcher Richter war Ehud (Kap. 3,12-30). „Nach ihm“ kam Schamgar: War Schamgar durch das Vorbild Ehuds motiviert worden? Ja, unsere persönlichen Glaubenssiege werden eine ermutigende und beispielhafte Wirkung auf unsere Geschwister haben.

Schamgars Zeit war eine besonders schwierige Phase im Volk Israel; sie war so schlimm, dass Debora und Barak noch einige Jahre später in ihrem Lied auf poetische Weise an die „Tage Schamgars“ erinnern (Kap. 5,6-8) :

  • „Die Pfade ruhten und die Wanderer betretener Wege gingen krumme Pfade“ (5,6): Die Bürger mieden die offiziellen Wege und benutzten stattdessen Schleichwege, weil Feinde im Land waren und man mit Raubüberfällen rechnen musste. Im übertragenen Sinn spricht diese Situation davon, dass das Volk Israel den geraden Weg Gottes verlassen hatte, es gab keine Sicherheit und keinen Frieden mehr, jeder ging seinen eigenen Weg (Spr 4,18; Jes 59,8).
  • „Es ruhten die Führer“ (5,7; siehe Anmerkung in der Elberfelder Übersetzung, CSV): Einerseits fehlte es im Volk Gottes an Führung, andererseits wurde Gottes gute Führung abgelehnt. Auch die von Gott gegebenen Autoritäten akzeptierte man nicht mehr, ein „jeder tat, was recht war in seinen Augen“ (Kap. 17,6; 21,25).
  • „Israel erwählte neue Götter“ (5,8a): Man wandte sich weg von Gott hin zum Götzendienst.
  • „Wurde wohl Schild und Lanze gesehen?“ (5,8b): Unter der Fremdherrschaft der Feinde gab es in Israel keine Waffen mehr, man war hilflos den feindlichen Angriffen ausgeliefert.

Es ist leicht, diese Kennzeichen auf unsere Zeit zu übertragen. Im persönlichen Glaubensleben und auf dem gemeinsamen Weg der Kinder Gottes erkennen wir ähnliche beschämende Missstände. Sie sollen uns jedoch nicht entmutigen, sondern zu einem Kontrastprogramm anspornen: Wir möchten den „Weg des Guten“ gehen (Jer 6,16), geistliche Führung annehmen (Heb 13,8.16; 1. Pet 5,5), uns vor jeder Form des Götzendienstes hüten (1. Joh 5,21) und die Waffen des Lichts, letztlich den Herrn Jesus selbst, anziehen (Röm 13,12-14) sowie das Wortes Gottes als „Waffe“ gebrauchen (Eph 6,18).

 

 

Schamgars Beruf

 

Die Verwendung eines Rinderstachels lässt den Schluss zu, dass Schamgar ein Landwirt war. Er hatte sozusagen keinen Universitätsabschluss. Gott möchte jeden gebrauchen, unabhängig von seinem Bildungsgrad oder sozialem Stand. Was für ein kraftvolles Zeugnis legten beispielsweise die beiden Fischer Petrus und Johannes in der Apostelgeschichte ab, obwohl sie doch „ungelehrte und ungebildete Leute“ waren (Apg 4,13)!

 

 

Schamgars Waffe

 

Besonders auffällig ist seine merkwürdige Waffe: ein Rinderstachel. Wie bereits erwähnt, gab es in den Tagen Schamgars weder Schild noch Lanze im Land, so dass Schamgar notgedrungen zu einer ungewöhnlichen Waffe greifen musste. Bei dem Rinderstachel handelt es sich um einen Viehtreiberstock mit scharfen Spitzen, mit dem man in der damaligen Zeit die Rinder beim Pflügen antrieb und in der Spur hielt. Wenn die Tiere seitlich auszubrechen drohten, gab man ihnen einen ordentlichen „Pieks“ mit dem langen Stock, um sie zurück auf die richtige Bahn zu lenken.

Der Rinderstachel ist ein Bild für das Wort Gottes, das die Feinde (in unserem Leben), also das Böse in unserem Inneren, angreift und damit korrigierend in unser Leben eingreift. „Die Worte der Weisen sind wie Treibstacheln“, sagt der Prediger über seine verfassten Sprüche (Pred 12,11) – aber diese Aussage lässt sich sicherlich auch auf andere Bibelabschnitte anwenden. Wenn wir in unserem Leben eine falsche Richtung einschlagen, weist uns Gott durch sein Wort auf unser Abweichen hin und möchte uns wieder auf den richtigen Weg zurückbringen. Dieser Vorgang kann schmerzhaft sein – es ist „hart gegen den Stachel auszuschlagen“ (Apg 26,14) – aber diese Zurechtweisung entspringt dem liebenden Herzen Gottes.

Wenn wir das Wort Gottes auch in dieser Weise in unserem Leben wirken lassen, wird es uns zum Segen sein. „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werk völlig geschickt“ (2. Tim 3,16).

 

 

Schamgars Feinde

 

Schamgar kämpfte gegen die Philister. Diese Feinde des Volkes Gottes hatten sich im Südwesten des Landes Kanaan eingenistet, obwohl ihnen das Land nicht gehörte. Sie symbolisieren eine fleischliche Religion, ohne echtes Leben aus Gott zu haben.[1] Wir denken an Menschen, die sich Christen nennen, aber keine sind, die „eine Form der Gottseligkeit haben, deren Kraft aber verleugnen“ (2. Tim 3,5). Die heutigen „Philister“ gehen Ostern und Weihnachten in die Kirche, sie halten Jesus für einen Religionsstifter und passen die Bibel ihren eigenen Vorstellungen an. Statt der klaren Botschaft vom Kreuz predigen sie ein soziales Evangelium.

Wir Gläubige stehen in Gefahr, durch die falschen Ansichten der Philister in unserer Denkweise und Gesinnung beeinflusst zu werden. Die vielen Strömungen auf dem christlichen Sektor können dazu führen, dass wir biblische Wahrheiten verwässern oder gar aufgeben. Zwei aktuelle Waffen der modernen Philister sind die Bibelkritik und die Genderideologie. Falls wir bereits begonnen haben, uns innerlich von den biblischen Gedanken zu entfernen, um sie dem pseudo-christlichen Zeitgeist anzupassen, benötigen wir dringend das Wort Gottes als Rinderstachel, das uns zurück zur Wahrheit führt. Wir dürfen auch nicht übersehen, dass die Philister nicht nur Namenschristen darrstellen, sondern ein Bild des Fleisches im Gläubigen sind, besonders des religiösen Fleisches. Wie leicht klammert man sich an Formen der Gottseligkeit, verleugnet aber ihre Kraft im eigenen Leben.

 

 

Schamgars Sieg

 

Schamgars Sieg gegen einen zahlenmäßig übermächtigen Feind erinnert an die späteren großen Kämpfe der Helden Davids wie Joscheb-Baschebet oder Abisai, die 800 und 300 Feinde besiegten (2. Sam 23,8.18). Dass Schamgar als Einzelkämpfer 600 Philister schlug, ist ein Wunder Gottes: Es war nicht Schamgars Geschicklichkeit, die diesen Triumph bewirkte, sondern Gottes Macht – aber Schamgar stellte sich dem Herrn bereitwillig zur Verfügung, um sein Volk zu retten: „Und auch er rettete Israel.“ Welch ein Segen war Schamgar für das Volk Gottes!

Trotzdem war dieser Sieg nur vorübergehend und unvollkommen, denn in späteren Zeiten unter Simson, Samuel oder Saul kam es zu erneuten kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Philistern, bis David diesen Feind schließlich endgültig besiegte. Davon spricht die Zahl 600, denn die 6 ist die Zahl des Menschen (vgl. Off 13,18) und der damit einhergehenden Unvollkommenheit.

Schamgar spornt uns an, auch in schwierigen Zeiten Überwinder zu sein und Glaubenssiege zu erringen.

„Denn alles, was aus Gott geboren ist, überwindet die Welt; und dies ist der Sieg, der die Welt überwunden hat: unser Glaube.“ (1. Joh 5,4)

 



[1] Die Philister sind ein Seefahrervolk, das sich an der Westküste Israels angesiedelt hat. Ursprünglich stammt dieses Volk wohl aus Ägypten, denn sein Vorvater ist Mizraim, was nichts anderes als Ägypten bedeutet (1. Mo 10,13.14). Auf dem Weg von Ägypten nach Kanaan sind die Philister allerdings im Gegensatz zu dem Volk Israel nicht durch das Rote Meer gezogen, was ein Bild der Erlösung und Befreiung aus der Macht Satans ist (2. Mo 13,17.18), und auch nicht durch den Jordan, ein Bild davon, dass wir mit Christus gestorben und auferweckt sind. Deshalb stellen die Philister die religiöse Welt dar; Menschen, die sich auf christlichem Boden bewegen, ohne Buße und Erlösung erfahren zu haben. Mit anderen Worten: In den Philistern können wir die bloße bekennende Christenheit sehen, die lediglich eine äußere religiöse Fassade aufweist.