Glaube im Alltag

Danken – (d)eine Lebenshaltung?

Wir stehen in Gefahr, die Dankbarkeit zu verlieren. Liegt es daran, dass wir äußerlich Mangel leiden? Gewiss nicht! Die meisten von uns haben mehr als genug – nicht nur Nahrung, Kleidung, Haus oder Wohnung, sondern darüber hinaus vieles, was wir nicht einmal benötigen. Im Vergleich zu vielen armen Menschen auf dieser Erde, geht es uns ausgesprochen gut. Doch stellt man fest, dass die Armen oft viel dankbarer und zufriedener sind als die Reichen oder solche, die in einer Wohlstandsgesellschaft leben. Es liegt also nicht an unseren Umständen, die uns dankbar machen. Letztlich ist es eine Herzenshaltung bzw. ein Herzensentschluss. Das hatten auch Christen im Urchristentum zu lernen …

 

Vorsicht vor Unzufriedenheit!

 „Es ist bemerkenswert, wie sehr die Zufriedenheit nicht nur das Glück einer Seele ausmacht, sondern auch mit Heiligkeit zusammengeht. Es gibt kaum etwas, das unsere Beziehung zu Gott und zu Menschen so stört wie Unzufriedenheit. Sie bahnt den Weg für jedes Übel. Sie trägt zum großen Maß an Revolutionen und anderen gesellschaftlichen Brüchen bei. In kleineren Einheiten bringt sie – wie kaum etwas anderes – ganze Familien und die innere Einstellung des Einzelnen aus dem Gleichgewicht. Nicht von ungefähr nennt der Heilige Geist ‚undankbar‘ und ‚unheilig‘ direkt nebeneinander (vgl. 2. Tim 3,2). Wir finden auch, dass Undankbarkeit zum Götzendienst führen kann: Die Heiden haben Gott nicht nur die Ehre verweigert, sondern sie waren auch undankbar und verfielen in jede Arte von Unmoral.

Es gibt kaum etwas Wichtigeres, als die Dankbarkeit des Herzens zu nähren und den Herrn in unseren Herzen zu heiligen (vgl. 1. Pet 3,15), indem wir auf seine Güte vertrauen und uns bewusst machen, dass Er jedem genau das gegeben hat, was am besten ist. Aber der einzige Weg, um in allen Umständen zufrieden zu sein, besteht darin, auf Gott zu schauen, wie Er uns gegenüber in Christus gehandelt hat – für alle Ewigkeit.“[1]

 

Brennende Herzen machen dankbar

Nach diesen einleitenden Gedanken wenden wir uns den fünf Stellen im Brief an die Kolosser zu, die zur Dankbarkeit auffordern. Wie wir dem Brief entnehmen können, standen die Briefempfänger in Gefahr, durch gewisse „Elemente der Welt“ als Beute weggeführt zu werden. Damals waren es Philosophie, jüdische Traditionen und Aberglaube; heute mögen es auch andere „Elemente“ sein, die geistlich eine Gefahr für uns darstellen. Wenn sie „nicht nach Christus“ sind (Kap. 2,8), d.h. falls sie uns von Ihm abziehen, werden unsere Herzen kalt. Dann brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn wir undankbar werden. So war es bei den Gläubigen in Kolossä: Sie unterlagen schädlichen Einflüssen und fingen an, in ihrem Glaubensleben unsicher zu werden. Deshalb bemüht sich Paulus, ihre Füße wieder auf ein festes Fundament zu stellen, wobei es vorrangig um die offenbarte Wahrheit über Jesus Christus geht. Damit bestätigt sich, dass unsere Dankbarkeit als Christen ihren Ursprung immer außerhalb von uns hat: in Gott selbst und in dem, was Er für uns getan hat und tut. Selbstsucht ist übrigens einer der größten Feinde der Dankbarkeit!

 

1.     Danken für großartige Segnungen

Die erste (indirekte) Aufforderung finden wir in Kapitel 1:

„… danksagend dem Vater, der uns fähig gemacht hat zu dem Anteil am Erbe der Heiligen in dem Licht, der uns errettet hat aus der Gewalt der Finsternis und versetzt hat in das Reich des Sohnes seiner Liebe“ (V. 12.13).

Es ist offensichtlich nicht Paulus, der hier in erster Linie danksagt, sondern er wünscht es seinen Adressaten. Paulus betete für einen würdigen Wandel, der „fruchtbringende“ und „wachsende“ Ergebnisse hervorbrachte – aber eben auch eine „danksagende“ Haltung.[2]

Und wofür sollten die Briefempfänger danken? Dass der Vater ihnen neues, göttliches Leben geschenkt und sie dadurch befähigt hat, in seiner Gegenwart zu sein, außerhalb der Schöpfung, und die ewigen Dinge zu erfassen und zu genießen. Dieses Erbe oder Los ist nicht mit dem Erbteil zu verwechseln, das wir im 1000-jährigen Reich mit Christus besitzen werden (vgl. Röm 8,17; Eph 1,14.18; Kol 3,24; 1. Pet 1,4). Das Erbe, von dem Paulus in Kolosser 1 spricht, ist nicht das Reich, sondern das ewige Teil aller Gläubigen der Gnadenzeit in der unmittelbaren Gegenwart Gottes. Das wird besonders durch den Hinweis auf „die Heiligen im Licht“ deutlich (vgl. Apg 26,18).

Anschließend beschreibt Paulus einen gewaltigen Wechsel: Früher gehörten die Kolosser zu einem Autoritätsbereich, der durch Finsternis gekennzeichnet war; dort herrschten die Sünde und der Teufel. Doch jetzt sind sie und auch wir Christen heute unter eine ganz andere Autorität gestellt. Wir befinden uns im „Reich des Sohnes seiner Liebe“. Dort, wo unser Herr der Inbegriff der Liebe des Vaters ist, dienen wir dem Sohn. Dort regiert die Liebe und dominiert alles. Die Liebe, die ewig zwischen dem Vater und dem Sohn bestand, hat sich jetzt auch uns zugewandt. – Haben wir nicht viel Grund, täglich Gott, unserem Vater, zu danken?

 

2.     Im Glauben überströmen(d) mit Dank

Die zweite (indirekte) Aufforderung finden wir in Kapitel 2:

„… gewurzelt und auferbaut in ihm und befestigt in dem Glauben, so wie ihr gelehrt worden seid, überströmend darin mit Danksagung“ (V. 7).

Die Gläubigen in Kolossä hatten an Christus geglaubt. Doch da gab es Männer, die ihnen weismachen wollten, das Glaubensleben müsse durch andere Elemente vertieft werden. Nein, wie sie den Herrn Jesus angenommen hatten und wie sie gelehrt worden waren, so sollten sie jetzt fortfahren: in Ihm wandeln, indem sie sich in Ihm wurzeln und auferbauen lassen (V. 6). Außerdem ist es wichtig, in dem Glaubensgut befestigt zu sein. Wir müssen es kennen und wertschätzen, „darin überströmend“ sein. Dabei vergessen wir nicht, dass die Offenbarung der Glaubenswahrheit ein großes Geschenk ist, wofür wir Gott von Herzen dankbar sind. Und das sollte dann auch in Form eines Dankgebets über unsere Lippen kommen. Je mehr wir für den geistlichen Segen danken, umso mehr schätzen und besitzen wir diese Geschenke ganz praktisch und desto weniger Angriffspunkte hat die Welt, um uns für ihre Angebote zu gewinnen.

 

3.     Dankbarkeit hilft im Miteinander

Jetzt kommen wir zu einer konkreten Aufforderung im praktischen Teil des Briefes:

„Der Friede des Christus regiere in euren Herzen, zu dem ihr auch berufen worden sei in einem Leib; und seid dankbar“ (Kap. 3,15).

Der Zusammenhang, in dem dieser Vers steht, macht deutlich, dass das Miteinander der Gläubigen im Fokus steht (vgl. „einander“ und „gegenseitig“ in V. 13.16). Und weil gerade im zwischenmenschlichen Bereich viele Konflikte entstehen können, sind Eigenschaften wie Demut, Sanftmut und Langmut von großer Bedeutung (V. 12). Auch die Liebe wird erwähnt, „die das Band der Vollkommenheit ist“ (V. 14). Schließlich kommt Paulus auf den Frieden des Christus zu sprechen, der zuerst uns ganz persönlich kennzeichnen soll. Frieden in allen Umständen – das hat Christus geprägt. Dieser Friede sollte die Entscheidungsgrundlage für alle unsere Lebenssituationen sein.

Darüber hinaus sind wir sogar zu diesem Frieden berufen worden „in einem Leib“. Das können wir uns gut vorstellen: Die Glieder und Organe des menschlichen Körpers arbeiten nie gegeneinander, sondern immer miteinander. Alles ist völlig harmonisch angelegt – es sei denn, der Körper ist krank. Ausgehend vom Haupt (Christus) empfangen wir als Glieder des einen Leibes viel Segen voneinander. Sind wir dafür dankbar? Danken wir für die Glaubensgeschwister, die der Herr uns an die Seite gestellt hat? Gewiss, im Volk Gottes gibt es manches zu bemängeln – und das zu Recht! Aber wenn ich zum Positiven beitragen möchte, dann muss mich persönliche Dankbarkeit kennzeichnen. Denn eine unzufriedene Grundhaltung würde die Gemeinschaft der Gläubigen nur (zer)stören – und niemals heilen. Wie wichtig also die Aufforderung: „Seid dankbar!“

 

4.     Danken – eine Grundhaltung

Kurz nach der konkreten Aufforderung „seid dankbar“, erwähnt der Apostel erneut die Danksagung als Lebenshaltung:

„Und alles, was immer ihr tut, im Wort oder im Werk, alles tut im Namen des Herrn Jesus, danksagend Gott, dem Vater, durch ihn“ (Kap. 3,16).

Ein Vers für den Alltag, der es allerdings in sich hat und nachdenklich macht: Alles, was wir sagen und tun, soll nicht nur in Übereinstimmung mit dem Herrn sein (schon das fällt uns manchmal schwer), sondern gewissermaßen in seinem Auftrag geschehen. Wir reden und handeln dann als seine Repräsentanten. Was für eine hohe Verantwortung – und zugleich ein großes Privileg! Denn wer anders könnte diesen Anspruch erfüllen, wenn nicht solche, die dazu ausgestattet sind: Auserwählte, Heilige und Geliebte (V. 12). Und je mehr wir über die Gnade nachdenken, die Gott uns in Christus geschenkt hat, umso mehr Dank werden wir unserem Vater sagen. Tun wir es!?

 

5.     Beim Beten das Danken nicht vergessen

Die letzte Aufforderung zur Dankbarkeit bzw. Danksagung steht in Verbindung mit unserem Gebetsleben:

„Verharrt im Gebet und wacht darin mit Danksagung“ (Kap. 4,2).

Es ist erstaunlich, wie oft uns das Neue Testament an das Gebet erinnert. Offensichtlich ist das notwendig, weil wir geneigt sind, Dinge selbst in die Hand zu nehmen, anstatt uns von Gott führen und von Ihm beschenken zu lassen. Wer betet, sucht die Gemeinschaft mit Gott und drückt zugleich damit aus, dass er auf Gott und seine Hilfe angewiesen ist, wobei es natürlich längst nicht immer um uns und unsere Bedürfnisse gehen muss. Gleich der folgende Vers lässt erkennen, wie nötig das Gebet für andere ist: für Diener im Werk des Herrn (V. 3). Darüber hinaus gibt es viele Gebetsanliegen – bis hin „für alle Menschen“ (1. Tim 2,1).

Beten ist eigentlich ganz einfach und sollte für jeden Gläubigen eine Selbstverständlichkeit sein. Die Herausforderung besteht allerdings darin, im Gebet zu verharren, also Beständigkeit zu zeigen. Hinzu kommt, darin zu wachen. Das kann bedeuten, nicht zu „plappern“ (Mt 6,7) oder in allgemeine „Vorträge“ abzugleiten, sondern bewusst und konkret zu beten. Und nicht zu vergessen: „mit Danksagung“. Das gilt nicht nur für Gebetsanliegen, die Gott bereits erhört hat; dafür sollen wir Ihm natürlich auch danken. Aber bei allen Bitten, die wir äußern, wollen wir bedenken, wie viel uns geschenkt worden ist, ohne dass wir überhaupt dafür gebetet haben. Es gibt viel Grund, zum Danken: von der Erlösung und über himmlischen Segnungen bis hin zu Familie, Gesundheit und Arbeit. Und wenn wir noch auf eine Gebetserhörung warten? Selbst dann können wir Gott dafür danken, dass Er es immer gut mit uns meint und uns unendlich liebt.

 



[1] William Kelly: An Exposition of the Gospel of Luke, S. 53. Believers Bookshelf, 2007.
[2] Die Wörter „fruchtbringend“, „wachsend“, „gekräftigt“ und „danksagend“ haben dieselbe griechische Verbform.