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Der Gläubige und Verschwörungstheorien

Fast jeder ist schonmal mit einer Verschwörungstheorie konfrontiert worden – und oft klingt sie erstmal plausibel. Aber was steckt eigentlich dahinter? Wie gehe ich als Gläubiger damit um? Sagt die Bibel etwas dazu?

 

„Schrecklich, diese Flüchtlinge. Die wollen doch nur, dass Europa unterwandert wird!“

„Die Pharmaindustrie bringt mehr Menschen um als die Mafia!“

„Aber die Bibel sagt doch ganz klar, dass die Erde eine Scheibe ist!“

„Mit den ganzen Chemtrails[1] wollen die nur das Bevölkerungswachstum kontrollieren!“

 

Solche Aussagen hört man nicht nur am Arbeitsplatz, im Zug, in der Schule oder in der Bäckerei nebenan. Auch in christlichen Familien oder unter Gläubigen sind derartige Thesen anzutreffen. Es ist natürlich, dass auch unter Gläubigen Themen besprochen werden, die gesellschaftlich diskutiert werden. Wenn jedoch die Grenze zwischen Fakten und erfundenen Behauptungen verwischt werden, führt dies schnell zu misstrauischen Spekulationen. Das ist ein gefährlicher Nährboden für Verschwörungsglauben. Gerade in Zeiten von Klimadiskussion und Coronavirus schießen solche Verschwörungsszenarien wie Pilze aus dem Boden.

 

Verschwörungstheorien

Vielleicht bist du auch schon das eine oder andere Mal mit einer sogenannten Verschwörungstheorie in Kontakt gekommen. Nachdem dein Gegenüber dir – vielleicht nicht ohne zu versichern, dass er sich intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt habe – eine Reihe spannender Argumente aufgetischt hat, klingen seine Erklärungen auf einmal nachvollziehbar. Sagt nicht die Bibel selbst, dass die Welt ein böses, vom Teufel regiertes System ist (1. Joh 5,19)? Da ist es doch einleuchtend, dass Regierungen die Wahrheit verschweigen, die Wissenschaft unzuverlässige Informationen liefert und die Medien Lügen verbreiten. Du fängst an, auf eigene Faust zu googeln, schaust dir entsprechende YouTube-Videos an und findest plötzlich eine Fülle erstaunlicher Hinweise … Tatsächlich gibt es unter den Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben, eine bedeutende Anzahl bekennender Christen.[2]

Glaube an Verschwörungen kann uns in vielen Bereichen begegnen. Unter den politischen Themen stehen 9/11-Verschwörungstheorien[3] hoch im Kurs, andere Theorien wollen belegen, dass Freimaurer oder Zionisten die Weltherrschaft anstreben, dass die Mondlandung nur ein Fake der NASA sei, dass die Bilderberg-Konferenz[4] eine kapitalistische Weltdiktatur forciere, oder dass eine geheime islamistische Unterwanderungspolitik die Flüchtlingsbewegung in Europa verursacht habe.

Auch im wissenschaftlichen Bereich stößt man auf z. T. sehr abstruse Theorien. So feiert beispielsweise die Flache-Erde-Theorie[5] seit einigen Jahren ihr Comeback, manche Christen halten sie sogar für biblisch. Beim Thema Umwelt fallen häufig Stichworte wie Chemtrails, HAARP[6] und Klimaverschwörung[7]. Auch das Gebiet Ernährung und Gesundheit ist stark betroffen: Hier ranken sich zahlreiche Legenden um die „böse“ Pharmaindustrie; Impfgegner warnen vor „hochgefährlichen“ Impfungen; „ultragesunde“ Ernährungskonzepte (bis hin zur veganen Hundediät) sollen uns vor den „giftigen“ Inhaltsstoffen herkömmlicher Nahrungsmittel bewahren; immer wieder werden „Wundermittel“ und revolutionäre (All-)Heilmethoden gehypt.

 

Reaktion von Christen

Man könnte die Liste noch lange fortsetzen. Diesen Theorien begegnet man nicht nur auf dubiosen Internetseiten, sie werden z. T. von Christen geglaubt und verbreitet. Viele sind seit langem als Fälschung entlarvt, werden aber immer noch geglaubt oder auch als wahr dargestellt. Die angeblichen Beweise entpuppen sich bei genauerem Hinsehen als sehr dünn und oft subjektiv. Zudem braucht es für die meisten Verschwörungstheorien eine solch hohe Zahl an Mitwissern, dass eine Geheimhaltung gar nicht möglich und der Schwindel längst aufgeflogen wäre.[8]

Natürlich ist nicht alles Verschwörungstheorie, was nicht dem allgemeinen „Mainstream“ folgt. Und wir sollten als Christen auch nicht unreflektiert die Medien lesen, sondern das, was wir als Gedanken und Überzeugungen übernehmen wollen, auch prüfen, nicht zuletzt an Gottes Wort. Verschwörungstheorien aber kann man oft recht leicht entlarven.

Natürlich können wir an dieser Stelle nicht jede einzelne Theorie widerlegen. Aber vielleicht können wir uns ein bisschen dafür sensibilisieren, verschwörerischen Mutmaßungen eine gesunde Skepsis entgegenzubringen und vor der Weiterverbreitung behutsam abzuwägen: Nützen die Informationen meinen Mitchristen wirklich oder diene ich am Ende nur der Verbreitung von Unwahrheit? Wir werden noch sehen, wie schädlich Verschwörungsglaube auf unser Leben als Jünger ist.

Wie entstehen solche Theorien?

Meist resultieren sie aus dem Versuch, eine simple Erklärung für komplexe und unübersichtliche Vorgänge zu finden. Folgendes Muster lässt sich häufig erkennen:

a)     Es gibt eine bestimmte Elite an Menschen, die sich „verschworen“ hat.

b)     Diese Elite verfolgt einen bestimmten Plan.

c)     Die Ausführung dieses Plans erfolgt im Geheimen.

d)     Die Absichten der Elite sollen anderen schaden.

e)     Offizielle Erklärungen sind falsch.

Solche Theorien erzeugen einerseits ein gewisses Gefühl von Sicherheit, weil man meint, mit der vereinfachten Erklärung die Welt zu verstehen. Gleichzeitig können sie Furcht einflößen, da ein bedrohliches Feindbild erschaffen wird. Ein Extrembeispiel aus der Geschichte ist der antisemitische Verschwörungsglaube: Schon seit dem Mittelalter mussten Juden als Ursache für unerklärliche Zusammenhänge herhalten.[9] Dies gipfelte in dem Feindbild „Jude“, das im 3. Reich von den Nationalsozialisten propagiert wurde – und zum Tod von 6 Millionen Juden führte.

Wenn du jetzt sagst, dass es bei uns Gläubigen doch nie zu so einem Extrem kommen kann – die Haltung mancher Christen im 3. Reich zeigt das Gegenteil. Wir alle sind beeinflussbar und Kinder unserer Zeit.

 

Christliche Besonnenheit statt Verschwörungsglauben

Als Glaubende sollten wir „alles, was wahr“ ist, erwägen (Philipper 4,8). Beschäftigen wir uns oft und intensiv mit Gottes Wort, wird seine Wahrheit uns prägen. Das Gegenteil passiert, wenn wir Unwahrheit konsumieren. Beliebte Plattformen wie YouTube oder Facebook, wo jeder ungefiltert Wahres und Falsches, bis hin zu „Nonsens“ veröffentlichen kann, sind da besonders tückisch. Wir merken vielleicht gar nicht, wie wir von den falschen Informationen beeinflusst und manipuliert werden – mit negativen Auswirkungen auf unser Leben als Jünger:

  • Wir sehen vielleicht in der Regierung ein Feindbild, obwohl Gott uns sagt, dass er sie einsetzt (Röm 13,1 ff.). Natürlich hat jeder Regent seine eigene Verantwortung vor Gott und macht auch nicht alles richtig. Wir werden aber in der Bibel nicht aufgefordert, darüber zu urteilen. Im Gegenteil, wir sollen der Regierung gehorsam sein (Röm 13,2), sie nicht lästern (Tit 3,2) und Autoritätspersonen die Ehre geben, die ihnen zusteht (Röm 13,7). 
  • Bestimmte Menschen oder ethnische Gruppen werden als Bedrohung gesehen, mit dem Ergebnis, dass wir ihnen gegenüber eine ablehnende statt gewinnende Haltung einnehmen. Dabei zeigt die Bibel bereits im Alten Testament, dass der Fremde geliebt werden soll (5. Mo 10,19) und es vor Gott keinen Unterschied in der Wertigkeit zwischen unterschiedlichen Menschen gibt (Röm 10,12). Wenn wir Unterschiede machen, verurteilt das die Schrift (Jak 2,4).
  • Wir gehen vielleicht rücksichtslos mit der Schöpfung um, weil wir denken, das ganze Gerede um den Klimawandel sei völlig aus der Luft gegriffen. Das ändert aber nichts daran, dass Gott den Menschen beauftragt hat, die Schöpfung in seinem Sinne zu verwalten (vgl. 1. Mo 1,26; 2,15). Weil Ihm Tiere und Pflanzen wichtig sind (z. B. 5. Mo 20,19), sollten auch wir respektvoll mit der Natur umgehen.
  • Wir haben vielleicht Sorge um unsere Gesundheit und flüchten uns – weil die Pharmaindustrie uns ja gar nicht wirklich heilen möchte - zu dubiosen Therapien oder Produkten, die als das Wundermittel vermarktet werden. Natürlich sollten wir uns hüten zu denken, Heilpraktiker seien per Definition Scharlatane und jede unkonventionelle Heilmethode Quacksalberei. Grundsätzlich gilt jedoch, dass wir unser Vertrauen nicht auf Menschen oder vielversprechende Heilmittel (und übrigens auch nicht auf die Schulmedizin), sondern auf Gott setzen sollen (z. B. Ps 146,3, negatives Beispiel: Asa in 2. Chr 16,12).
  • Wir stellen unsere komplette Ernährung nach einem angeblich sicheren Konzept um, weil uns herkömmliche Nahrung ja nur „vergiftet“. Denk daran, dass Gott alle Speisen zur dankbaren Annahme geschaffen hat und es verurteilt, wenn jemand bestimmte Speisen für tabu erklärt (1. Tim 4,3). Natürlich darf man auf eine gesunde Ernährung achten und auch mal etwas Ausgefallenes ausprobieren. Gefährlich wird es, wenn die Ernährung meine Gedanken so einnimmt, dass sich mein Leben fast nur noch darum dreht. Mein Körper, meine Gesundheit, ich selbst stehe im Fokus. Das soll aber eben nicht so sein (Phil 2,4).
  • Nicht zuletzt bekommen wir durch Verschwörungsglauben Furcht vor der Zukunft, weil wir permanent überall „den Feind“ lauern sehen. Natürlich sollen wir nicht blauäugig sein, aber der Verschwörungsglaube kann uns auch extrem werden lassen. Die Bibel sagt, dass wir uns nicht fürchten sollen (Jes 8,12).

 

Verschwörungsglaube in der Bibel

Ist Verschwörungsglaube eigentlich nur ein Phänomen unserer heutigen Zeit? Nein – wie in vielen anderen Dingen ist man manchmal überrascht, dass die Bibel diese Sache bereits benennt:

Schon dem Propheten Amos wurde zu Unrecht eine Verschwörung angehängt, um ihn beim König in Misskredit zu bringen: Nachdem er dem Volk Israel eine (Gerichts)Botschaft gebracht hatte, „…sandte Amazja, der Priester von Bethel, zu Jerobeam, dem König von Israel, und ließ ihm sagen: Amos hat eine Verschwörung gegen dich angestiftet inmitten des Hauses Israel“ (Amos 7,10). Amos hatte zwar gegen den König geweissagt, aber eine Verschwörung hatte er nicht geplant. Dieses Beispiel zeigt, dass wir anderen Menschen(gruppen) Unrecht tun, wenn wir die Fakten verdrehen und leichtfertig böse Absichten unterstellen.  

Die menschliche Neigung, alles Bedrohende als „Verschwörung“ zu bezeichnen, ist nicht neu. Als sich einmal das Nordreich Israel mit dem Syrer Rezin verbündete (scheinbar, um sich mit ihm gegen das Südreich Juda zu „verschwören“), löste das in Juda natürlich große Besorgnis aus. Aber Gott ließ ihnen sagen: „Ihr sollt nicht alles Verschwörung nennen, was dieses Volk Verschwörung nennt; und fürchtet nicht ihre Furcht und erschreckt nicht davor“ (Jesaja 8,12). Hier existierte im Unterschied zu vielen heutigen Verschwörungstheorien sogar eine konkrete Gefahr. Gott sagt durch Jesaja den Treuen in Juda dennoch, dass sie nicht alles gleich „Verschwörung“ nennen und vor allem dadurch nicht in Angst geraten sollten, denn der Herr stand auf ihrer Seite.

Gott ist auf unserer Seite! Wir brauchen uns deswegen nicht vor der Zukunft zu fürchten, wie diffus sie auch vor uns liegen mag. Psalm 31,21 zeigt uns, wo wir mit unserer Angst hingehen sollen: „Du verbirgst sie im Schirm deiner Gegenwart vor den Verschwörungen der Menschen“. Selbst wenn eine Verschwörungstheorie tatsächlich einmal wahr sein sollte – warum Angst haben? In der Gegenwart Gottes brauchen wir uns nicht zu fürchten!

 

 



[1] Chemtrails: Kunstwort aus den Begriffen „Chemicals“ (engl. Chemikalien) und „Contrails“ (engl. Kondensstreifen). Es bezeichnet angeblich durch Flugzeuge versprühte giftige Chemikalien, die am Himmel entsprechende Kondensstreifen hinterlassen.
[2] Die Zeit, Ausgabe 24/2019 in „Christ und Welt“.
[3] 9/11-Verschwörungstheorien schreiben die Attentate auf das World Trade Center am 11. September 2001 z. B. der amerikanischen Regierung oder israelischen Geheimdiensten zu.
[4] Die Bilderberg-Konferenz ist ein jährliches Treffen von hochrangigen Personen aus der Regierung, dem Militär, der Wirtschaft, der Wissenschaft und von Geheimdiensten (angeblich um eine neue Weltordnung aufzubauen). Viele jüngere politische Ereignisse sollen dort angeblich festgelegt worden seien, wie z. B. die Wiedervereinigung Deutschlands.
[5] Die Flache-Erde Theorie versucht, die Erde als eine Scheibe zu beschreiben, die das Zentrum des Sonnensystems darstellt.
[6] HAARP (engl. High Frequency Active Auroral Research Program) war ein amerikanisches Forschungsprogramm, bei dem eine Anlage in Alaska zur Untersuchung der oberen Atmosphäre Radiowellen generierte. Verschwörungstheoretiker unterstellen den Forschern die bewusste Herbeiführung von Naturkatastrophen. (Tuckett, K. Conspiracy Theories. Aware Journalism, 2004).
[7] Eine Klimaverschwörung unterstellt z. B., der gesamte Klimawandel sei nur erfunden, damit bestimmte Menschen sich daran bereichern können. Wissenschaftlichen Fakten zur Veränderung des Klimas und zum Beitrag des Menschen werden geleugnet.
Natürlich ist bei der Interpretation und insbesondere Prognose der Daten zum Klimawandel Vorsicht geboten, zumal wir Christen wissen, dass Gott gesagt hat, dass bestimmte klimatische Grundprinzipien (Sommer/Winter – Hitze/Frost) bestehen bleiben. Der mediale Hype darum zeigt auch, dass die Diskussion darüber einseitig werden kann – das heißt aber nicht, dass wir ins andere Extrem verfallen und alles abstreiten sollen, was mit Klimawandel zu tun hat.   
[8] Grimes DR. On the Viability of Conspiratorial Beliefs. PLOS ONE 11(1): e0147905 (2016).
[9] Hierzu zählt z. B. die im Mittelalter beliebte Theorie der Brunnenvergiftung durch Juden, die dadurch angeblich die Christenheit vernichten wollten.