Buchbesprechung

Der Bibel-Raucher

Selten habe ich ein christliches Buch nach dem Lesen mit einer solchen Freude zugeklappt wie das Buch, das die Geschichte des Bibel-Rauchers Wilhelm Buntz beschreibt. Die zweite Schlagzeile auf dem Cover – die knallharte Lebensgeschichte eines Ex-Knackis – trifft es. Und diese Geschichte ist sehr beeindruckend.

 

Was kann aus einem Burschen werden, der

  • als Baby von seiner Mutter halb verhungert ausgesetzt wird,
  • schon als kleines Kind seine Halbschwester lebensgefährlich verletzt und der
  • bereits vor der Schulzeit aus dem Haus geworfen wird und in ein Heim kommt?

 

Im Gefängnis

Genau das sind oft die Menschen, die im Erwachsenenalter die Gefängnisse bevölkern. Nicht, dass für alles die Eltern und die Umstände verantwortlich wären – wir sind am Ende selbst für unseren Lebensweg zuständig. Aber es ist nicht zu übersehen, dass solche Erlebnisse ein großes Maß mit dazu beitragen, Menschen auf eine falsche Spur zu bringen. Da jeder von uns zudem mit einer sündigen Natur auf die Welt kommt, fällt es nicht „schwer“, dann auch einen solchen Weg einzuschlagen und weiterzugehen.

Auf diese Weise machte Wilhelm („Helme“) Buntz im Gefängnis in Stuttgart-Stammheim Bekanntschaft mit solchen „Größen“ wie Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe, den Gründern der Terrororganisation RAF. Denn Buntz selbst war zum Dieb, Räuber und Totschläger geworden.

Ich möchte die spannende Geschichte dieses Buches nicht vorwegnehmen. Aber Gottes Wege sind jedes Mal einzigartig. Das gilt nicht zuletzt für Bekehrungsgeschichten von Menschen, die ein Leben nicht nur ohne Gott, sondern sogar gegen Gott geführt haben. Es gibt nicht „die“ Bekehrung als ein Schema und Muster. Jede Umkehr eines Menschen ist einzigartig.

Immer wieder können wir nur staunen, wie Gott die Härte von Menschen erträgt und sie doch zur Buße führt. Sind wir nicht entsetzt, wenn jemand aus Trotz anfängt, einzelne Seiten aus der Bibel zu reißen und spottend zu rauchen? Kann Gott so etwas ohne Gericht hinnehmen?

Gott ist größer und Er hat auch das Herz von „Helme“ erreicht. Er las Gottes Wort, bevor er die Seiten rauchte. Und Gott sprach so zum Herzen von Wilhelm Buntz, dass er Jesus Christus als Retter annahm. Im Knast!

Damit nicht genug! Buntz erkannte, dass ein bekehrter Mensch ehrlich leben muss. Er war ja nur wegen eines Teils der Taten verurteilt worden, die er begangen hat. Und was tut er jetzt? Er macht das Unvorstellbare und schreibt doch tatsächlich einen Brief an den Staatsanwalt und bekennt alles, alle Taten. Er will sein Gewissen erleichtern. So etwas geht nicht ohne innere Zerrissenheit: „Soll ich mir mehrfach lebenslänglich noch aufbrummen lassen?“ Diese innere Not von Wilhelm Buntz wird im Buch nicht verschwiegen. Wie er zum Beispiel versucht hat, den Bekenntnisbrief wieder aus dem Briefkasten zu holen ...

 

Ein kurviger Weg

Als Leser lernen wir auch, dass der Weg eines bekehrten Sünders nicht gradlinig ist. Dass er mit vielen Kurven versehen ist. Dass man aufgeben möchte und Gott uns dennoch nicht umkommen lässt. Dass man sogar auf Gott schimpfen kann – und dennoch gibt Gott uns nicht auf.

 

Christen können töricht handeln

Es handelt sich um ein sehr ehrliches Buch, in dem die Schwächen von „Helme“ nicht zu kurz kommen. Auch nicht die Schwächen von Christen, die schon länger gläubig sind. Nehmen wir ein Beispiel: Wilhelm Buntz wollten viele als Wunder-Mann und besonderes Exemplar auf Konferenzen und anderen Veranstaltungen „vorführen“. Ob das weise ist für solch einen „jungen“ Gläubigen, darüber denkt kaum jemand nach. Hauptsache, man kann ein Highlight vorführen.

Am Anfang hat Buntz nicht durchschaut, was da eigentlich ablief. Als er aber dann in den Häusern erleben musste, wie Türen und Taschen verriegelt worden waren, bevor er kam, wurde ihm die Heuchelei mancher klar. Auf der Bühne vorführen – und in Wirklichkeit gar kein Vertrauen in einen veränderten Lebenswandel haben, das passt nicht zusammen.

 

In meiner Umgebung?

Ich habe mich beim Lesen gefragt, ob sich solch ein Gläubiger, der aus dem Sumpf der Sünde zu Bekehrung gekommen ist, in meinem Haus, in meiner Familie wohlfühlen würde. Ob er sich in dem örtlichen Zusammenkommen, wo ich zu Hause bin, wohlfühlen würde, oder ob er sich als Außenseiter vorkäme. Ob er seinen Dienst für den Herrn ausführen könnte, oder ob er sich über das biblische Maß hinaus eingeengt fühlen müsste.

Wie gesagt – der Lebensweg des Glaubens von Wilhelm Buntz war nicht gradlinig. Zwischendurch verirrte er sich in eine charismatische Gemeinde, aber selbst in dieser Zeit hatte Gott eindrückliche Botschaften an Wilhelm, die ihn durch schwierige Zeiten führten. Und nun kann er Zeugnis ablegen von der Gnade Gottes.

 

Lohnarbeit statt Missionsarbeit

Mir imponiert auch, dass dieser Mann, nachdem er manche Einladungen zu Vorträgen erhalten und auch angenommen hatte, nicht sagte: Das mache ich jetzt zu meinem Lebensdienst. Nein, er arbeitete bis zum Pensionsalter „ganz normal“ und verdiente auf diese Weise sein Geld. So konnte er sicherlich auch auf seiner Arbeitsstelle manchen ein gutes Zeugnis sein von einem durch Gottes Güte veränderten Menschen.

Besonders beeindruckend ist die Versöhnung mit seinem Vater. Diese Beziehung war von großer Härte geprägt. Aber die Vergebungsbereitschaft von beiden führte sie am Ende doch wieder zusammen. Auch ist es schön zu lesen, wir Gott Buntz in äußerst gefährlichen und herausfordernden Lebenssituationen bewahrte. Manchmal benutzte Er Menschen, manchmal griff Er auf direkte Weise ein.

Dieses Buch umfasst 249 Seiten und kann auch von jungen Menschen „verschlungen“ werden. Es ist sehr gut geschrieben (und redigiert) worden, kostet 17,99 Euro, ist bei SCM Hänssler erschienen und kann beim Herausgeber von „Folge mir nach“ (CSV, Hückeswagen) bezogen werden. Man kann es auch sehr gut am Büchertisch verwenden.

 

Buchauszug (S. 207-212):

Mitten in meine Verwirrung platzte der nächste Kontakt mit meiner alten Welt: Michael. Als der Mann seinen Namen durch die Sprechanlage an der Wohnungstür sagte, wusste ich: Da kann was nicht stimmen. Michael hatte zweimal lebenslänglich. Unmöglich konnte er auf legale Weise hier sein. Trotzdem – Michael war ein guter Kumpel im Knast gewesen. Irgendwas musste ihn umtreiben ...

Innerlich war ich völlig aufgewühlt. Ganoven verrieten einander nicht! Punkt. Alles andere wäre einer Schande gleichgekommen. Selbst wenn ich jetzt anders war. Das ging einfach nicht. Und das wusste Michael auch, deshalb war er zu mir gekommen.

Andererseits war ich jetzt ein Gotteskind. Wie konnte ich dieses Verbrechen, das hier gerade geschah, einfach dulden? ...

„Herr Jesus!“, rief ich innerlich. „Was soll ich bloß machen? Ich kann ihn nicht verraten – aber ich müsste. Hilf mir!“ Plötzlich fiel mein Blick auf den Küchenkalender, der am Kühlschrank hing. Gebetsstunde. Heute war Gebetsstunde in der Gemeinde! ...

Neben mir kniete ein anderer Mann. Nach einer ganzen Weile wandte er sich zu mir um, sah mich an und sagte urplötzlich: „Helmi, mach dir keine Sorgen.“ Ich entgegnete ihm, wie er darauf komme, dass ich mir Sorgen mache. Da antwortet er zu meiner Verblüffung: „Der Besuch, den du hast – Gott kümmert sich darum. Sei ganz unbesorgt. Gott wird ihn wegschicken.“ ...

An diesem Morgen im achten Stock eines Hochhauses in Nagold übergab der Geiselnehmer Michael im Beisein seiner Geisel sein Leben Jesus ... Einige Zeit später rief ich neugierig in Bruchsal an ... Zwei Tage darauf war Michael tot in seiner Zelle aufgefunden worden – Herzinfarkt. Er hatte wohl an einem Herzfehler gelitten, der bisher nicht entdeckt worden war. Und nun war er gestorben – als Gotteskind.