Bibelstudium

Bibelstudium: Das Buch Ruth (2)

Das Buch Ruth ist ein kurzes Buch im Alten Testament, das uns die Geschichte einer mittellosen Moabiterin zeigt, die aufgrund besonderer Umstände in das Land Israel zieht und dort Boas kennenlernt, einen vermögenden Grundbesitzer und Landwirt Bethlehems.

 

Kapitel 1: Von Bethlehem nach Moab und zurück

Kapitel 1 ist eine Einleitung, um die eigentliche Handlung der folgenden Kapiteln besser zu verstehen. Gleichzeitig finden wir hier eine Reihe praktischer Belehrungen für unser Glaubensleben. In den Sprüchen lesen wir gleich zweimal: „Da ist ein Weg, der einem Menschen gerade erscheint, aber sein Ende sind Wege des Todes“ (Spr 14,12; 16,25). Das bewahrheitet sich in der Geschichte Elimelechs und Noomis. Zugleich ist wahr, was Paulus schreibt: „Wo aber die Sünde überströmend geworden ist, ist die Gnade noch überreichlicher geworden“ (Röm 5,20). Es gibt immer einen Weg zurück.

 

Elimelech und Noomi – eine folgenschwere Entscheidung (Verse 1-5)

Der erste Vers zeigt uns, in was für einer Zeit wir uns befinden. In der Zeit der Richter tat jeder das, was ihm gerade passte, und die Leute in Israel fragten wenig nach Gott. Eine Folge davon war, dass Hungersnot herrschte, und zwar ausgerechnet in Bethlehem. Der Name bedeutet „Brot-Haus“. Gott hatte versprochen, die Angehörigen seines Volkes reichlich zu versorgen, wenn sie auf Ihn hören würden. Gott hatte allerdings ebenso vorher angekündigt, dass sie hungern würden, wenn sie sich von Ihm abwenden würden (5. Mo 28,48). Genau das passierte jetzt.

Wir lernen, dass Gott uns nur dann segnen kann, wenn wir auf Ihn hören und nicht das tun, was uns gerade passt. Wenn wir unsere eigenen Wege gehen und uns wenig oder gar nicht um Gott kümmern, müssen wir uns nicht wundern, wenn es geistlich nicht richtig läuft und wir nicht wirklich weiterkommen.

Was tut Elimelech? Wir lesen nichts davon, dass er im Gebet mit Gott über das Problem der Hungersnot gesprochen hat. Er sieht die Not. Er sieht seine Frau und Kinder und er entscheidet, nach Moab umzusiedeln. Moab gehörte zu den Feinden Israels, auch wenn zu dieser Zeit gerade kein Krieg war. Es war ganz sicher nicht Gottes Weisung, dass Elimelech gerade dort hinzog. Es mochte menschlich nachvollziehbar sein, doch Gottes Plan war es nicht.

Wir lernen, dass wir in schwierigen Lebensphasen nicht nach menschlichen Überlegungen entscheiden, sondern besser Gott fragen sollten. Außerdem ist es nie richtig, das Volk Gottes zu verlassen und sich in der Welt (Moab) zu installieren. Das kann nicht gutgehen.

Es ging auch nicht gut. Elimelech ging nach Moab und blieb dort. Man achte auf die Wortwahl: Er zieht hin, um sich aufzuhalten (V. 1) – vielleicht nur für eine kurze Zeit. Dann kommen sie nach Moab und bleiben dort (V. 2). Und was passiert dann? Elimelech stirbt. Die Söhne Elimelechs heiraten moabitische Frauen und sterben dann ebenfalls. Nur Noomi bleibt – vermutlich reichlich enttäuscht – zurück.

Wir lernen: „Der Weg der Gottlosen ist dem Dunkel gleich; sie erkennen nicht, worüber sie straucheln“ (Spr 4,19). Gott hat seine Hand im Spiel. Wenn wir uns von Ihm abwenden und uns mit der Welt vermischen, wird Not und Elend die Folge sein. Jeder Mensch erntet, was er sät (Gal 6,7), und die Ernte ist meistens größer als die Saat.[MS1] 

 

Noomi, Ruth und Orpa – drei unterschiedliche Entscheidungen (Verse 6-14)

Vers 6 bringt die Wende. Zuerst trifft Noomi eine Entscheidung – und zwar in ihrer Situation die einzig richtige Entscheidung: Sie will nach Bethlehem zurückgehen. Sie hat gehört, dass es in Bethlehem wieder Brot gibt, und das motiviert sie, in die Heimat zurückzukehren. Es war vielleicht nicht das beste Motiv, doch immerhin kehrt sie zurück.

Wir lernen: Wenn wir einen falschen Weg gegangen sind, gibt es nur eins, nämlich umkehren. So hatte es Abraham gemacht, nachdem er den falschen Weg nach Ägypten genommen hatte (1. Mo 13,3), und so müssen wir es machen, wenn in unserem Leben etwas schiefgelaufen ist. Der Weg zurück ist nicht leicht, und es mag vermeintlich gute Gründe geben, ihn nicht zu gehen. Dennoch ist es die einzig richtige Entscheidung, wenn wir in die Irre gelaufen sind.

Ruth und Orpa, die beiden Schwiegertöchter Noomis, gehen mit ihr. Aus menschlichen Überlegungen heraus versucht Noomi, die beiden zurückzuhalten, mit ihr zu gehen. Jedenfalls werden beide vor eine Entscheidung gestellt. Wollen sie mit ihrer Schwiegermutter in ein für sie fremdes Land gehen oder in dem Land ihrer Eltern bleiben? Entscheiden sie sich für Israel und den Gott Israels oder für Moab und die Götter Moabs? Die Argumente, in Moab zu bleiben, scheinen auf der Hand zu liegen. Orpa entscheidet sich schließlich unter Tränen, in Moab zu bleiben. Ruth hingegen lässt sich nicht davon abhalten, mit Noomi zu gehen. Ihre Liebe zu Noomi ist größer als die Liebe zu ihrem eigenen Land und ihrer eigenen Familie. Vermutlich wurde sie auch durch Noomi von dem Gott Israels angezogen, wie ihre Worte dies später bestätigen. Obwohl menschlich gesprochen alles dagegen sprach, nach Kanaan zu gehen, tat sie es dennoch im Glauben an den Gott Israels.

Auch heute steht jeder Mensch vor der Wahl, sich für oder gegen Gott und den Herrn Jesus zu entscheiden. Während Gott heute jedem Menschen gebietet, Buße zu tun (Apg 17,30), machte Noomi damals allerdings das Gegenteil: Sie fordert ihre Schwiegertochter dazu auf, in das Land des Götzendienstes zurückzukehren. So oder so gab es keinen Mittelweg für Ruth und Orpa. Es gab nur ein „Ja“ oder ein „Nein“. Entweder gingen sie nach Israel, oder sie blieben in Moab. Wenn es um die wichtigste Entscheidung des Lebens geht, gibt es ebenfalls keine neutrale Position, keinen goldenen Mittelweg. Entweder entscheidet man sich für den Herrn Jesus, oder man entscheidet sich gegen Ihn und damit für diese Welt. Welche Entscheidung hast du getroffen? Auch wenn es um die Nachfolge hinter Ihm her geht, erwartet unser Herr eine Entscheidung von uns.

Der Herr Jesus stellte einmal einen jungen Mann auf die Probe, ob er wirklich bereit war, Ihm nachzufolgen. In Matthäus 19,22 lesen wir, dass dieser Mann – wenn auch traurig – wegging, aber er ging weg. Der Preis der Nachfolge schien ihm zu hoch. Er traf die schlechteste Entscheidung seines Lebens.

 

Ruths Glaubensbekenntnis (Verse 15-18)

Wie Orpa vergießt Ruth Tränen und ist emotional berührt. Aber bei ihr geht die Sache tiefer. Sie entscheidet nachhaltig, und sie entscheidet richtig. Sie lässt sich durch nichts und niemand abhalten. Weil sie nicht weiß, was auf sie zukommt, handelt sie im Glauben und legt dabei ein herrliches Zeugnis ab: „Wohin du gehst, will ich gehen, und wo du weilst, will ich weilen; dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott; wo du stirbst, will ich sterben, und dort will ich begraben werden“ (Rt 1,16.17). Ruths Bekenntnis enthält folgende Punkte:

  • Liebe zum Weg Noomis
  • Liebe zum Land Noomis
  • Liebe zum Volk Noomis
  • Liebe zum Gott Noomis
  • Hingabe bis zum Tod

Wir lernen für uns, dass eine Entscheidung für unseren Herrn ähnliche Elemente beinhalten wird:

  • Liebe zum Weg, den wir als Christen gehen. Es muss nicht immer ein einfacher Weg sein, es ist jedoch ein Weg, auf dem wir Erfahrungen mit dem Herrn Jesus machen und Ihn kennenlernen.
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  • Liebe zum Erbteil, das wir als Christen haben. Das Land spricht für uns vom geistlichen Erbe, das wir in dem Herrn Jesus haben. Das ist letztlich der ganze himmlische Segen, der uns gehört.
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  • Liebe zum Volk Gottes. Sich für den Herrn Jesus zu entscheiden bedeutet auch, den Weg zusammen mit anderen zu gehen. Wir rufen den Namen des Herrn nicht alleine an, sondern es sind andere da, die das ebenfalls tun (2. Tim 2.22).
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  • Liebe zu dem, der uns das alles gibt. So wichtig der Weg, das Erbe und das Volk Gottes sind, entscheidend ist, dass wir den lieben, in dem Rettung und Leben zu finden ist. In unserem Leben als Christ steht und fällt alles mit der Person unseres Herrn und Heilandes, dem wir gehören.
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  • Schließlich sucht der Herr die Hingabe unserer Herzen bis in den Tod. Natürlich warten wir nicht auf den Tod, sondern darauf, dass der Herr Jesus zurückkommt, um uns zu sich zu holen. Bis dahin gilt, dass das Leben für uns Christus ist (Phil 1,21).

 

Zurück in Bethlehem (Verse 19-22)

Es wird für Noomi nicht ganz einfach gewesen sein, den Weg bis nach Bethlehem zurückzugehen. Welche Gedanken mögen ihr durch den Kopf gegangen sein? Was werden die Leute denken, wenn ich plötzlich wieder auftauche? Welche Fragen werden sie mir stellen? Wo ist dein Mann, und wo sind deine Söhne? Und wer ist die fremde Frau, die bei dir ist? Welche Antworten soll ich geben? Noomi wusste, dass sie aufdecken musste. Außerdem wird ihr klar gewesen sein, dass das Leben als mittellose Witwe schwer sein würde, denn eine soziale Absicherung – wie wir sie kennen – gab es damals nicht.

Dennoch geht sie weiter und lässt sich nicht aufhalten. Sie handelt entschieden und nachhaltig.  Und dann kommt die Reaktion. Die ganze Stadt gerät in Bewegung. Damit hat Noomi wohl nicht gerechnet. Die Leute freuen sich, dass sie wieder da ist. In der Geschichte vom sogenannten „verlorenen Sohn“ (Lk 15) ist das ähnlich. Er mag ebenfalls mit sehr gemischten Gefühlen zu seinem Vater zurückgegangen sein und war dann überwältigt, wie der Vater ihn aufnahm.

Darin liegen zwei Lektionen für uns. Wir lernen erstens, dass wir die Reaktion bei einer Rückkehr unserem Herrn überlassen dürfen. Wir lernen zweitens, dass wir solche, die zum Herrn zurückkehren, mit Freude aufnehmen sollen. Vielleicht kennen wir solche, die lange eigene Wege gegangen sind und dann die Entscheidung zur Umkehr treffen. Wir wollen es ihnen nicht unnötig schwer machen, sondern sie mit Freude aufnehmen.

Noomi bleibt ein Bekenntnis allerdings nicht erspart. Sie steht zu dem, was passiert ist. Ihr Bekenntnis[1] enthält – wie Ruths Glaubensbekenntnis – einige wichtige Punkte. Sie sagt: „Nennt mich nicht Noomi, nennt mich Mara; denn der Allmächtige hat es mir sehr bitter gemacht. Voll bin ich gegangen, und leer hat mich der Herr zurückkehren lassen. Warum nennt ihr mich Noomi, da der Herr gegen mich gezeugt und der Allmächtige mir Übles getan hat?“ (Rt 1,20.21).

 

Wir lernen daraus Folgendes:

a)    Gott hat es mir bitter gemacht: Wir müssen akzeptieren, dass die Erziehung (Züchtigung) von Gott kommt und zunächst einmal kein Grund zur Freude ist (Heb 12,11).

b)    Voll bin ich gegangen: Wir sollen nicht um uns schlagen, sondern lieber in uns schlagen. Noomi beschuldigt nicht ihren verstorbenen Mann oder die damaligen Umstände (die Hungersnot), sondern sagt klipp und klar, dass sie selbst weggegangen ist. Ein aufrichtiges Bekenntnis, dass wir selbst (ich) eine falsche Entscheidung getroffen haben, ist unerlässlich.

c)    Der Herr hat mich zurückkehren lassen: Wenn es eine Rückbesinnung und eine Rückkehr gibt, ist das letztlich immer etwas, das Gott in uns schafft. Natürlich müssen wir auch wollen, wenn allerdings Gott nicht gnädig wirkt, wird es keine Rückkehr geben können. Deshalb gilt Ihm dafür immer die Ehre.

d)    Ich bin leer zurückgekommen: Wir müssen einsehen, dass eigene Wege immer zu innerer Leere führen. Wenn wir uns von Ihm wegwenden, wird es immer schiefgehen. Das war die Lektion des verlorenen Sohnes, der ebenfalls „voll“ (reich) wegging und „leer“ (arm) zurückkehrte. Allerdings lernte er erst dann den Reichtum seines Vaters richtig kennen.

 

Genau das erleben Noomi und Ruth jetzt in Bethlehem auch. Sie kommen leer zurück, doch sie kommen – und zwar zu Beginn der Gerstenernte. Diese Zeitangabe ist von Bedeutung. Die Gerstenernte ist die erste Ernte. Gott war bereit, die durch das Fehlverhalten Noomis entstandene Leere vollständig wieder zu füllen. Die ganze Ernte des Jahres lag vor Noomi und Ruth, und Gott wollte dafür sorgen, dass sie ihren Teil der Ernte bekamen.

Unser Herr ist reich für alle. Es bleibt wahr, dass es geistliche Leere gibt, wenn wir eigene Wege gehen und uns von unserem Herrn abwenden. Es bleibt ebenso wahr, dass es geistlichen Segen gibt, wenn wir zurückkommen und bei Ihm bleiben. Noomi gleicht einem Gläubigen, der den Weg zurück findet. Ruth gleicht einem jung Bekehrten, der nun zum ersten Mal erlebt, dass es auf dem Feld des Boas (ein Bild des Herrn Jesus) reichen Segen gibt. Davon spricht dann Kapitel 2. 



[1] Bibelausleger haben zu der Frage, ob Noomi hier wirklich ein Bekenntnis ablegt oder nicht, unterschiedliche Gedanken geäußert. Einige sehen in ihren Worten eher eine Anklage gegen Gott, andere dagegen erkennen darin einen ersten Schritt in der Umkehr Noomis.