Bibelstudium
Lektionen aus dem Buch Esra (4)
Das Buch Esra ist für Christen heutzutage eine große Hilfe. Es berichtet, wie damals ein Teil des Volkes Gottes nach Jerusalem zurückkehrte. Viele der Ereignisse sind lehrreiche Illustrationen für das Volk Gottes heute. Im Folgenden geht es um die Kapitel 7-10.
Der zweite Teil des Buches Esra, also die Kapitel 7 bis 10, behandelt Esras Dienst. Um die Bedeutung seiner Reise nach Jerusalem richtig einzuschätzen zu können, müssen wir bedenken, dass seit der ersten Rückkehr aus Babylon unter Serubbabel 80 Jahre (Kap. 1 und 2) und seit der Fertigstellung des Tempels 60 Jahre vergangen waren (Kap. 6). Wir befinden uns jetzt in der Zeit der Regierung des Königs Artasasta I. (in der Geschichte bekannt unter dem Namen Artaxerxes I, Langhand), der von 465 bis 424 v. Chr. König von Persien war.
Du fragst dich vielleicht, was in der Zwischenzeit in Jerusalem geschehen ist und wie es den Familien ging, die den Tempel wiederaufgebaut hatten. Leider muss man sagen, dass nicht alle Entwicklungen in eine gute Richtung gingen. Vieles entsprach nicht mehr dem Willen und dem Wort Gottes.
Esra – eine Hilfe für Gottes Volk (Esra 7)
Genau in dieser Situation beginnt der Dienst Esras. Er wurde von Gott als passendes Werkzeug vorbereitet, um denen, die in Jerusalem lebten, eine sehr notwendige Hilfe zu sein. Das Zeugnis der Schrift über ihn ist sehr gut:
- Er war ein Priester und konnte dies auch mit seinem Geschlechtsregister beweisen (V. 1-6).
- Er war ein kundiger Schriftgelehrter (V. 6).
- Er hatte sein Herz darauf ausgerichtet, das Gesetz des Herrn zu erforschen, dann zu tun und schließlich auch zu lehren (V. 10).
Es war ein großer Beweis der Gnade Gottes für die Juden in Jerusalem, dass Er ihnen solch einen Mann sandte, obwohl sie sich in den Jahren zwischen der Sendung Serubbabels und Esras in manche bösen Dinge verstrickt hatten.
Und Esra folgt dem Ruf Gottes. Dieses Mal sind es nur 1.500 Männer mit ihren Familien, die mit ihm nach Jerusalem gehen. Kein Vergleich zu den 43.000 der ersten Rückkehr (Kap. 2). Aber es war Gottes Werk und seine gute Hand war über Esra (Esra 7,6.9.28; 8,18.22.31). Das war das Geheimnis seines Erfolgs.
Die gute Hand Gottes
Der Rest des Kapitels enthält eine Abschrift des Briefes des Königs, der Esras Auftrag autorisierte (V. 11-26) und Esras Reaktion darauf in Lob und Anbetung (V. 27.28). Wir können aus der Reaktion Esras herauslesen, warum er von diesem Brief so überwältigt wurde. In dem Brief des Königs versicherte dieser:
- die Erlaubnis, dass jeder Jude, der Esra begleiten wollte, es tun durfte (V. 13);
- die Finanzierung der Opfertiere, der Geräte und anderer Erfordernisse für den Tempel (V. 17-23);
- die Befreiung von Steuern, Zoll und Wegegeld (V. 24) und
- eine Vollmacht, um Richter und Rechtspfleger einzusetzen und Strafgelder einzufordern, damit niemand Esra an seinem Auftrag hindern konnte.
Das war viel mehr als das, was Esra sich vielleicht erdacht oder erbeten hatte (vgl. Eph 3,20). Aber so ergeht es dem, der weiß, dass „die gute Hand Gottes" über ihm ist (V. 28).
Reisevorbereitungen (Esra 8)
Die Männer, die in den ersten 14 Versen von Kapitel 8 aufgelistet sind, begleiteten Esra mit ihren Familien. Es wäre für sie viel einfacher gewesen, in Mesopotamien zu bleiben, wo sie aufgewachsen waren. Aber sie kehren an den Ort zurück, den Gott im Land Kanaan erwählt hatte (5. Mo 12). Und Gott war mit ihnen.
Es scheint auf den ersten Blick vielleicht seltsam, dass Esra die Reisenden am Fluss Ahawa anhalten lässt (V. 15). Bevor sie nach Jerusalem zogen, mussten jedoch wichtige Vorbereitungen getroffen werden.
Es fehlen Leviten
Zum einen mangelte es an Leviten. Daher sandte Esra elf Männer zurück, um Leviten zu finden, die mitziehen würden. Es ließen sich nur 38 Leviten und 220 Diener (Nethinim) motivieren, aber wenigstens diese kleine Zahl begleitete Esra und seine Mitreisenden. Es gibt anscheinend einen chronischen Mangel an „Leviten“, an Leuten, die sich um das Haus und um das Volk Gottes kümmern (4. Mo 3,8). Möge der Ruf heute viele erreichen!
Außerdem ließ Esra ein Fasten ausrufen, um sich vor Gott zu demütigen und um den richtigen Weg von Ihm zu erbitten (V. 21). Anstatt sich auf eine bewaffnete Eskorte des Königs zu verlassen, vertraute Esra Gott und machte sich ganz von Ihm abhängig.
Wir finden in Esra keinen Schriftgelehrten, der alles bereits wusste und jetzt nach Jerusalem zog, um sich die Bewohner dort vorzuknöpfen. Er hatte eine ganz andere Gesinnung. Die Zeit des Gebets am Fluss Ahawa war daher gut investiert (V. 23).
Eine treue Verwaltung
Bevor sie loszogen, sonderte sich Esra noch zwölf von den Obersten der Priester aus, um ihnen das Silber, das Gold und die Geräte des Hauses Gottes anzuvertrauen. Er gab ihnen Anweisung, sich um diese Wertgegenstände zu kümmern. Die Priester befolgten treu, was Esra ihnen gesagt hatte. Alles wurde abgewogen und gezählt. Und als sie diesen Schatz bei den Priestern in Jerusalem abgaben, war alles vorhanden und nichts verloren gegangen. So sollte es auch bei uns sein, wenn Gott uns etwas anvertraut, seien es materielle Dinge oder geistliche Dinge (1. Tim 6,20; 2. Tim 1,14).
Der Herr bewahrte sie auf der Reise vor Feinden und Räubern (V. 31). In Jerusalem angekommen, bringen sie ein Opfer. Es ist wieder auffällig (wie in Kapitel 6), dass sie „zwölf Stiere für ganz Israel“ opfern. Es war nur eine Minderheit aus zwei Stämmen. Aber sie waren am richtigen Ort. Ihnen war bewusst, dass sie nicht das ganze Volk, sondern nur ein Teil davon waren. Im Brandopfer und auch im Sündopfer, das aus zwölf Böcken bestand, dachten sie jedoch an das ganze Volk Gottes, die zwölf Stämme. So gaben sie die Überzeugung nicht auf, dass Gott ein Volk hatte, bestehend aus allen zwölf Stämmen.
Eine traurige Mitteilung (Esra 9)
Wie muss Esra sich gefühlt haben, als ihn direkt danach eine Nachricht erreichte, die ihn sehr traurig machte! Er war ein „kundiger Schriftgelehrter“, der sich im Gesetz auskannte und bereit war, das Volk darin zu lehren. Aber das erste, was er jetzt hört, ist die Tatsache, dass dieses Gesetz auf eine krasse Weise missachtet worden war. Und das nicht nur von einigen wenigen, sondern genauso von angesehenen und hochgestellten Leuten wie von dem Volk. Sie hatten Frauen von den Kanaanitern geheiratet, was eine klare Übertretung von Gottes Geboten war (5. Mo 7, 1-6).
Esra ist erschüttert. Er zerreißt sein Gewand und sein Oberkleid, rauft sich die Haare und setzt sich „betäubt“ hin. Erst um die Zeit des Abend-Speisopfers hat er den Mut, sich an Gott zu wenden. Das Opfer erinnert uns an den Wert des Opfers Christi und daran, dass Gott sein Volk in Christus sieht – denn von Ihm redet dieses Opfer.
Esras Bekenntnis
Esra wendet sich aber nicht an Gott, um andere zu beschuldigen, sondern um die Sünden des Volkes zu bekennen. In diesem Bekenntnis heißt es immer: „Wir“ haben etwas falsch gemacht, nicht jedoch, „sie“ haben gesündigt.
Wenn man Esras Gebet liest, bekommt man den Eindruck, dass das, was ihn am meisten bedrückte, war, dass gerade die Menschen so gesündigt hatten, die Gottes Gnade auf besondere Weise erlebt hatten. Gott hatte sie zurück nach Jerusalem geführt, ihnen geholfen und ihnen den Tempel, den Altar und die Opfer zurückgegeben. Aber trotz dieser großen Gnade und Barmherzigkeit machten sie sich auf diese Weise gegen Gott schuldig (V. 8-11).
Vermischung mit der Welt
Gottes Werk kann nicht von Menschen getan werden, die sich mit der Welt vermischen. Die Versammlung Gottes, die wir im Neuen Testament finden, wurde „herausgerufen“ (das ist die wörtliche Bedeutung des griechischen Wortes für Versammlung; ‚ekklesia‘). Als die Kirche dann anfing, den Schutz der Welt zu suchen (unter Konstantin dem Großen), war es der Beginn einer verderblichen „Ehe“ (‚Pergamos‘, Off 2,12). Bis heute freut sich der Herr über solche, die Ihn an die erste Stelle setzen, die sein Wort bewahren und seinen Namen nicht verleugnen (Off 3,8). Er möchte keine Vermischung von Dingen, die nichts gemeinsam haben (2. Kor 6,14-18), sei es in der Ehe oder in anderen Bereichen.
Es gab sicher manche scheinbar guten Argumente für die Verbindung mit den Nachbarvölkern: Es gab nicht genug jüdische Frauen; es ging doch um friedliche Beziehungen zu den Kanaanitern, usw. Aber Gott hatte es verboten und es wäre richtig gewesen, wenn sie Ihm gehorcht hätten.
Hoffnung trotz Versagen (Esra 10)
Es ist schön zu sehen, dass Esra sich der Herausforderung stellt. Er tut es in einer guten und demütigen Haltung. Seine Demütigung war der Beginn der Wiederherstellung des Volkes. Zuerst hatte er allein gebetet, dann kamen Leute dazu, die wie er vor den Worten Gottes zitterten (Esra 9,4). Am Anfang des zehnten Kapitels lesen wir, dass sich eine sehr große Versammlung zu ihm versammelte.
Wenn man sein Versagen bekennt, gibt es Hoffnung. Schekanja hat es gut erkannt: „Wir haben treulos gehandelt gegen unseren Gott [...]; nun aber ist noch Hoffnung für Israel.“ Ich glaube nicht, dass dieser Mann das, was geschehen war, auf die leichte Schulter nahm. Sein Vater selbst war sogar unter den „Problemfällen“ (V. 26). Schekanja schlägt vor, es nicht bei Bekenntnis und Gebet zu belassen, sondern nun auch zu handeln (V. 3). Was für eine Ermutigung für Esra (V. 4)!
Konsequentes Handeln …
Esra fordert einen aufrichtigen Schwur, dem Gebot Gottes Folge zu leisten (V. 5). Ein Ruf ergeht durch Juda und Jerusalem. Innerhalb von drei Tagen waren alle Männer von Juda und Benjamin in Jerusalem versammelt (V. 9). Sie zittern „um der Sache willen“ und auch wegen des schlechten Wetters (es war mitten in der Regenzeit). Vielleicht haben die Regengüsse sie an das Gericht Gottes erinnert. Jedenfalls trug es mit dazu bei, dass sie sich unwohl fühlten.
Die strengen Worte Esras, dass sie treulos gehandelt hatten und ein Bekenntnis ablegen sollten, waren angebracht. Er selbst hatte sich gedemütigt und wollte jetzt die Gewissen aller erreichen. Sie mussten die Sache in Ordnung bringen, mit der sie Gott verunehrt hatten. Gott wirkte an ihren Gewissen und sie stimmten Esras Worten zu (V. 10-12).
Oft ist man prinzipiell einverstanden, dass Sachen richtig gestellt werden müssen. Aber wenn es ernst wird, werden allerlei Bedenken angemeldet: die Behandlung sei sehr kompliziert, manche könnten verletzt werden, usw. Man sieht ein, dass an sich eine Umkehr notwendig ist, setzt diese Einsicht aber nicht um. Manchmal gibt es sogar Stimmen, die sich gegen eine Umkehr aussprechen. So auch hier (V. 15).
… und Sorgfalt sind gefragt
Tatsächlich war das, was Esra tun musste, kompliziert und umfangreich. Es konnte nicht an einem Tag geregelt werden. Allein die Untersuchung dauerte damals schon drei Monate lang (V. 16.17). Die Angelegenheit war komplex. Aber daraus ergab sich einfach, dass es lange dauerte, bis das Problem gelöst und die Reinigung vollzogen war. Aber das Problem konnte sicherlich nicht dadurch gelöst werden, dass man die Sache gar nicht erst ansprach.
Und wer würde behaupten, dass die Konsequenzen niemandem weh tun würden? Über 100 Männer hatten in dieser Sache übertreten und manche kanaanitischen Frauen hatten auch noch Kinder geboren (V. 44). Jetzt sollten sich die jüdischen Männer von ihnen trennen[1]. Das musste weh tun. Aber es war besser, Gott zu gehorchen und die Konsequenzen zu tragen, als so weiter zu machen und Gott dauerhaft zu verunehren.
Ende gut?
Vielleicht denkst du: „Wie schade, dass ein Buch über so eine wunderbare Erweckung so traurig endet!“ Denn Esra schließt dieses Buch mit einer Liste von Übertretern (ab V. 18-44). Vergessen wir nicht, dass es um etwas ging, was in der Konsequenz Familien zerteilte. Es war wirklich tragisch, dass es unter dem Überrest so großes Versagen gab, und das unter der Minderheit, die zu dem Ort zurückgekehrt war, den Gott erwählt hatte!
Aber wir dürfen nicht übersehen, dass diese Liste auch die Namen von denen enthält, die „einen Widder vom Kleinvieh für ihre Schuld entrichten wollten“ und ihre Hand darauf gaben, wieder in Ordnung zu bringen, was sie falsch gemacht hatten (V. 19). Mit anderen Worten, das Buch Esra endet mit einer Liste von Menschen, die wiederhergestellt worden sind!
Denken wir an die Worte in Jakobus: „Meine Brüder, wenn jemand unter euch von der Wahrheit abirrt, und es führt ihn jemand zurück, so wisse er, dass der, der einen Sünder von der Verirrung seines Weges zurückführt, eine Seele vom Tod erretten und eine Menge von Sünden bedecken wird“ (Jak 5,19.20).
Die Mission von Esra war ein voller Erfolg! Es wäre für ihn (und die, die mit ihm kamen) so viel einfacher gewesen, sich in Babylon niederzulassen. Aber er ging nach Kanaan. Und Gott benutzte ihn zur Wiederherstellung vieler Israeliten.
[1] Bei der Übertragung auf Christen müssen wir hier ein wenig vorsichtig sein. Das Neue Testament zeigt einerseits, dass ein Gläubiger niemals einen Ungläubigen heiraten soll (1. Kor. 7,39; vgl. 2. Kor. 6,15). Andererseits macht es klar, dass der Gläubige sich nicht scheiden lassen soll (1. Kor 7,10.12-14). Aber aus Esra 10 können wir doch lernen, dass wir Dinge in unserem Leben, die Gott nicht gefallen, in Gehorsam seinem Wort gegenüber ändern müssen.
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