Themenheft

Der Wert der Absonderung – Heiligkeit in der Versammlung

Absonderung mag ein Begriff sein, der unter Christen heute nicht mehr allzu häufig verwendet wird. Das könnte damit zusammenhängen, dass man das ablehnt, was hinter „Absonderung“ steht. Dabei ist es dem Gläubigen ein Anliegen, sich vom Bösen wegzuwenden und zu Gott hinzuwenden. Nur so kann er Gemeinschaft mit Gott und mit dem Herrn Jesus genießen. Das gilt auch für die Versammlung insgesamt.

 

Einheit – Absonderung vom Bösen – Haltung der Gnade

Im Neuen Testament finden wir drei Grundsätze, die wir beachten müssen, wenn wir Gottes Gedanken über seine Versammlung verwirklichen wollen.

  1. Einheit: Gott hat den „einen Leib“ geschaffen, die Versammlung. Daher sollen die Erlösten die Einheit des Geistes bewahren (Eph 4,3 – siehe auch der Artikel in diesem Heft über die Einheit).
  2. Absonderung vom Bösen: Solange die Versammlung hier auf dieser Erde ist, hat sie mit Bösem zu tun. Davon soll sie sich fernhalten und trennen (1. Kor 5,13).
  3. Praktisches Ausleben von Gnade und Liebe: Solange die Versammlung hier auf dieser Erde ist, besteht sie zwar aus Personen, die der Stellung nach vollkommen sind. Aber alle diese Erlösten haben noch das Fleisch an sich. Dadurch versagen sie in ihrem Glaubensleben, was immer wieder Spannungen und Konflikte zwischen Gläubigen entstehen lässt. Daher ist die Bereitschaft, einander zu vergeben (Eph 4,32) und sich gegenseitig zu tragen und zu ertragen (Eph 4,2), unabdingbar.

 

Trennung vom Bösen im persönlichen Leben

Alle drei Grundsätze sind nötig, wenn wir Gottes Gedanken über seine Versammlung verwirklichen wollen. In diesem Artikel geht es um den zweiten Punkt: die Notwendigkeit, sich von Bösem zu trennen. Diese Verpflichtung der Versammlung finden wir im Neuen Testament deutlich verankert. 

Es gilt zu bedenken, dass die Trennung von Bösem durch die Versammlung voraussetzt, dass der einzelne Gläubige das Böse meidet. Mit anderen Worten: Zunächst bin ich persönlich in meinem eigenen Leben gefordert. Denn wenn die örtliche Versammlung das Böse verurteilt, ich aber in meinem persönlichen Leben Böses zulasse, führt das letztlich zu Heuchelei. Gott gefällt aber auch nicht, wenn ich persönlich das Böse meide, in der Versammlung dagegen Gemeinschaft mit Sünde praktiziere. Das wiederum heißt nicht, dass ein Gläubiger seine Nachlässigkeit im Handeln mit dem Bösen damit begründen kann, dass im gemeinschaftlichen Bereich ja auch keine Versammlungszucht dem Bösen gegenüber angewendet wird (und umgekehrt). Nein, Gott fordert im persönlichen und im gemeinschaftlichen Glaubensleben Konsequenz.

Es gibt viele Hinweise im Neuen Testament dafür, dass wir uns persönlich von dem Bösen fernhalten sollen. Zwei Beispiele nenne ich hier:

  • „Von jeder Art des Bösen haltet euch fern“ (1. Thes 5,22).
  • „Jeder, der den Namen des Herrn nennt, stehe ab von der Ungerechtigkeit“ (2. Tim 2,19).

Die Aufforderung, das Böse zu meiden und von allem abzustehen, was nicht mit Gottes Wort in Übereinstimmung ist, gilt im persönlichen Glaubensleben uneingeschränkt und umfassend. Gott möchte nicht, dass wir in irgendeinem Teil unseres Lebens Böses in Gedanken, Worten, Taten oder Motiven zulassen. Entschiedene Konsequenz ist nötig.

 

Trennung vom Bösen im gemeinschaftlichen Bereich

Wie sieht es nun in der Versammlung aus? Gott fordert die Versammlung durch den Apostel Paulus auf, den alten Sauerteig auszufegen, „damit ihr ein neuer Teig seiet, wie ihr ungesäuert seid“ (1. Kor 5,7). Was war in Korinth vorgefallen? Dort hatte ein Gläubiger intimen Verkehr mit seiner Stiefmutter. Und wie reagierte die Versammlung in Korinth darauf? Gar nicht! Weder lesen wir, dass sie das Böse brandmarkte, noch lesen wir, dass sie traurig war, dass so etwas Böses, was Gott verunehrte, in ihrer Mitte vorgekommen war.

Um die Korinther auf den richtigen Weg und zur richtigen Gesinnung zu führen, benutzt Paulus hier das Bild des Sauerteigs, das schon im Alten Testament bekannt war. Sauerteig hat die Eigenschaft, einen ganzen Teig nach und nach zu durchsäuern. Damit vergleicht Paulus die Sünde in Korinth. Der eine hatte sie getan, aber sie war in der Versammlung in Korinth vorgekommen und wurde von ihr geduldet. Paulus erkannte zudem, dass dieser Mann, der mit seiner Stiefmutter Hurerei getrieben hatte, nicht nur eine Tatsünde begangen hatte, sondern dass diese Sünde bei ihm einen bösen Zustand offenbarte.

Aber nicht nur das. Weil die örtliche Versammlung diese Sünde nicht verurteilte und darüber traurig war, wurde die ganze Versammlung durch diese Sünde moralisch, geistlich verunreinigt. Das mögen die Gläubigen in Korinth noch nicht so gesehen haben, aber Gott beurteilte die Sache so. Und wenn Er sie so sieht, dann ist das auch so. Gott sieht seine Versammlung als unrein an, wenn sie Böses duldet.

Deshalb fordert Gott uns auf, das Böse aus der Versammlung hinauszutun. Das ist die konkrete Bedeutung, wenn Paulus die Korinther auffordert, den Sauerteig auszufegen. Wir sollen erkennen, worin das Böse besteht, es als Versammlung bekennen (das heißt, die Gläubigen, die diese örtliche Versammlung bilden, bekennen es im gemeinschaftlichen Gebet) und verurteilen es. Hinzu kommt, dass derjenige, der durch diese Sünde geprägt ist, aus der Gemeinschaft der örtlichen Versammlung und damit auch vom Brotbrechen ausgeschlossen werden muss. „Tut den Bösen von euch selbst hinaus“ (1. Kor 5,13). 

 

Nicht jede Sünde muss von der örtlichen Versammlung behandelt werden!

Diese Hinweise machen deutlich, dass sicherlich nicht jede einzelne Sünde im Leben eines Gläubigen zum Ausschluss führt. Wir sollen uns persönlich von jeder Sünde fernhalten. Wenn wir aber wegen jeder Sünde, die jemand begeht, denjenigen aus der Gemeinschaft der Gläubigen ausschließen müssten, wäre es unmöglich, weiter als Versammlung zusammenzukommen. Denn wir alle straucheln oft (Jak 3,2) und versagen immer wieder. Wir müssten uns somit von jedem trennen – es gäbe kein Zusammenkommen als Versammlung mehr. Nein, das kann nicht gemeint sein, wenn es darum geht, den Sauerteig auszufegen.

Der Apostel Paulus spricht in 1. Korinther 5 von Sünde in dem Sinn, dass sie den Zustand einer als gläubig bekannten Person kennzeichnet. Paulus nennt ihn einen „Bösen“, weil er sich in einem sündigen Zustand befindet. Das ist dann der Fall, wenn jemand Sünden begeht, die eine gewisse Öffentlichkeitswirksamkeit haben bzw. in Verbindung mit anderen Menschen wiederholt geschehen. Dadurch kommt man in einen sündigen Zustand, der über einen Fehltritt hinausgeht. So jemand wird von anderen als ein Hurer, ein Trunkenbold, als ein Habsüchtiger erkannt. Bestimmte Sünden, die in ihren Auswirkungen eine besondere Tragweite haben, offenbaren einen bösen Zustand, selbst wenn es bei einer einmaligen Tat bleibt. Dazu gehören Mord und Hurerei. Man muss beispielsweise nicht mehrere Morde begangen haben, um zu einem Mörder zu werden.

Wenn es zu einem solchen sündigen Zustand gekommen ist, muss die Versammlung „handeln“. Gott erwartet von ihr, dass sie einen solchen als „Bösen“ erkennt und ihn aus der Gemeinschaft der Gläubigen ausschließt. Wenn sie das auch nach entsprechenden Hinweisen nicht tut, ist sie verunreinigt und kann keine Gemeinschaft mit Gott und mit dem Herrn Jesus verwirklichen. Wenn sie auf diesem Weg der Unreinheit bleibt, sind die Gläubigen nicht mehr im Namen des Herrn versammelt (Mt 18,20).

Um etwas konkreter zu fassen, was eine örtliche Versammlung im Blick auf das Böse tun muss, seien drei Beispiele angeführt:

  • Aus finanziellen bzw. steuerlichen Gründen ist es für alte Menschen, die verwitwet sind, heute ökonomisch ein großer Nachteil, wieder zu heiraten. Daher leben Witwen und Witwer, die eine neue Beziehung eingehen, öfter in einer häuslichen Gemeinschaft, ohne zu heiraten. Gott nennt dieses Zusammenleben Hurerei. Daher kann eine örtliche Versammlung nicht dulden, dass solche Paare unverheiratet zusammenleben. Sie muss diese ausschließen. 
  • Junge Menschen wollen sich häufig nicht zu früh binden. Sie möchten zunächst „austesten“, ob sie wirklich zusammenpassen. So leben sie ohne Trauschein zusammen. Wenn eine örtliche Versammlung das duldet, ist sie verunreinigt.
  • Jemand bringt die Lehre, dass es zwar gut ist, sich zu bekehren und Jesus als Retter anzunehmen. Am Ende aber kämen alle Menschen in den Himmel, da Gott ja Liebe sei. Gott ist Liebe, aber Er ist auch Licht. Er hat deutlich gemacht, dass jeder, der Jesus nicht als Retter annimmt, verloren geht (Joh 3,18). Wer nun die Allversöhnungslehre verkündigt, ist ein Irrlehrer und muss aus der Gemeinschaft der Gläubigen ausgeschlossen werden, wenn er nicht umkehrt und über diese falsche Verkündigung Buße tut.

In allen drei Fällen ist die örtliche Versammlung gefordert, die betreffende(n) Person(en) nach 1. Korinther 5,13 auszuschließen. Wenn es gut um sie steht, wird sie den Bösen hinaustun. Sie versteht, dass die Versammlung der Heiligkeit Gottes genauso entsprechen muss wie der Liebe Gottes. Und seine Heiligkeit ist unvereinbar damit, Böses und Böse inmitten der Versammlung zuzulassen.

 

Der notwendige Schritt des Einzelnen

Was aber ist zu tun, wenn eine örtliche Versammlung trotz geduldiger Ermahnungen mehrerer Gläubiger nicht bereit ist, jemand aus der Gemeinschaft der Gläubigen auszuschließen, der durch böse Lehre, böse Lebenspraxis oder die bewusste Gemeinschaft mit einem solchen Bösen geprägt ist? Wenn sie auch auf geduldige Hinweise hin bei ihrem Standpunkt bleibt, hört sie auf, als örtliche Versammlung im neutestamentlichen Sinn zusammenzukommen – sie ist nach 1. Korinther 5,6-8 mit Sauerteig durchsäuert und in Gottes Augen verunreinigt. Denn wie könnte sich Gott bei „seiner“ Versammlung (Apg 20,28) mit Bösem einsmachen, das im Gegensatz zu seiner eigenen Natur steht und weswegen Er Menschen und diese Welt richten muss? Das ist undenkbar.

Was kann der Einzelne dann tun, der sich trotzdem vom Bösen trennen und zum Herrn hin versammeln möchte? 2. Timotheus 2,20.21 weist hier den biblischen Weg: Wenn die örtliche Versammlung auch auf viele Hinweise hin nicht bereit ist, sich vom Bösen zu trennen, muss sich der Gläubige, der das Böse in Lehre und Praxis als böse erkennt, von diesen Gläubigen trennen.

Paulus nennt Christen, die durch lehrmäßig oder moralisch Böses geprägt sind, „Gefäße zur Unehre“ des Hausherrn (V. 20). Er ermahnt die Gläubigen, sich von diesen Gefäßen zu trennen, um dann ein Gefäß zur Ehre zu sein (V. 21). So schmerzlich das oft auch ist – nur durch die Trennung vom Bösen und solchen, die sich nicht vom Bösen trennen, kann man ein brauchbares Gefäß sein, das „zu jedem guten Werk bereitet“ ist.

Man muss somit ganz persönlich die Konsequenz ziehen. Das bedeutet natürlich nicht, dass nicht mehrere Gläubige zugleich zu demselben Urteil kommen könnten. Es ist sogar unbedingt anzuraten, mit anderen geistlichen Gläubigen über diesen Schritt zu sprechen, um nicht aus einer verengten Sicht zu einer falschen Entscheidung zu kommen. Aber es bleibt eine persönliche Entscheidung.

Man wird allerdings sicher nicht allein und isoliert bleiben. Das ist nie der Gedanke Gottes. Deshalb fügt Paulus hinzu: „Strebe aber nach Gerechtigkeit, Glauben, Liebe, Frieden mit denen, die den Herrn anrufen aus reinem Herzen“ (V. 22). Gott wird uns andere Gläubige zeigen, die dem Herrn ebenfalls dienen und gehorsam sein wollen. Man wird sich zusammen mit diesen versammeln.

 

Kollektive Verantwortung

Die örtliche Versammlung steht nach 1. Korinther 10 gemeinschaftlich in der Verantwortung, das Böse aus ihrer Mitte fernzuhalten. Demnach sind wir auch kollektiv dafür verantwortlich, mit wem wir Gemeinschaft pflegen.

Wenn man nun beobachtet, dass sich eine Versammlung in Lehre und Praxis von der biblischen Wahrheit entfernt hat und man trotz geduldiger Bemühungen die betreffenden Gläubigen nicht zurückgewinnen kann, wird man andere Versammlungen darüber in Kenntnis setzen. Denn die Einheit des Geistes (Eph 4,1–3) wird nur dann bewahrt, wenn man sich (gemeinsam) von dem distanziert, was den Zielen und Absichten des Heiligen Geistes widerspricht.

Gott sei Dank – es ist zu jeder Zeit und damit auch heute noch möglich, persönlich und gemeinschaftlich nach den Gedanken Gottes zu leben: getrennt vom Bösen, Gott zugewandt. So bleibt man ein Gefäß zur Ehre des Herrn und kann weiter praktische Gemeinschaft mit Ihm und mit Gläubigen pflegen, die Ihn ehren wollen.