Lebensbeschreibung

Luther (8): Luthers „Kollegen“

 

Der Reformator Martin Luther steht im Jubiläumsjahr sicher zu recht besonders im Blickfeld, da sein Einfluss zu seiner Zeit außergewöhnlich war und bis heute zu spüren ist. Trotzdem war Luther nicht allein, sondern es gab eine Reihe von Mitarbeitern, deren Wirken an dieser Stelle nicht übersehen werden soll. Wir beschränken uns dabei auf zwei besonders einflussreiche Männer.

Philipp Melanchthon

Der erste, den man hier erwähnen muss, ist sicher Philipp Melanchthon. Er war der große Theoretiker der Reformation und hatte einen nicht zu unterschätzenden Einfluss als Bildungspolitiker. Er hatte auch großen Anteil an der sprachlichen Ausformulierung mancher Gedanken der Reformatoren. Er bildete mit dem Freund und Mitstreiter Martin Luther, der vierzehn Jahre älter war, sozusagen die Doppelspitze der Reformation. Vielleicht ergänzten sie sich so gut, weil sie unterschiedlicher nicht sein konnten. Luther war der Mann mit Mut und Charisma, groß von Gestalt und er konnte mitunter auch schon mal ziemlich poltern. Melanchthon hingegen war nur 150 cm groß, zurückhaltend, dennoch sehr sprachgewandt und mit großem Wissensstand. So war es seine Beteiligung, die Luther half, bei der Bibelübersetzung den Text genau wiederzugeben. Martin Luther beschreibt das Verhältnis der beiden im Vorwort zu Melanchthons Kommentar zum Kolosserbrief wie folgt: „Ich muss die Klötze und Stämme ausrotten, Dornen und Hecken weghauen und bin der grobe Waldrechter, der die Bahn brechen und zurichten muss. Aber Meister Philippus fahret säuberlich und stille daher, bauet und pflanzet, säet und begeußt mit Lust, nachdem Gott ihm gegeben seine Gaben reichlich.“[1]

Philipp Melanchthon hieß eigentlich Philipp Schwarzerdt und wurde 1497 als Sohn eines Waffenschmieds geboren. Seine besondere Sprachbegabung fiel schon in jungen Jahren auf. Bereits als Kind unterhielt er sich mit durchreisenden Studenten auf Latein. Später lernte er auch Griechisch und brachte es auch hier zu hervorragenden Leistungen. Daraufhin verlieh man ihm als Ehrung den Namen Melanchthon (eine ins Griechische gebrachte Form des Namens Schwarzerdt). Im Jahr 1518 wurde er im Alter von 21 Jahren an den Lehrstuhl für Griechisch an der Universität Wittenberg berufen. Melanchthon verfasste Lehrbücher über verschiedene Disziplinen und überarbeitete mehrfach sein Werk über zentrale Begriffe der Reformation.

An der Universität kam es zu ersten Begegnungen mit Martin Luther. Wie damals üblich, war Melanchthon neben seinem Lehrauftrag weiter Student. So wurde er zum Schüler Luthers. Hieraus erwuchs eine lebenslange Freundschaft. An Sprachkenntnissen übertraf Melanchthon Luther bei weitem – und dieser erkannte das neidlos an, was wiederum eine anziehende Seite in Luthers Charakter zeigt. Für Melanchthon war Wissenschaft immer an den Glauben gebunden. Christlicher Glaube und Erkennen gehörten für ihn zusammen. Beide Reformatoren setzten sich für die allgemeine Schulpflicht ein. In diesem Sinne war die Reformation auch eine Bildungsbewegung. Denn was nützte eine Bibelübersetzung in deutscher Sprache, wenn viele Menschen gar nicht lesen konnten. Schon zu seinen Lebzeiten erhielt Melanchthon den Ehrentitel, mit dem er in die Geschichte eingehen sollte: Praeceptor Germaniae (Lehrmeister Deutschlands).

Doch Melanchthon war nicht nur der Lehrer Deutschlands, sondern eben auch der Mitstreiter Martin Luthers.  So gehörte er zur Begleitung Luthers bei der Auseinandersetzung mit dem Gesandten des Papstes Johannes Eck. Er war dabei kein wortloser Zuschauer, sondern schob Luther immer wieder kleine Zettel hin und versorgte ihn mit Argumenten gegen die Lehre der Papstkirche. Neben der Mitarbeit an der Bibelübersetzung, verfasste er auch die „Confessio Augustana“, die zentrale Bekenntnisschrift der Reformatoren, die er dann auch auf dem Reichstag in Augsburg vortrug. Er war ein fleißiger Schreiber. Seine Werke füllen 28 Bände, darunter sind 9 000 Briefe erhalten, die er morgens schrieb, bevor er zur Universität ging.

Um den Gelehrten an der Universität Wittenberg zu halten, ließ ihm der Landesherr ein standesgemäßes Haus bauen. Martin Luther hatte für seinen Freund eine Frau ausgesucht: Am 27. November 1520 heiratete er die Tochter des Bürgermeisters von Wittenberg – jedoch ohne große Begeisterung. Philipp befürchtete, die Ehe könnte ihn von seinen Studien abhalten. Obwohl die Frau aus einer angesehenen Familie stammte und Melanchthon als Universitätsprofessor nicht schlecht verdiente, gelangte das Haus Melanchthon nie zu größerem Wohlstand. Ständige Besuche von Universitätsangehörigen und jungen Studenten, die Melanchthon persönlich unterrichtete und auch versorgte, zehrten das Budget mit auf. Hier ähnelte der Haushalt Melanchthons wieder sehr dem Hause Luthers.

Melanchthon wollte, wie auch Luther zu Anfang, keine neue Kirche gründen und bemühte sich die Einheit der Kirche zu erhalten. Das versuchte er mit Diplomatie und Kompromissen, die oft auf Kosten erkannter Grundsätze ging. Da sie meist für beide Seiten unannehmbar waren, hatte Melanchthon damit letztlich keinen Erfolg. Er vermochte zwar die Wogen zu glätten, wenn Luther mal wieder gegen andere Reformatoren wie Zwingli wetterte. Aber im Abendmahlsstreit zwischen Luther und den Reformatoren aus Süddeutschland und der Schweiz beharrten beide Seiten auf ihrer Position[2]. Auch sein Ziel einer gemeinsamen Kirche erreichte er nicht, obwohl er der katholischen Kirche sehr weit – zu weit – entgegenkam. Sein Kompromiss sah vor, die Messliturgie und die bischöfliche Kirchenverfassung beizubehalten, wenn die (katholische) Kirche dafür die Klöster auflöste, die Winkelmessen[3] abschaffte und Laienkelch und Priesterehe einführte.

Melanchthon starb am 19. April 1560. Sein Grab befindet sich in der Schlosskirche von Wittenberg – symbolisch treffend neben dem Grab von Martin Luther.

Johannes Bugenhagen

Im Jahr 1504 wurde Johannes Bugenhagen im Alter von nur 19 Jahren Rektor der Lateinschule in Treptow an der Rega. Dabei gelang es ihm, diese Schule in kurzer Zeit zu einem Zentrum humanistischer Bildung zu machen. Das war vermutlich auch der Grund, warum man ihn 1509 zum Priester weihte, obwohl er nicht Theologie studiert hatte. Bugenhagen bildete sich jedoch eifrig selbst weiter mit Bibellesen und Theologie. So begann er auch Luthers Schriften zu lesen. Von dessen Predigten war er fasziniert als er jedoch an das Werk „Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche“ kam, war er zunächst über diese „ketzerischen“ Gedanken entsetzt. Schließlich überzeugten ihn aber Luthers Ideen. 1521 zog er nach Wittenberg, um Luther persönlich kennenzulernen. Philipp Melanchthon nahm ihn bei sich auf. Schon ein halbes Jahr nach seiner Ankunft in Wittenberg hielt er Vorlesungen über die Psalmen. Schließlich brach er mit dem Zölibat und heiratete. 1523 wurde er zum Pfarrer an der Stadtkirche zu Wittenberg gewählt – eine Tätigkeit, die er fast bis zu seinem Lebensende ausübte. Er wurde zum engen Vertrauten Luthers, half ihm bei der Bibelübersetzung, und traute ihn mit Katharina von Bora. Der Tod Luthers, des „gottgesandten Reformators“ (wie Bugenhagen seinen Freund nannte) erschütterte ihn sehr. Er fühlte nun mit Melanchthon die Verantwortung für den Fortgang der Reformation. Im Alter von 72 Jahren legte er sein Predigeramt nieder. Seine Kräfte ließen nach und er starb am 20. April 1558. Bugenhagen gehört sicher zu den weniger bekannten, aber nicht weniger einflussreichen Personen der Reformation.



[1] Zitiert nach Christoph Morgner: Tinte, Thesen, Temperamente – ein Lesebuch auf den Spuren von Martin Luther
[2] S. mehr dazu im nächsten Heft
[3] Gegen Bezahlung durchgeführte Messen ohne anwesende Gemeinde