Martin Luther (7)

Luthers „Gabe an das Volk“ - seine Lieder und der Katechismus

Sicher war Luthers Bibelübersetzung der wertvollste Beitrag für die deutschsprachigen Christen, die nun in der Lage waren, Gottes Wort in ihrer Sprache zu lesen. Aber in einer Zeit, in der nicht jeder lesen konnte und auch nicht jeder eine persönliche Bibel besaß, kam auch der „gesungenen Botschaft“ eine wichtige Aufgabe zu.

Luther und die Musik

„Luther im Kreise seiner Familie“ heißt ein Ölgemälde des Malers Gustav Adolph Spangenberg aus dem Jahre 1866. Es zeigt, wie Luther im Wohnzimmer Laute spielt, umgeben von seinen singenden Kindern, seiner Frau und Melanchthon. Ein Weggefährte Luthers berichtet von dessen „großer Lust“ zu der „Musica“, die auch in seinem Haus gepflegt wurde. Luther hatte während seiner Schul- und Studienzeit grundlegende musikalische Kenntnisse erworben. In Eisenach verdiente er sich als Schüler einen Teil seines Unterhalts als Kurrendaner[1]. Während seines Grundstudiums an der Universität Erfurt gehörte auch Musik zu seinen Fächern. Luther gab der Musik und dem geistlichen Lied einen hohen Stellenwert. In seiner 1530 entstandenen Abhandlung Peri des musikes („Gedanken über die Musik“) schreibt er: „Ich liebe die Musik und mir gefallen die Schwärmer nicht, die sie verdammen. Weil sie erstens ein Geschenk Gottes und nicht der Menschen ist, zweitens, weil sie die Seelen fröhlich macht, drittens, weil sie den Teufel verjagt, viertens, weil sie unschuldige Freude weckt. Darüber vergehen die Zornanwandlungen, die Begierden, der Hochmut.“

Luthers Kirchenlieder

Luthers Anliegen war es, gerade die einfachen Menschen zu erreichen, die nicht nur den lateinischen Bibeltext nicht verstanden, sondern denen auch die lateinischen Hymnen und liturgischen Gesänge wenig sagten. Die eigene Teilnahme beschränkte sich auf ein „Kyrie“, „Halleluja“ oder „Amen“. Ansonsten sang die „Schola“, der liturgische Chor, vor der Gemeinde. Mit dem Schaffen von Liedern in deutscher Sprache[2] konnten nun auch die Menschen mitsingen. Für Luther zählte das Singen zum täglichen Leben eines Christen. Wer das Evangelium verstanden hat, der kann gar nicht anders, als Gott und seinen Heiland im Lied zu loben. Neben der Bibelübersetzung und den Predigten in deutscher Sprache können die in jenen Jahren entstandenen Lieder in deutscher Sprache zu den wichtigsten Errungenschaften der Reformation gerechnet werden.

Die Lieder der Reformation wurden zunächst über Flugblätter oder Einzeldrucke veröffentlicht. Später wurden auch Sammlungen gedruckt. Als erstes evangelisches Gesangbuch wird im Allgemeinen das um 1524 von Johann Walter herausgegebene „Eyn geystlich Gesangk Buchleyn“ angesehen. In der weitgehend aus Analphabeten bestehenden Gesellschaft des Mittelalters verbreiteten sich die Lieder jedoch weniger in gedruckter Form, als durch Darbietung von in der Öffentlichkeit auftretenden Bänkelsängern[3].

Luther begann mit dem Liederverfassen um 1523 und damit in einer schweren Zeit. Das ist der Hintergrund zu einem seiner ersten Lieder[4]:

1. Ach Gott, vom Himmel sieh darein
Und lass dich das Erbarmen,
Wie wenig sind der Heiligen dein,
Verlassen sind wir Armen.
Dein Wort man lässt nicht haben wahr,
Der Glaub ist auch verloschen gar
Bei allen Menschenkindern.

…..

4. Darum spricht Gott: Ich muss auf sein,
Die Armen sind verstöret.
Ihr Seufzen dringt zu mir herein,
Ich hab ihr Klag erhöret.
Mein heilsam Wort soll auf den Plan,
Getrost und frisch sie greifen an
Und sein die Kraft der Armen.

Das Lied mit sechs Strophen ist 1523 entstanden und erschien 1524 in dem „Achtliederbuch“[5], dem wohl ersten Liederbuch mit Liedern von Martin Luther.

Zu den früheren Liedern Luthers gehört auch sein Evangeliumslied: „Nun freut euch, lieben Christen g’mein“ mit zehn Strophen. Luther nennte dieses Lied „ein Danklied für die höchsten Wohltaten, so uns Gott in Christo erzeiget hat“. Hier wird auf poetische Weise die Lehre des Römerbriefs erklärt: nicht aus guten Werken, sondern durch Glauben an das Werk Gottes in Christus. Hier nur ein Auszug:

3. Mein gute Werk, die golten nicht,
Es war mit ihn verdorben,
Der frei Will hasset Gotts Gericht,
er war zum Gut erstorben.
Die Angst mich zu verzweifeln treib,
Daß nichts denn Sterben bei mir bleib,
Zur Höllen mußt ich sinken.

4. Da jammert Gott in Ewigkeit
Mein Elend übermaßen,
Er dacht an sein Barmherzigkeit,
Er wollt mir helfen lassen.
Er wandt zu mir das Vaterherz,
Es war bei ihm fürwahr kein Scherz,
Er ließ sein Bestes kosten.

5. Er sprach zu seinem lieben Sohn:
Die Zeit ist hie zurbarmen,
Fahr hin, meins Herzens werte Kron,
Und sei das Heil der Armen
Und hilf ihm aus der Sünden Not,
Erwürg für ihn den bittern Tod
Und laß ihn mit dir leben.

Das wohl bekannteste, aber auch oft missbrauchte Lied Luthers ist das sogenannte „Kampflied“ der Reformation:

1. Ein feste Burg ist unser Gott,
Ein gute Wehr und Waffen.
Er hilft uns frei aus aller Not,
Die uns jetzt hat betroffen.
Der alt böse Feind
Mit Ernst ers jetzt meint,
Groß Macht und viel List
Sein grausam Rüstung ist,
Auf Erd ist nicht seinesgleichen.

Die militärische Bildsprache dieses Liedes ist missbraucht worden für einen Nationalismus im Sinne der „Deutschen Christen“ in der Zeit des Dritten Reichs. Wenn es am Ende des Liedes heißt „das Reich muss uns doch bleiben“, dachten sie auch an das „Deutsche Reich“. Doch damit tut man Luther Gewalt an, denn er dachte dabei an das Reich Gottes.

Luthers Katechismus

Nach den Unruhen des Bauernkriegs versuchten die Reformatoren, darunter auch Luther und Melanchthon, sich durch Besuche in den verschiedenen Gemeinden ein Bild zu machen über den Zustand des Glaubens unter der Bevölkerung. Sie waren bestürzt über die oft geringe Kenntnis der Grundlagen des Glaubens. Daraufhin entwickelte Luther zwei Zusammenfassungen der reformatorischen Lehre. Den Großen Katechismus (April 1529) und den Kleinen Katechismus (Mai 1529) – gewissermaßen ein Handbuch für den Unterricht über den christlichen Glauben. Luther behandelt darin fünf Themen (die später noch ergänzt wurden): die zehn Gebote, das Glaubensbekenntnis, das Vaterunser, die Taufe, das Abendmahl. Der Kleine Katechismus fand großen Zuspruch und weite Verbreitung. Dieser Erfolg hat sicher auch mit einer gewissen Beschränkung auf das Wesentliche zu tun und mit einem sehr persönlichen Schreibstil in Frage und Antwort. Nachdem Gott in den auf die Reformation folgenden Jahrhunderten weitere Wahrheiten seines Wortes neu für die Christenheit erschlossen hat, können wir heute kaum sagen, dass Luthers Katechismus in allem der biblischen Lehre entspricht. Weder sind die 10 Gebote die Richtschnur für das Leben des Christen, noch ist das Vaterunser zum „Aufsagen“ für Christen gedacht. Auch ist ein menschliches Glaubensbekenntnis immer nur ein menschlicher Versuch, die Glaubenslehre zusammenzufassen. Aber das Anliegen Luthers, Menschen, die z. T. nicht lesen konnten, mit der Botschaft der Bibel zu erreichen, ist durchaus hochaktuell. Auf die Frage, wie wir Menschen mit dem Evangelium erreichen, die nicht mehr gewohnt sind (viel) zu lesen, werden wir heute andere Antworten geben müssen als Martin Luther. Aber der Reformator kann uns vielleicht neu motivieren, über diese Frage nachzudenken.

Es war immer wieder ein Anliegen Luthers, die Menschen verständlich über den Glauben zu unterrichten. So gibt es ein kleines Büchlein von Luther: „Wie man beten soll, für Meister Peter den Barbier“ (1535) – ein Lehrgang im Beten für seinen Frisör! Kommt dir das nicht bekannt vor: Wie erkläre ich meinem Frisör, Bäcker, Postboten, Nachbarn, Arbeitskollegen meinen Glauben? Klar, Martin Luther lebte in einer anderen Zeit als wir, und mit seinem Verständnis der Gedanken Gottes lag er nicht immer richtig. Aber dennoch gibt es „Berührungspunkte“ mit Luther in diesen Fragen. Die Weitergabe des Glaubens in Lied und Wort bleibt für Christen jedes Zeitalters eine Herausforderung.

 

 

 



[1] Mitglieder einer Kurrende, eines „Laufchores“ waren bedürftige Schüler, die sich bei Begräbnissen oder vor Häusern durch das Singen von geistlichen Liedern etwas Geld verdienten.
[2] Hier unterschied sich Luther auch von anderen Reformatoren (Calvin, Zwingli), die nur den Gesang von biblischen Psalmen befürworteten.
[3] Bänkelsänger sangen erzählende Lieder mit häufig dramatischen Inhalten. Der Bänkelgesang war vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert eine gesamteuropäische Erscheinung. Während seines Gesangs stellte sich der Bänkelsänger auf eine kleine Bank, das Bänkel.
[4] Unter folgendem Link kann man die Texte der Lieder Luthers nachlesen: http://www.martinschlu.de/kulturgeschichte/renaissance/frueh/luther/lieder/start.htm
[5] Das Achtliederbuch mit dem Titel „Etlich Cristlich lider / Lobgesang und Psalm“ ist die erste deutschsprachige evangelische Liedersammlung, erschienen 1524. Es ist in gewisser Weise Vorläufer aller evangelischen Gesangbücher, zusammen mit dem Liederbuch von Johann Walter (auch 1524). (Wikipedia)