1. Mose 1, 1.2 - die Gap-Theorie

Gap-Theorie1 im Licht der Bibel

Die Frage, ob es zwischen 1. Mose 1,1 und 1,2 einen zeitlichen Zwischenraum gege- ben hat, wird unter Christen seit langer Zeit kontrovers diskutiert. Wir geben an dieser Stelle den (gekürzten) Brief eines Bruders weiter, der diesen Zwischenraum ablehnt. Auch die Antwort fügen wir an.

Lieber Manuel,

lange habe ich über die Auffassung nachgedacht, ob 1. Mose 1,2 den Gedanken ermöglicht, dass eine unbestimmte Zeitdauer zwischen den Versen 1 und 2 liegt. Bruder W. Kelly lässt sogar Raum für geologische Zeitalter mit Fossilien. Das ist meiner Meinung nach jedoch im Widerspruch zur Schrift. Denn dann wäre es möglich, dass der Tod nicht durch den Sündenfall des Menschen in die Welt gekommen ist (vgl. Röm 5,12) Nein: Der Tod kann nicht vorher geherrscht haben.

Ich glaube, dass besonders drei Schriftstellen der Gap-Theorie widersprechen:

  1. In 2. Mose 20,11 und 31,17 wird uns deutlich gesagt, dass Gott die Schöpfung von Himmel und Erde und alles was in ihnen ist, in 6 Tagen gemacht hat. Der Himmel wird hier wie in 1. Mose 1,1 genannt. Daher ist 1. Mose 1,1 eingeschlossen.
  2. Der Herr Jesus sagt in Markus 10,6: „Von Anfang der Schöpfung an machte Gott sie als Mann und Frau.“ Also wird die Schöpfung des Men- schen mit dem Anfang der Schöpfung verbunden und nicht Millionen Jahre später angesiedelt.
  3. 1. Mose 1,31 besagt, dass alles, was Gott geschaffen hat, sehr gut war. Das beinhaltet den Himmel mit sämtlichen Engeln, die Erde mit allem, was darin ist. Hätte Gott sagen können, dass alles gut war, wenn durch einen gefallenen Engel die Sünde in seine Schöpfung eingetreten wäre?

Der Zeitpunkt des Falls Satans zwischen Vers 1 und 2 ist reine Spekulation. Die Schöpfung wurde nicht in ein Chaos gestürzt, sondern die Erde war einfach noch nicht fertig, war noch wüst und leer. Gott hat die 6 Tage dafür gebraucht und benutzt das als Beispiel für unsere Wochen-Einteilung. In Hesekiel 28,11–19 wird über Satan im Bild des Königs von Tyrus gesagt, dass er in Eden war, dem Garten Gottes. Erst danach wird sein Fall berichtet. Daher muss er in Eden in noch nicht gefallenem Zustand gewesen sein. Auch das steht im Widerspruch dazu, dass Satan zwischen 1. Mose 1,1 und 1,2 gefallen ist. Das Ergebnis seines Fallens ist nach Hesekiel 28,17, dass er keinen Zugang mehr zum Berg Gottes hat.

Der Gedanke, dass in 1. Mose 1,2 ein Gericht über die Erde kam, ist unlo- gisch. Sie war noch nicht fertig und eben nicht vollkommen, wie Jesaja 45,18 deutlich macht. Das Gericht aufgrund der Überhebung Satans betrifft gefallene Engel, nicht die Erde. Die Erde wurde erst nach dem Sündenfall des Menschen in Mitleidenschaft gezogen.

Man muss bedenken, dass die Gap- Theorie von Menschen erdacht wurde, die eine Öffnung in den Schriften suchten, um die ersonnenen geologischen Zeitalter zu rechtfertigen und um auf diese Weise eine Öffnung für die Evolutionslehre zu schaffen. Leider ist man bei den Brüdern auf diesen Trick „hereingefallen“, obwohl man die Evolutionsgedanken verurteilt. Dadurch wird spekulativen Gedanken der Weg bereitet.

Ich hoffe, dass meine Überlegungen auch anderen dienen können.

Mit lieben brüderlichen Grüßen im Herrn

A.B.

Lieber A.,

herzlichen Dank für Deine Gedanken zu der Frage, ob es zwischen 1. Mose 1,1 und 1,2 einen zeitlichen Zwischenraum gegeben hat. Zunächst wiederhole ich in verkürzter Form ein paar Argumente aus dem letzten Heft, die mich dazu führen, zwischen Vers 1 und Vers 2 einen Zwischenraum zu sehen:

Was passierte „zwischen“ Vers 1 und 2?

  • Zwischenraum zwischen Vers 1 und 2:

a) Aus Jesaja 45,18 entnehme ich, dass die Schöpfung so nicht aus der Hand Gottes hervorgegangen sein kann. Das dort genannte Wort „Öde“ ist dasselbe Wort wie „wüst“ in 1. Mose 1,2. So – nämlich wüst – hat Gott die Erde nicht geschaffen, heißt es dort. 1. Mose 1,2 zeigt daher nach meinem Verständnis nicht, wie die Schöpfung war, nachdem Gott sie geschaffen hatte, sondern einen Zustand, in den die Schöpfung fiel – dadurch war sie dann so.

b) Vers 2 redet nur von der Erde – nicht vom (unsichtbaren) Himmel. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Katastrophe nur die Erde betroffen hat.

c) Das „und“ inVers 2 deutetdaraufhin, dass Vers 1 keine Überschrift ist, die ab Vers 2 erläutert wird, sondern dieser Vers spricht von etwas Neuem, einer Ergänzung zu Vers 1.

  • Gott schafft nie Chaos, denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung. Der Widersacher, Satan, macht Chaos, wo immer er kann. Gott nie. Er macht alles gut!
  • Die beiden Worte „wüst und leer“ (Tohu wabohu) kommen nur noch an zwei Stellen in der Bibel vor, und zwar in Verbindung mit Gericht (Jes 34,11; Jer 4,22.23). Es liegt daher nahe, dass es sich auch in 1. Mose 1,2 nicht um einen Zwischenzustand handelt.

Nun noch einige Gedanken zu den von Dir angeführten Bibelversen und Argumenten: In Römer 5,12 geht es darum, dass der Mensch (1. Mo 3) die Sünde in die Welt gebracht hat und durch seine Sünde der Tod zu allen Menschen durchgedrungen ist. In diesem Vers finden wir keinen Hinweis auf den Tod von Tieren oder Pflanzen. Aus Römer 8,20 wissen wir, dass die Schöpfung unter den Folgen des Sündenfalls zu leiden hat. Sie ist der Nichtigkeit unterworfen worden. Hier wird der Ausdruck „Schöpfung“ nicht konkret auf einzelne Geschöpfe bezogen. Vielleicht ist an das Harren der gesamten vernunftlosen Schöpfung (belebt wie leblos) zu denken. Übrigens wird Satan der Vater der Lüge genannt (Joh 8,44), der von Anfang an sündigt (1. Joh 3,8) – sicher bevor er den Men- schen zum Sündigen verführt hat. Grundsätzlich meine ich, dass „wüst und leer“ nicht Gottes würdig ist. Gott schafft kein „Tohu wabohu“. Wenn man einmal Jesaja 45,18 und 1. Mose 1,1 nebeneinander stellt, sollte deutlich werden, dass 1. Mose 1,2 nicht das Ergebnis des Schaffens Gottes sein kann:

Jes 45,18 1.Mo 1,1.2
Nicht-öde(wüst) schuf er

Schuf Gott ... die Erde

Und die Erde war öde (wüst)

Der Ausdruck „nicht-wüst“ in Jesaja 45 zeigt nach meinem Dafürhalten, dass die Erde zu keinem Zeitpunkt wüst (öde) aus der Hand Gottes hervorgegangen ist. Wenn Gott nach 1. Mose 1,1 die Erde geschaffen hat, sie aber danach (oder auch im Verlauf des Schaffens) doch wüst gewesen wäre, würde das im Widerspruch zu der ausschließenden Bedingung von Jesaja 45,18 stehen: nicht-wüst.

2. Mose 20,11 und 31,17 beziehen sich nach meinem Verständnis auf den in 1.Mose 1,8 genannten atmosphärischen Himmel, nicht auf den unsichtbaren Himmel, um den es in 1. Mose 1,1 geht. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass Gott mit „Himmel“ nicht immer dasselbe bezeichnet: Manchmal bezieht Er sich auf die unsichtbare Welt, manchmal auf den atmosphärischen Himmel ...

Markus 10,6 zeigt, dass Gott sein Schöpfungswerk als ein charakteristisch Ganzes ansieht. Es heißt hier allerdings nicht: „Von Anfang der Schöpfung an“, im Grundtext fehlt der Artikel vor dem Wort „Schöpfung“, so dass es nicht um das Schaffen geht, sondern um das Charakteristische dessen, was Gott „machte“: Mann und Frau als ein zusammengehöriges Ehepaar. Um die Frage von 1. Mose 1,1 und 1,2 geht es nicht. Übrigens verbindet Gott an verschiedenen Stellen den Anfang der Schöpfung mit bestimmten Punkten, die teilweise erst viel später stattgefunden haben (vgl. Heb 4,3.4; 9,26; Lk 11,50.51).

1. Mose 1,31 bezieht sich auf das, was Gott „gemacht“ hat. Das, was Gott in den sieben Tagen „gemacht“ hat, war alles sehr gut. Um das Machen von Engeln etc. geht es in 1. Mose 1,31 jedoch nicht, weil da der Fokus von 1. Mose 1 auf dem Lebensbereich des Menschen liegt. Was die Unterscheidung von „schaffen“ und „machen“ betrifft: Wenn in der Schrift „geschaffen“ wird, dann wird nie der Stoff genannt, der dem Schaffen zugrunde liegt. Urheber dieses Schaffens ist immer allein Gott. Zudem tritt immer das überraschende Neue des Ergebnisses hervor. Keine dieser drei Aussagen trifft auf „machen“ zu. Machen ist der allgemeinere Begriff, das heißt, jedes Schaffen ist auch ein Machen, aber nicht jedes Machen  ist auch ein Schaffen.

Ich behaupte übrigens nicht nicht dogmatisch, zwischen 1,1 und 1,2 liege unter allen Umständen der Fall Satans (obwohl ich das für die beste Erklärung halte).

Noch einige Worte zu Hesekiel 28,13: Es handelt sich hier um eine symbolische Beschreibung, die wohl ein verborgener Hinweis auf den Fall Satans ist. In diesem Sinn dürfte dann auch Eden eine symbolische Beschreibung der „Wonne" sein, die diesen Lichtengel vor seinem Fall kennzeichnete. Wenn man Hesekiel 28 wörtlich verstehen wollte, müsste Satan in nicht gefallenem Zustand im Garten Eden gewesen und Adam in herrlichem Zustand begegnet sein. Das erscheint  mir in Widerspruch zu dem zu stehen, was in 1.  Mose 3  berichtet wird. Was das Gericht Gottes aufgrund der Überhebung Satans betrifft (vergleiche 1. Tim 3,6), so betrifft dies ihn und die mit ihm gefallenen Engel. Gleichwohl ist interessant, dass sowohl in Jesaja 14,12.16 (der die Erde erbeben ließ) als auch in Hesekiel 28,17 (zu Boden geworfen; zur Asche gemacht auf der Erde) die Erde bei den Folgen des Falls Satans miterwähnt wird.

Übrigens haben manche Ausleger schon lange  vor dem Aufkommen der modernen Evolutionstheorie den Fall Satans zwischen 1. Mose 1,1 und 1,2 gesehen. Beispielsweise steht in der „Berlenburger Bibel" aus dem Jahr 1726 Folgendes zu 1. Mose 1,2: „Die Schrift ist hier gar kurz und verborgen mit ihrer Meldung. Des Himmels wird nur mit einem Wort gedacht, und sogleich von der Erden angezeigt, dass sie wüst und lär, ohne Form und Ordnung, gewesen, ohne anzuzeigen woher, und dass sie durch den Abfall Lucifers in  Verwirrung gerathen, welche GOTT durch seinen Geist hier wieder zu heben versucht."

So möchte ich (für mich) gerne bei der Auslegung bleiben, die ich in den ersten beiden Folgen der Bibelarbeit zu 1.Mose 1 und 2 vorgestellt habe. Aber wir bleiben alle Lernende. Gerade diese beiden Kapitel zeigen mir immer wieder, wie wenig ich von diesem wunderbaren Tun Gottes verstehe.

Herzliche Grüße

Manuel

Die Himmel erzählen die Herrlichkeiten Gottes, und die Ausdehnung verkündet seiner Hände Werk. Psalm 19,2

 1 Englisch: „Gap“ heißt Lücke