Christus vor Augen - Kolosser 1

Bibelstudium Christus vor Augen Teil 5

Kolosser 1

Das erste Kapitel des Kolosserbriefes stellt uns großartige Herrlichkeiten unseres Herrn Jesus Christus vor. Bevor der Apostel den Kolossern verschiedene dieser Herrlichkeiten nennt, spricht er von der Wirksamkeit des Evangeliums – das hat uns beim letzten Mal beschäftigt – und davon, dass er sich im Gebet für die Kolosser verwendet. In dieser Folge geht es um das Wachstum des Evangeliums, das Gebet für andere und um die Erkenntnis des Willens Gottes.

Wachstum

Vers 6: Das Wachstum des Wortes der Wahrheit des Evangeliums

Das Wort der Wahrheit des Evangeliums bringt nicht nur Frucht für Gott hervor, sondern es wächst auch. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass dieses Wachsen zweifach zu verstehen ist. In Apos- telgeschichte 12,24 heißt es: „Das Wort Gottes aber wuchs und mehrte sich.“ Dieses Wachstum ist sozusagen in dem Evangelium enthalten, es ist ihm eigen. Das Wort Gottes ging in jener wunderbaren Anfangszeit über alle Grenzen jüdischen Verständnisses hinaus und wuchs und mehrte sich. Im 2. Thessalonicherbrief heißt es sogar einmal, dass wir dafür beten sollen, dass das Wort Gottes „laufe“, als wäre es eine Person, die läuft. Und dann heißt es dort weiter, dass das Wort „verherrlicht werde“ (Kap. 3,1). Das Wort Got- tes läuft und wird verherrlicht und wächst. Das ist typisch für das Wort, und auch für das Leben. Wo Leben ist, ist Wachstum.

Regional

Wir haben bei uns zu Hause eine Eberesche im Garten, die enorm gewachsen ist. Ich habe den Gärtner gebeten: „Bitte radikal schneiden, so viele Äste wie möglich abschneiden! Ich will endlich wieder Licht in meinem Garten haben.“ Der Gärtner hat den Baum dann stark beschnitten. Ein Jahr später sage ich zu meiner Frau: „Schau dir mal den Baum an. Wo wir einen Ast abgeschnitten haben, kommen mindestens zehn heraus.“ Dieser Baum wächst! Da ist Kraft. Genau das ist typisch für das Leben. Wo göttliches Leben ist, muss man keine Lupe nehmen und nachforschen: Ist da eigentlich Leben vorhanden? Nein, es wächst.

Geistliches Wachstum

Das Evangelium wächst jedoch nicht nur, indem es sich in der Welt ausbreitet. Es wächst auch in uns. Wachstum ist etwas Wunderbares. Es ist nicht begehrenswert, wenn sich ein Kind wie ein alter Mensch verhält. Aber es ist auch nicht angenehm, wenn Alte wie Kinder sind – vielleicht ist das noch hässlicher. Lieblich dagegen ist es, wenn alles im Ebenmaß ist. Im Wort Gottes gibt es Kindlein, Jünglinge und Väter (1. Joh 2) – ein Beweis, dass sich das neue Leben in uns entfalten will.

Die Wahrheit Gottes als solche wird sich nie entwickeln. Sie ist immer konstant wahr. Aber das Leben in uns entwickelt sich, und dazu benutzt Gott sein Wort. Dieses ist immer das Instrument zum Wachstum. Die Kraft ist der Heilige Geist, der in uns wohnt. So wird das Wort Gottes, das Wort der Wahrheit, einen wachsenden Einfluss über uns gewinnen. Es wäre großartig, wenn der Herr uns dahin führen könnte, den an sich unermesslichen Reichtum des Wortes Gottes mehr und mehr zu erfassen.

Wachstum bei Paulus

Erkenntnis

Gott möchte, dass wir zunehmen in dem Erfassen der Wahrheit. Vor allen Dingen will Er, dass wir in der Erkenntnis der Person wachsen, von der diese Wahrheit redet. Es ist bemerkenswert, dass wir in der Apostelgeschichte drei Berichte haben über die Bekehrung des Saulus von Tarsus. Auffallend ist dabei, dass bei jeder Schilderung das persönliche Bewusstsein von dem Licht, das er gesehen hat, wächst. In Kapitel 9,3 heißt es: „Als er aber hinzog, geschah es, dass er sich Damaskus näherte. Und plötzlich umstrahlte ihn ein Licht aus dem Himmel.“ Das ist die Schilderung, die Lukas gibt.

Apg 22

Dann lesen wir, dass Paulus einige Jahre später sagt: „Es geschah mir aber, als ich reiste und mich Damaskus näherte, dass mich gegen Mittag [Das ist bereits ein Zusatz: um die Mittagszeit. Es war die Zeit, zu der die Sonne im Zenit steht und im Orient gleißend hell ist.] plötzlich ein großes Licht aus dem Himmel umstrahlte“ (Apg 22,6). Vorher war es nur ein Licht, jetzt ist es ein großes Licht am hellen Mittag.

Apg 26

Und dann haben wir in Kapitel 26,12.13 den dritten Bericht, als Paulus – wieder etwas später – vor Agrippa steht: „Als ich dabei mit Vollmacht und Erlaubnis von den Hohenpriestern nach Damaskus reiste, sah ich mitten am Tag auf dem Weg, o König, vom Himmel her ein Licht, das den Glanz der Sonne übertraf, welches mich und die, die mit mir reisten, umstrahlte.“ Es war nicht nur ein helles Licht. Es war ein Licht, das den Glanz der Sonne überstrahlte. Das ist es, was Gott bei uns bewirken möchte: dass wir wachsen und zunehmen.

Der Anfang des Glaubenslebens der Kolosser

Bekehrung

Der Apostel bezieht sich im zweiten Teil von Vers 6 auf den Anfang des Glaubenslebens der Kolosser, als sie das Evangelium gehört hatten. Es ist schön, wie die Bekehrung hier beschrieben wird. Ich wüsste keine bessere Beschreibung dessen, was eine Bekehrung ist. „Von dem Tag an“ – es war ein ganz bestimmter Tag –, „da ihr das Wort gehört und die Gnade Gottes in Wahrheit erkannt habt.“ Ob jeder Leser nicht nur das Wort gehört, sondern auch die Gna- de Gottes in Wahrheit erkannt hat? Das Wort bringt diese Gnade Gottes. Diese Wahrheit mit dem Herzen aufzunehmen und zu er- kennen, dass es Gnade ist, gerettet zu werden: Genau das ist das Hinwenden zu Gott, das die Bekehrung ausmacht.

Vers 7: Epaphras

Treu sein

Dann erwähnt Paulus Epaphras. Das ist ein Mann, der uns sehr ermutigen sollte. Ich glaube nicht, dass Epaphras ein bekannter Bruder war. Vielleicht war er keiner, der „am Pult“ stand und öffentlich diente. Aber er war ein treuer Mann. Darauf kommt es an, nicht, ob wir in der Öffentlichkeit stehen oder nicht, ob wir Bruder oder Schwester sind. Den Platz, den die Güte Gottes uns zugewiesen hat, sollen wir in Treue ausfüllen. Ich glaube, dass eine Mutter, die ständig ein oder zwei oder mehr Kinder um sich herum hat und sie für den Herrn erzieht und alles macht, um sie auf den Weg hinter dem Herrn Jesus her zu bringen, eine wunderbare Aufgabe für den Herrn Jesus ausführen darf.

Entscheidend ist also, dass wir treu sind. Epaphras war ein treuer Diener. Vielleicht war er ein Mann, der von manchen Geschwistern aus Kolossä angegriffen wurde. Denn jene philosophischen, mystischen, jüdischen Lehren hatten ihre Verfechter in Kolossä, die sich auf Kosten treuer Leute bekannt machen wollten. Sie schmeichelten sich ein, versuchten, schönere Worte zu sagen als Epaphras. Daher nahm Paulus ihn in Schutz. Es muss für Epaphras eine außerordentliche Ermutigung gewesen sein, seinen Namen derart in diesem Brief erwähnt zu finden. Er war einer, der bei dem blieb, was er gelernt hatte. Wenn neue Gedanken auf uns zukommen, die nicht der Schrift entsprechen, ist es ein Zeichen von Treue, wenn wir sie ablehnen.

Für Euch

Epaphras bedurfte der Stützung durch den Apostel. Er war ein treuer Diener des Christus für euch. „Liebe Kolosser, Ihr hättet auf ihn hören sollen!“ Das ist der Gedanke hier. Aber was dann folgt, ist auch sehr schön: „Der uns auch eure Liebe im Geist kundgetan hat.“ Paulus hatte von ihm etwas Gutes über sie gehört: Sie hatten den Apostel lieb bei alledem, was an Problemen vorhanden war.

Vers 8: Die einzige Erwähnung des Heiligen Geistes im Kolosserbrief

„Im Geist“ ist eine schwierige Ausdrucksform. Gemeint ist die Liebe, die in der Kraft des Heiligen Geistes wirkt. Das ist übrigens die einzi- ge Erwähnung des Heiligen Geistes in diesem Brief. Paulus spricht nicht von natürlicher Zuneigung, die auf Gegenseitigkeit beruht, sondern von einer Zuneigung, die durch den Geist Gottes gewirkt ist. Wie schon in der Einleitung erwähnt, gibt es im Epheserbrief kein Kapitel, wo der Geist Gottes nicht mindestens einmal genannt wird. Im Kolosserbrief dagegen finden wir hier die einzige Erwähnung. Es stellt sich die Frage: Warum dieser Unterschied?

Auf Christus sehen

Wenn der Gläubige Christus vor sich hat – die Frage ist, ob das auf uns zutrifft –, kann ihm der Geist Gottes viel mitteilen über sein eigenes Werk in mir. Das ist sogar nötig und führt zur Verherrlichung des Herrn. Wenn aber der Christ den Herrn Jesus ein wenig aus dem Blickfeld verloren hat, wie es bei den Kolossern zum Teil der Fall war, weil sie ihr Ohr den Philosophien geliehen hatten, kann es sehr gefährlich werden, wenn der Geist Gottes uns mit dem beschäftigen würde, was Er in uns wirkt. Es verliehe uns durch unseren falschen Zustand eine gewisse Wichtigkeit. Das jedoch würde uns vom Herrn Jesus wegführen. Deswegen wird hier nicht der Geist Gottes und sein Wirken an der Seele vorgestellt, sondern direkt Christus, von dem der Blick der Kolosser leider weggegangen war.

Verse 9–11: Der Inhalt des Gebets von Paulus

Das Gebet

Ab Vers 9 kommt nun eine erlesene Zusammenstellung dessen vor uns, was ein Christ für andere beten kann. Bei besonders guten Pralinen trägt die Packung die Aufschrift „Auslese“. Was uns jetzt vorgestellt wird, könnte man überschreiben mit„Auserwähltes, Auserlesenes“. Es fällt zuerst auf, dass dieser Mann Gottes – Paulus –, der mit den Interessen des Himmels in Verbindung stand und die Gedanken Gottes kannte, der zugleich eine besondere Liebe zu den Kolossern hatte, jetzt nicht für seine eigenen Angelegenheiten betet. Er gleicht hier dem Patriarchen Abraham in 1. Mose 18.

Abraham

In 1. Mose 15 betet Abraham auch. Die Schlacht mit Kedorlaomer war vorbei, und Abraham hatte auf jedes Angebot des Königs von Sodom verzichtet. Doch dann war dieser großartige Mann plötzlich nicht mehr ganz auf der Höhe seines Glaubens. Als Gott sagt: „Ich bin dir ein Schild, dein sehr großer Lohn“, antwortet Abraham: „Was willst du mir geben? Ich gehe doch kinderlos dahin.“ Was willst du mir geben? So ähnlich beten auch wir manchmal. Einige Kapitel später kommen drei Personen, der HERR in der Mitte. Die Engel sind viel taktvoller, als wir Menschen es oft sind. Sie wissen, was sich gehört. Als sie merken, dass der HERR mit Abraham etwas zu besprechen hatte, gehen sie diskret beiseite. Da fängt Abraham in unnachahmlicher Weise an zu bitten. „Sollte der Richter der ganzen Erde nicht Recht üben?“ Das ist Abraham! Er steht auf dem Berg mit Gott und redet nicht mehr von sich. Er interessiert sich für das, was Gott betrifft. Und es geht ihm um die Stadt Sodom, wo sein Neffe Lot wohnt. Vielleicht gab es dort 50, 40, 30, 20, 10 Gerechte! Beten wir auch so? Beten wir für andere? Für das Werk Gottes?

Vers 9: Erfüllt sein mit der Erkenntnis seines Willens

Paulus betet nicht dafür, dass die Kolosser erfüllt sein mögen mit mancherlei Gedanken darüber, wo sie den nächsten Urlaub zubringen sollten. Natürlich dürfen wir auch dafür beten, dass der Herr uns in diesen Dingen leitet. Aber es steht hier etwas ganz anderes. „... damit ihr erfüllt sein mögt mit der Erkenntnis seines Willens in aller Weisheit und geistlicher Einsicht.“ Es geht um die Erkenntnis des Willens Gottes für unseren persönlichen und unseren gemeinsamen Weg. Was ist hier grundsätzlich wichtig? Es ist nicht so sehr die bloße Kenntnis des Wortes Gottes, die uns das Licht gibt, obwohl das Wort Gottes von Gott immer zu unserer Führung benutzt wird. Aber es ist der persönliche Zustand der Seele, durch den Gott uns leitet. „Mein Auge auf dich richtend, will ich dir raten“ (Ps 32,8).

Gesinnung

Gott tut mir seine Gedanken nicht kund, solange ich im Eigenwillen handeln will. Das müssen sich zum Beispiel junge Brüder merken, wenn sie nach einer Frau Ausschau halten. Mach das nicht so, wie wir alle es vielleicht einmal gebetet haben, bevor wir es besser verstanden: „Herr zeig mir doch deinen Willen, aber bitte, gib mir diese!“ Den Nachsatz sagst du natürlich nicht, denn so plump reden wir nicht. Aber im Herzen kann diese Bitte doch vorhanden sein. Solange wir für die einzelnen Bereiche unseres Lebens eige- ne Pläne schmieden, die Gott gleichsam unterschreiben soll, wird uns Gott seinen Willen nicht zeigen können.

Kein Gesetz

Gott hat uns kein Gesetzbuch mit lauter Einzelbestimmungen ge- geben, aus denen heraus wir dann den Weg erkennen können. Nein, Er verbindet die Erkenntnis seines Willens mit dem Weg der Weisheit und des geistlichen Verständnisses.

Kenntnis Gottes

Diese Dinge werden uns geschenkt durch die Kenntnis Gottes, durch den vertrauten Umgang mit Ihm. Wir lernen Gott kennen, wenn wir mit Ihm gehen. Dann offenbart Er uns nicht lauter einzelne Vorschriften und „Rezepte“, sondern Grundsätze, die Ihm und seinem Wesen entsprechen. Deswegen ist es keine gute Frage: „Wo steht denn, dass man das nicht darf?“ Frage lieber: „Mein Vater, ist das von Dir – oder von der Welt?“ Wenn es von der Welt ist, wollen wir sagen: „Nein, danke!“ Uns beschäftigt manchmal – leider – die Überlegung, wie weit wir gehen können, bis eine Sache „Welt“ wird. Das aber ist weder aufrichtig noch geistlich. Denn die Welt fängt in meinem Herzen an, nicht bei irgendeiner Grenze. Wenn ich das Weltliche liebe, ist schon dieses Begehren „Welt“ für mich.

Erkenntnis und geistlicher Zustand sind untrennbar miteinander verbunden

Geistlicher Zustand

Was wir lernen müssen, ist, dass die Erkenntnis des Willens Gottes verbunden ist mit meinem geistlichen Zustand. Wenn das Auge einfältig ist, zeugt das von einem guten Zustand. Das gleiche gilt für unser Herz, denn das Herz lenkt die Augen. Andererseits gilt auch: Wenn wir unser Auge nicht einfältig auf Christus richten, ist unser Leib finster (vgl. Lk 11,34). Jemand hat einmal gesagt: Wenn ich über eine Sache über längere Zeit hinweg keine Klarheit, einfach kein Licht bekomme, liegt das oft daran, dass mein Auge nicht einfältig ist.

Herz

Wir lernen über das Herz den Weg Gottes kennen. Daher sollten wir uns immer wieder fragen: Ist unser Auge noch einfältig? Ist Christus der Gegenstand, um den sich alles dreht?

Noch ein Wort zur Unterscheidung von Weisheit und geistlicher Einsicht. Bei Weisheit geht es um das Erfassen der Ursache. Geistliche Einsicht ist die Anwendung dieser Weisheit im praktischen Leben. Beides ist für den Gläubigen wichtig.