Bibelstudium

Christus vor Augen Teil 2- Kolosser 1

In der ersten Folge über Kolosser 1 haben wir unter anderem gesehen, dass sich der Epheserbrief und der Kolosserbrief ergänzen. Der Epheserbrief zeigt uns die Herrlichkeit der Versammlung als Leib Christi, der Kolosserbrief zeigt uns die Herrlichkeit des Herrn Jesus als Haupt dieses Leibes. In dieser Folge wollen wir uns die ersten Verse von Kolosser 1 anschauen. Gerne wiederholen wir: Falls Ihr zu diesem sehr schönen und herausfordernden Bibelabschnitt Fragen habt, dürft Ihr uns diese zusenden.

Der Brief an die Kolosser beginnt mit den Worten „Paulus, Apostel Christi Jesu durch Gottes Willen“. Paulus hat den Kolosserbrief aus einem Gefängnis in Rom geschrieben. Er stellt sich in seiner Autorität vor, die weder menschlichen Ursprungs ist noch durch Menschen vermittelt worden war. Er war ein „Apostel“! Aber er war kein Apostel der Versammlung, sondern Apostel „Christi Jesu“. Dieser hatte ihn berufen. Das ist übrigens bis heute für jeden Diener wahr. Wenn wir auch keine Apostel mehr haben, wird doch jeder Diener des Herrn durch Ihn und durch niemand sonst zum Dienst berufen.

 

Berufung in den Dienst

Die Versammlung beruft keinen Diener. Als einmal die Ältesten in Antiochien die Hände auf Barnabas und Paulus legten (vgl. Apg 13,3), hatte dies nichts damit zu tun, dass sie die beiden in irgendeiner Weise in das Werk des Herrn gesandt hätten. Nein, sie waren längst im Werk des Herrn tätig. Eine Versammlung kann nicht ins Werk des Herrn senden, aber sie kann sich eins machen mit den Dienern – durch das Auflegen der Hände wird dies deutlich gemacht.

 

Vers 1: Die Apostelschaft von Paulus

Paulus betont seine Autorität als Apostel in allen Briefen, in denen es um lehrmäßige Fragen von grundsätzlicher Bedeutung geht. Das ist nicht irgendein menschliches Rühmen. Wenn Paulus Gefahren bezüglich der Lehre oder vor allen Dingen in Bezug auf die Person des Herrn Jesus sah – und es gibt keine gefährlicheren Irrtümer, als wenn man abirrt von dem, was die Schrift über Christus sagt! –, dann betont er seine apostolische Autorität sogar in Briefen, die persönlicher Art sind, wie in den Briefen an Timotheus.

Ich habe mich früher oft gewundert und gefragt, warum Paulus, wenn er an sein „geliebtes Kind“ schreibt – Timotheus war mehr als jeder andere stets loyal und treu dem Apostel gegenüber –, warum Paulus so ernst von sich schreibt: „Apostel Christi Jesu.“ Musste er das denn tun? Das wusste Timotheus doch! Und für diesen war doch die Bezeugung der Autorität von Paulus nicht die Voraussetzung, seinen Worten auch Folge zu leisten. Aber die Warnung im Blick auf Irrtümer und eine falsche Sicht auf den Herrn Jesus machte die Nennung seiner Apostelschaft nötig.

An dieser Stelle möchte ich einen weiteren Punkt anführen, der mir wichtig erscheint: Die Autorität eines Knechtes Gottes schwindet nicht dadurch, dass man ihn lieb hat; sie wird nicht durch innige Beziehungen gemindert. Ein Vater zum Beispiel hat eine von Gott gegebene Autorität gegenüber seinem Kind. Und er bleibt der Vater, auch wenn das Kind ein vertrautes Verhältnis mit ihm hat.

Paulus war Apostel „durch Gottes Willen“. Es war also der ausdrückliche Wille Gottes, dass Paulus als Apostel auf dieser Erde den Ratschluss Gottes verkündigte.

 

Der Apostel – verbunden mit einem „einfachen“ Bruder

Es ist auch schön zu sehen, dass Paulus einen ganz „einfachen“ Bruder neben sich stellt. Das zeigt uns eine gnadenreiche Art, miteinander umzugehen. Paulus stellt Timotheus neben sich und nennt ihn sehr bezeichnend „den Bruder“. „Einfach“ ist nicht negativ gemeint, sondern soll nur bedeuten, dass Timotheus kein Apostel war. Heute sind wir in diesem Sinn alle „einfache“ Brüder. Wir alle sind Brüder – auch die Schwestern sind in diesem Ausdruck eingeschlossen. Wir machen zusammen diese Brüderschaft aus und stehen alle auf demselben „Niveau“. Es gibt keine Oberbrüder oder Unterbrüder. Es ist wahr, dass der Herr die Brüder verschieden benutzt – Gott sei Dank! Aber sie alle sind Brüder.

Mich hat das Wort immer erfrischt, wenn der Herr Jesus sagt: „Ihr aber, lasst euch nicht Rabbi nennen; denn einer ist euer Lehrer, ihr alle aber seid Brüder ... Lasst euch auch nicht Meister nennen; denn euer Meister ist nur einer, der Christus“ (Mt 23,8.10). Natürlich gefällt es dem Fleisch, Meister, Vater oder Rabbi genannt zu werden. Aber der Herr hat gesagt, dass wir alle Brüder sind.

Vielleicht denkt der eine oder andere, dass wir dadurch arm dran sind, dass wir keine Apostel mehr haben. Vielleicht wünschen wir uns manchmal einen Apostel, der die Dinge endlich einmal gerade rückt und klarstellt. Aber wir haben mehr als einen Apostel! Wir haben den Herrn Jesus selbst.

Ich finde es großartig, wie Paulus einerseits seine Autorität hervorheben muss, weil es hier um Kardinalfragen ging, und wie er andererseits auf gnädige Weise Timotheus mit sich verbindet, einen Mann, der wesentlich jünger war als er. Er hat das übrigens immer wieder gemacht. An dieser Stelle sei nur ein weiteres, schönes Beispiel zitiert. Am Anfang des Briefes an die Galater verbindet er nicht nur einen Bruder mit sich, sondern alle Brüder, die bei ihm waren. Sie haben für ihn denselben Wert, wenn sie auch dieses besondere Amt der Apostelschaft nicht besaßen.

 

Vers 2: Die Empfänger

Noch ein Wort zu Timotheus. Er war ein treuer Mann. Ich komme darauf, weil die Anrede hier sehr auffallend ist und einen Unterschied zum Epheserbrief aufzeigt. Dort heißt es einfach:„... den Heiligen und Treuen.“ Hier steht: „... der Bruder, den heiligen und treuen Brüdern in Christus.“ Uns fällt wieder der Zusatz auf: „Brüder.“

Der Ausdruck „in Christus“ bezieht sich sowohl auf „heilige Brüder“ als auch auf „treue Brüder“. Der Zusatz „Brüder“ weist dabei auf die gegenseitigen Beziehungen hin, die zwischen den Geschwistern bestanden. Denn es gibt unter Brüdern im Herrn Beziehungen; genau davon spricht dieses Wort. Es handelte sich um „heilige Brüder“, weil sie von Gott und für Gott abgesondert worden waren.

In diesem Brief und besonders im ersten Kapitel ist viel von „Fruchttragen“ die Rede. Wenn jemand inmitten von lauter „Unkraut“ geistliche Frucht tragen soll, muss gleichsam ein Zaun vorhanden sein, der dem Eindringen des Bösen Widerstand entgegensetzt. Sonst wird es nicht die Frucht geben, die Gott sucht. Diese grundsätzliche Heiligung oder Absonderung hat Gott bei dem Gläubigen bei dessen Bekehrung vorgenommen (1. Pet 1,2).

Zweitens muss Treue vorhanden sein. Treue ist die Antwort des Herzens des Erlösten auf das, was Gott gemacht hat. Gott hat jeden von uns – stellungsgemäß – abgesondert für sich, für seinen Sohn. Galater 1 sagt uns übrigens, dass der Herr Jesus dafür sterben musste! Ob uns das immer bewusst ist, dass der Herr Jesus sterben musste, um uns in diese Beziehung der Absonderung zu Ihm hin zu bringen? Unsere Antwort darauf ist Treue. Natürlich ist auch diese Treue letztlich nur „in Christus“ möglich. Deswegen heißt es:„Den ... und treuen Brüdern in Christus.“ Einerseits beschreibt „in Christus“ unsere Stellung, in Ihm ist sie gesichert und fest. Andererseits steht aber auch, wie schon bemerkt, die Treue in Verbindung mit „in Christus“. Wir können nämlich außerhalb von Ihm nicht treu sein, obwohl Treue eine Erwiderung unsererseits auf erwiesene Gnade ist.

Ist das nicht auch heute für uns eine Herausforderung? Wollen nicht auch wir treu sein? Wenn Gott uns so viele geistliche Segnungen geschenkt und offenbart hat in Seinem Wort, dann sind wir schuldig, das uns anvertraute christliche Glaubensgut in Treue festzuhalten. Wir dürfen sie nicht einfach fahren lassen.

 

Die Treue von Timotheus

Timotheus war ein relativ junger Mann. Und er war treu, auch wenn es jetzt hier nicht ausdrücklich steht. Aber in 2. Timotheus 2 lesen wir, dass er treu war. Denn er sollte das, was er vom Apostel Paulus gehört hatte, treuen Leuten anvertrauen, die wiederum ihrerseits fähig sein würden, andere zu belehren. Welch ein Glück, wenn auch heute junge Gläubige treu sind. Wir reichen auch heute die Wahrheit weiter. Wie schön, wenn es dann solche Gläubige wie Timotheus gibt!

Timotheus war wahrscheinlich nicht direkt durch Paulus zum Glauben gekommen. Wenn er ihn ein „echtes Kind im Glauben“ nennt (1. Tim 1,2), dann nicht notwendigerweise deswegen, weil er direkt durch Paulus bekehrt worden ist. Natürlich ist Paulus zumindest indirekt das Werkzeug zu seiner Bekehrung gewesen. Aber er will mit diesem Ausdruck vor allem Folgendes sagen: Timotheus war ein Kind in „sittlicher“ Hinsicht, ein Kind nach dem Geist und der Lehre des Paulus. Er war ihm ähnlich und einer von der Art, wie Paulus es selbst war. Deswegen ist er ein echtes Kind, nicht nur gezeugt durch Paulus wie Onesimus (Phil 10), sondern ein echtes Kind im Glauben, weil er das zeigte, was er von seinem irdischen Lehrmeister gelernt hatte. Insofern können auch wir heute noch echte Kinder des Paulus sein, wenn wir das, was er gelehrt hat, in Treue festhalten.

Treue ist gerade in Tagen der Endzeit ein Charakterzug, der von besonderem Wert ist. Timotheus war Paulus loyal geblieben, als alle anderen in Asien den Apostel verließen. Sie hatten Paulus aufgegeben, Timotheus dagegen stand weiter zu ihm, solange dieser lebte. Ist es nicht auch Treue, wenn man bei dem bleibt, was man gelernt hat? Auch heute noch gibt es solche treuen Brüder.

 

Gnade und Friede

Dann bedient Paulus den Strom der Gnade Gottes. Das lernen wir aus seinem Gruß. Im Allgemeinen lesen wir darüber hinweg, weil wir diese Stellen auswendig kennen, oder weil sie so oder so ähnlich oft vorkommen. Ich habe für mich die größte Angst gerade bei den Stellen, die ich am besten kenne. Warum? Ich kenne sie ja, wie ich meine. Dann lese ich so leicht darüber hinweg und habe vielleicht überhaupt nicht verstanden, was Gott mir sagen will.

In jedem Brief haben wir den Gruß mit Gnade und Friede. Paulus ist dafür lediglich das Instrument Gottes, denn die Gnade ist nicht seine Gnade, sondern Gottes Gnade. Paulus bedient bloß den Strom. Wie schön, wenn es auch heute noch Brüder gibt, die den Reichtum der Gnade Gottes einfach weitergeben, es möglich machen, dass er fließen kann durch diesen Dienst.

Gnade ist Liebe, die wir nicht verdient haben. Sie ist ein Wesenszug Gottes, der Seiner Liebe entspringt. Keiner von uns kann auch nur einen Tag oder eine Stunde ohne die Gnade gehen. Als ich jünger war, habe ich gesagt: keine Woche. Als ich ein bisschen älter wurde, habe ich gesagt: Keinen Tag geht das. Heute sage ich: keine Stunde. Vielleicht gibt es noch ältere Brüder, die sagen: keine Minute. Es gibt tatsächlich keinen Augenblick, an dem wir die Gnade Gottes entbehren könnten. Und je größer die Probleme sind, je tiefer die persönliche Not, je schlimmer die Krankheit, umso mehr empfinden wir die Notwendigkeit dieser Gnade.

Ich bin überzeugt, dass wir alle diese Gnade jeden Tag brauchen. Was mich so glücklich macht, ist, dass Gottes Wort sagt, dass uns diese Gnade jederzeit angeboten wird und zur Verfügung steht. Eigentlich handelt es sich ja um einen Gruß von Paulus. Aber es ist letztlich ein Gruß und Segen von Gott selbst. Paulus schreibt diese Worte als von Gott inspiriert. Das war nicht nur der persönliche Wunsch des Paulus. Nein, Gott möchte, dass diese Gnade von uns mehr genossen und gekannt wird.

Das Ergebnis der Gnade ist immer Friede. Ich kenne keine Stelle, wo wir die umgekehrte Reihenfolge finden: Friede und Gnade. Nein, Friede ist das Ergebnis und die Folge der Gnade. Wenn Gott uns seine Liebe zuwendet, in welcher Form auch immer wir sie nötig haben, ist das Ergebnis Friede. Er ist der Gott aller Gnade, es gibt kein Bedürfnis, das nicht durch Gott gestillt werden könnte ... Es ist eine wunderschöne Erfahrung, sich mit Gott in Übereinstimmung zu wissen. Und auch wenn man nicht immer verstehen kann, warum Er es jetzt gerade so macht, ist doch Friede das Ergebnis. Wo Gott also gnädig eintritt, ist Friede die Folge.

Umgekehrt ist es wie ein Ring, der sich schließt: Wenn ich den Frieden Gottes genieße, das wird jeder von uns bestätigen können, habe ich auch wieder ein gestiegenes Bewusstsein der Gnade. Das eine befruchtet das andere. Aber der Ursprung und die Quelle ist Gott in seiner Gnade.

Der Nachsatz „und dem Herrn Jesus Christus“ fehlt in manchen guten Handschriften, ist aber sicherlich völlig der Wahrheit entsprechend. Denn die Gnade findet im Herrn Jesus Christus ihren höchsten Ausdruck. Ich würde nicht wagen zu sagen, dass der Herr Jesus nur das Instrument wäre. Nein, Er ist zusammen mit dem Vater die Quelle.