Bibelstudium

Das Gesetz, Teil 4 - die Lebensregel für Christen?

In den bisherigen drei Folgen haben wir gesehen, dass der Christ nicht unter Gesetz ist und dass das Gesetz nicht seine Lebensregel ist, sondern dass das Lebensprogramm des Christen ist: „Leben wie Christus“, in dem Bewusstsein, dass Christus mein Leben ist. Worin unterscheidet sich nun mein Christenleben von dem Leben eines Menschen unter Gesetz? Was ist grundsätzlich anders bei einem Christen, der nach Gottes Wort durch die Gnade leben will „wie Christus“, als bei einem Juden unter dem Gesetz vom Sinai, oder bei irgendeinem Gläubigen, der sich unter ein Gesetz stellt? Ein paar Schlaglichter dazu:

 

1. Der Grundsatz: Freiheit statt Knechtschaft

Das Gesetz bedeutete Knechtschaft, das Kennzeichen des Christen ist seine Freiheit (Gal 4,25.26). Einige Kernaussagen dazu sind:

  • Für die Freiheit hat Christus uns frei gemacht (Gal 5,1), wir  sind zur Freiheit berufen (V. 13).
  • Wo der Geist des Herrn ist, ist Freiheit (2. Kor 3,17).
  • Freiheit ist ein Kennzeichen der Kinder Gottes – jetzt und in  der Zukunft (Röm 8,15.21).

Der Gegensatz zur Freiheit ist Bindung. Der von neuem geborene Christ ist nicht nur von der Bindung an Satan und die Sünde frei geworden. Er ist auch frei vom Gesetz. Dass der Christ „für die Freiheit frei gemacht“ ist, bedeutet, dass die Freiheit des Christen selbst ein Ziel Gottes ist (und nicht nur Mittel zum Zweck). Die Freiheit will gelebt werden. Der Christ soll deshalb alles vermeiden, was ihn in die alten Bindungen zurückbringt oder was seine Freiheit sonst in unbiblischer Weise einschränkt (etwa sich an die Welt anzugleichen, vgl. Röm 12,1.2).

Die christliche Freiheit hat eine Zielrichtung: Gott zu verherrlichen. Ich bin jetzt frei, für Ihn zu leben und in allem seinen Willen zu tun. Das ehrt Ihn, es ist gut für mich, und es ist gut für andere. Damit ist auch klar, dass die Freiheit nicht„zu einem Anlass für das Fleisch“ missbraucht werden darf, indem man sich von Gottes Willen löst und nach seinen eigenen – fleischlichen – Wünschen und Zielen lebt (Gal 5,13).

So weit der Grundsatz – wie sieht es in der Praxis aus?

 

2. Die Praxis (1): Prüfen und Erkennen

Praxis  Im Gesetz waren viele Lebensbereiche straff geregelt. Der Jude durfte in diesen Punkten nicht seinen eigenen Weg finden, Gott zu gefallen – ihm war genau vorgeschrieben, was er zu tun und zu lassen hatte.

Auch der Christ zeichnet sich durch Gehorsam aus. Ihm ist die Aufforderung, Gebote zu„halten“ und zu„tun“, wie der Jude sie kannte (lies z. B. 5. Mo 8 ff.), nicht fremd (vgl. Joh 14,21; 15,10; 1. Joh 2,3.4) – das haben wir im vorigen Beitrag gesehen. Das Neue Testament ist jedoch kein Katechismus, der konkrete Antworten auf jede einzelne Frage bietet. Erst recht findet man keine direkte Antwort in der Bibel auf Fragen zum Finden des Ehepartners oder eines Arbeitsplatzes, zu größeren oder kleineren Anschaffungen, zu einem Dienst für den Herrn oder wenn man in Problemen steckt, für die man eine Lösung sucht. Deshalb liegt der Akzent für Christen zusätzlich darauf, Gottes Willen in seinem Wort zu „erkennen“ und zu „prüfen“:

  • Wir möchten erfüllt sein mit der Erkenntnis von Gottes Willen, „um würdig des Herrn zu wandeln zu allem Wohlgefallen, in jedem guten Werk Frucht bringend und wachsend durch die Erkenntnis Gottes“ (Kol 1,10 f.). Frucht für Gott, geistliches Wachstum, ein Lebenswandel, der Gott gefällt – all das hängt davon ab, dass wir„erfüllt sind mit der Erkenntnis von Gottes Willen“. Das ist ein Merkmal der Stellung des Christen als „Sohn Gottes“, der Gottes Willen und Gott selbst erkennt (Gal 3,23 ff.).
  • Dazu müssen wir prüfen, was der gute und wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist (Röm 12,2). „Prüfen“ ist kein bloßes Befolgen gesetzlicher Regeln, sondern eine Untersuchung des Wortes Gottes unter Gebet, damit Er uns seinen Willen zeigen kann.

Gottes Willen aus seinem Wort zu erkennen ist also ein „Übungsstück“. In Punkten, für welche die Bibel keine ausdrücklichen Vorgaben macht, können verschiedene Christen – auch im Bemühen, den Grundsätzen und dem Geist der Schrift zu folgen – zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, und diese dürfen auch durchaus nebeneinander bestehen bleiben – ein jeder steht oder fällt seinem eigenen Herrn (vgl. z. B. Röm 14,4).

 

3. Die Praxis (2): Abhängigkeit und Geistesleitung

Ein zweiter praktischer Unterschied zum Juden unter Gesetz ist, dass der Christ den Heiligen Geist in sich wohnen hat und von Ihm geleitet wird:

  • „So viele durch den Geist geleitet werden, diese sind Söhne  Gottes“ (Röm 8,14). Söhne Gottes erkennt man daran, dass sie seinen Willen erkennen und sich von seinem Geist leiten lassen.
  • „Wenn ihr aber durch den Geist geleitet werdet, so seid ihr nicht unter Gesetz“ (Gal 5,18.22 ff.). Nicht das Gesetz mit seinen Geund Verboten ist die Richtschnur des Christen. Es kann ihm auch keine Kraft geben. Nein, der Geist Gottes leitet ihn. Wie das geschieht? Er benutzt das Wort Gottes, um uns seinen Willen und seine Gedanken bekannt zu machen. Und Er schenkt die Kraft, in der jeweiligen Situation danach zu leben, so dass Gott geehrt wird.

Die Leitung des Geistes ist ein Kennzeichen des Christen und gerade ein erklärter Gegensatz zum Gesetz (Gal 5,18). Das gilt für die richtige Erkenntnis von Gottes Gedanken im Allgemeinen, wie auch für Entscheidungen im Einzelfall.

Die Beziehung des Christen zu Gott ist: Abhängigkeit. Er lebt diese Beziehung aus, wenn er Ihm durch den Geist dient, sich von Ihm regieren lässt und sich bewusst ist, dass er alles durch den Herrn Jesus bekommen hat und bekommt. Im Gegensatz dazu steht der, der auf seine natürlichen Fähigkeiten und Kenntnisse, seinen Eifer oder gesetzliche Vorschriften vertraut (Phil 3,3). Die Leitung des Geistes kann ich durch nichts anderes ersetzen – das wäre Unabhängigkeit; nicht dadurch, dass ich so klug, geistlich oder erfahren bin; nicht dadurch, dass die Entscheidung vorteilhaft, vernünftig oder zweckmäßig ist; nicht dadurch, dass alle es so machen (oder umgekehrt: dass alle es anders machen). Geistlichen Rat werde ich berücksichtigen – aber letztlich hängt meine Entscheidung davon ab, was ich im Gebet und anhand von Gottes Wort als den Willen Gottes erkenne.

 

4. Die Folge: Freude statt Frust

Wenn man versucht, Gottes Willen zu erkennen und sich vom Geist Gottes leiten zu lassen, bewirkt das Freude.

Die christliche Freude findet man „in dem Herrn“ (Phil 3,1; 4,4), nicht darin, dass man das Gesetz befolgt. Kein Mensch, auch kein Gläubiger, kann das Gesetz in allen Punkten befolgen. Auch an sich selbst oder von Dritten auferlegten gesetzlichen Regeln scheitert man regelmäßig. Gesetzesgehorsam oder Gesetzlichkeit kann in vielen Fällen sicherlich eine gewisse Befriedigung geben, aber es handelt sich nicht um die Freude im Herrn, sondern letztlich um eine Befriedigung des Fleisches durch Selbstgerechtigkeit. Und man wird immer wieder die Erfahrung machen: „Nicht das, was ich will, tue ich, sondern was ich hasse, das übe ich aus“ (Röm 7,15). Das ist Frust.

In dem Herrn Jesus gibt es Freude. Wahre Freude findet man, wenn man weiß, dass man vom Herrn Jesus – ohne Werke – angenommen ist und sich mit Ihm in Übereinstimmung befindet. Mein Leben hat dadurch auch eine neue Perspektive: Nicht, was ich für Gott bin, zählt, sondern was Er für mich ist. Das ist die Grundlage dafür, dass ich in dem Herrn Jesus bleiben kann. Freude und Zufriedenheit finde ich mit dem Wunsch zu leben, wie Er gelebt hat.

 

5. Untereinander: Lieben statt Beißen und Fressen

Der Unterschied zwischen einem echten Christenleben und einem Leben nach dem Gesetz lässt sich auch an dem Miteinander unter Glaubensgeschwistern festmachen: Das Halten des Gesetzes fördert eine Richter-Haltung – für Christen geht es dagegen darum, zu lieben.

AllerdingsgabesbereitsimGesetzvomSinaiein„Liebesgebot“. „Das ganze Gesetz ist in einem Wort erfüllt, indem: ‚Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst’“ (Gal 5,14; Röm 13,8). Christen sollen nun aus einer Stellung der Liebe heraus (Eph 1,4) das Wesensmerkmal Gottes, der Liebe ist (1. Joh 4,16), in ihrem Leben zeigen. Das tun sie Ihm gegenüber, gegenüber anderen Kindern Gottes, und gegenüber anderen Menschen, die Gott noch nicht kennen. Im Gegensatz dazu kann eine gesetzliche Haltung im Miteinander dazu führen, dass ich den anderen, der „meine“ Regeln nicht befolgt, fälschlich richte (vgl. Röm 14,3) und man sich gar gegenseitig„beißt und frisst“ (Gal 5,15).

„Liebe“ ist zunächst einmal eine Empfindung, eine Motivation, die sich in meinem Verhalten zeigt2. Wenn ich meinen Mitchristen als Mitbruder oder Mitschwester liebe, dann habe ich ihm gegenüber ein positives, wohlwollendes Empfinden und zeige ihm das auch. Am Beispiel des Herrn Jesus erkennt man den wesentlichen Charakterzug der Liebe: Die Liebe gibt, sie sucht das Beste des anderen, versucht seine Bedürfnisse zu befriedigen (z.B. Eph 5,2). Was sagt die Bibel noch über die Liebe des Christen:

  • Dies ist die Liebe Gottes, dass wir seine Gebote halten (1. Joh  5,3). Die Liebe zu Gott ist eine Empfindung und Haltung, die  sich durch Gehorsam zeigt.
  • Der Glaube muss durch die Liebe wirken (Gal 5,6.13). Diese  Aussage bezieht sich auf den Umgang der Kinder Gottes miteinander und steht im Gegensatz zu gesetzlichen Verhaltensweisen, die bei den Galatern zum „Beißen und Fressen“ wurden (V. 15. 20. 26).
  • Die Liebe des Christus drängt uns auch, die Menschen, die kein Leben aus Gott haben zu überreden, zu Gott zu kommen; ebenso möchten wir die Kinder Gottes überzeugen, für Gott zu leben (2. Kor 5,11–15). Wenn wir bei ihnen eine falsche Lebensausrichtung und Sünde erleben, soll das nicht dazu führen, sie als Personen links liegen zu lassen oder abzulehnen. Wir suchen ihr Bestes und weisen sie auf den Herrn Jesus hin, der sie retten will.

 

Für’s nächste Mal

Kann man über das Thema „Christ und Gesetz“ nachdenken, ohne die Gesetzlichkeit zu erwähnen? Man kann. Wer dem Herrn Jesus in der Kraft der Gnade nacheifert, wird nicht gesetzlich werden. Da braucht man nicht zu wissen, was Gesetzlichkeit eigentlich ist. Und umgekehrt: Wer sich bewusst bemüht, Gesetzlichkeit zu vermeiden, fällt möglicherweise„auf der anderen Seite vom Pferd“ und missbraucht die Freiheit. Wer Gottes„Gebot“ folgt, zu leben wie Christus, wird dies nicht tun. Dennoch soll es im nächsten Heft der Klarheit halber noch kurz darum gehen, was Gesetzlichkeit und Liberalismus – fleischliche Freiheit – sind, warum sie böse und gefährlich sind und wie man sie vermeiden kann.