Bibel erklärt

Was sagt die Bibel über die Versammlung Gottes?

Was verbindet uns als Christen eigentlich miteinander? Brauchen wir außer persönlichen Kontakten auch noch „Gemeinde- oder Versammlungsstunden“? A propos Versammlung: Was für Vorstellungen und Erfahrungen verbinden wir mit diesem Ausdruck?

Wozu gibt es die Versammlung Gottes?

Und kann sie heute noch gelebt werden?

Ist nicht der Rückzug in ein persönliches Leben der Nachfolge die einzig vernünftige Antwort auf die völlige Zersplitterung unter den Christen?

Diese vielen Fragen sollen nicht verunsichern, sondern im Gegenteil motivieren – anregen, die Gedanken Gottes in der Bibel über dieses Thema (neu) kennen zu lernen. Und dann auch auszuleben. Trotz aller Verwirrung und vieler trauriger Dinge, die auch unter Christen vorkommen. Deshalb möchten wir in einer Serie das Thema Versammlung aufgreifen. Ziel ist es dabei, wesentliche Aspekte vorzustellen, die dann natürlich durch persönliches (oder gemeinsames) Bibelstudium vertieft werden sollten. Buchempfehlungen am Ende jedes Teils ergänzen diese Ausführungen.

 

Exkurs zum Wort „Versammlung“

Das griechische Wort „ekklesia“ bedeutet „Volksversammlung“, „Menschenansammlung“, „Gemeindeversammlung“ und kommt im Neuen Testament 114 Mal vor. Neben dem Gebrauch als Bezeichnung für die Versammlung von (freien, männlichen, mindestens 18-jährigen) Bürgern eines griechischen Ortes (zum Beispiel in Apg 19,39) wird „ekklesia“ im NT für die Sammlung aller Gläubigen auf der Erde oder an einem Ort benutzt. In den meisten Bibelübersetzungen wird dieses Wort mit „Gemeinde“ wiedergegeben. Die in dieser Zeitschrift benutzte Elberfelder Bibel übersetzt den Ausdruck mit „Versammlung“. Viele Christen meinen die gleiche Sache, wenn sie von „Kirche“ sprechen. Wichtig ist, dass wir keines dieser Wörter mit einer Gruppenbeschreibung gleichsetzen („wir gehören zur ‚Kirche’, die anderen zur ‚Gemeinde’ und wieder andere (gehen) zur ‚Versammlung’“). Nur dann können wir die biblische Wahrheit über die eine Gemeinde/Versammlung/Kirche Gottes erfassen! Da „Versammlung“ wohl die direkte und einfachste Übersetzung von „ekklesia“ ist, wird in dieser Serie in der Regel dieses Wort benutzt.

 

Persönliche Nachfolge und die Versammlung Gottes

Jeder von uns hat sicher den Wunsch, dem Herrn Jesus in seinem persönlichen Leben täglich nachzufolgen und Ihm zu dienen. Was bedeuten uns darüber hinaus unsere Mitchristen? Sind wir vielleicht viel enger miteinander verbunden, als uns manchmal bewusst ist? Darüber wollen wir in dieser ersten Folge nachdenken.

 

1. Christen sind keine Einzelgänger!

Durch Gottes Gnade kennen wir einen Moment in unserem Leben, in dem wir unsere Sünden dem Herrn bekannt und uns zu Ihm bekehrt haben. Unser Leben hat eine entscheidende Wende erhalten, die ewige Folgen haben wird. Herrlich, dem Herrn für diese Errettung immer wieder zu danken!

Als – natürliche – Folge dieses Ereignisses haben wir jetzt den Wunsch, dass in der Familie, am Arbeitsplatz, im Kontakt mit Nachbarn und Bekannten das neue, ewige Leben in uns auch neue Maßstäbe zur Geltung bringt. Und der Heilige Geist, der nun in uns Christen wohnt (1. Kor 6,19), schenkt uns auch die Kraft, diesen neuen Maßstäben zu entsprechen.

Meistens leben in unserer Umgebung auch andere Christen. Zu ihnen fühlen wir uns sofort hingezogen. Unsere alten Freunde werden zwar kaum verstehen, warum wir jetzt an allen möglichen „coolen“ Dingen kein Interesse mehr haben. Aber der Kontakt mit Mitchristen wird uns das Besondere des Christseins zeigen – und alles andere daneben blass erscheinen lassen. Jedenfalls sollte es so sein.

Was verbindet uns eigentlich mit diesen Christen? Es ist eindeutig das gemeinsame Interesse an der Bibel, am Evangelium und natürlich ganz besonders am Herrn Jesus Christus. Mit Freude können viele Stunden gemeinsam verbracht werden. Und wenn diese Gemeinsamkeiten in den Hintergrund treten, wenn uns (oder den anderen) das weniger interessiert? Oder, wenn wir überhaupt keine Sympathien für diese manchmal „komischen“ Mitchristen finden können? Kann man sich dann als Christ „seine“ Mitgeschwister selbst aussuchen? Ein Text aus dem Epheserbrief kann uns vielleicht helfen, zu erkennen, wie wir mit unseren Mitgeschwistern verbunden sind.

 

2. Versammlung Gottes bedeutet mehr als eine Sammlung treuer Leute.

In Ephesus hatten sich viele Menschen zum Herrn bekehrt, ihre bisherigen Gewohnheiten konsequent abgelegt und ein neues, Ihm geheiligtes Leben begonnen (siehe Apg 19,18-20). Diesen Gläubigen zählt Paulus in seinem Brief zunächst eine Reihe von persönlichen Segnungen auf, die sie als Christen erhalten haben (Eph 1,3-14). Doch dann zeigt er ihnen im zweiten Kapitel, wie sie zugleich auch in einer einzigartigen, neuen Weise als Gläubige aus Juden und Heiden zu einem ganz neuen Organismus zusammengefügt wurden. In einer Art „Fünf-Sprossen-Leiter“ wird uns diese Wahrheit entfaltet:

2.1 „Ihr seid durch das Blut des Christus nahe geworden“ (Eph 2,13).

Das Blut des Christus hat uns von unseren Sünden gewaschen und uns in Gottes Nähe gebracht. Es ist die Basis für die vertikale (senkrechte) Verbindung zu Gott. Doch auch die Horizontale (Waagerechte), die Verbindung zwischen Menschen, hat durch Gottes Gnade eine Veränderung erfahren:

2.2 „Christus hat aus beiden eines gemacht“ (2,14).

Die alte (von Gott verordnete) „Mauer“ zwischen Juden und Heiden ist durch das Werk am Kreuz abgebrochen worden. Gläubige auf beiden „Seiten“ der Mauer bilden jetzt eine Einheit. Und so gehören auch jetzt alle Gläubigen aus allen Völkern zusammen, sie haben die gleiche Errettung erfahren, das gleiche neue Leben erhalten! Paulus erklimmt noch eine weitere Sprosse:

2.3 Gläubige aus Juden und Heiden sind „zu einem neuen Menschen“ geschaffen (2,15).

Hier wird schon eine viel engere Verbindung gezogen: Wir  sind nicht nur eins gemacht, sondern auch ganz eng verbunden, zu einem neuen Menschen geworden, das ist Christus, dargestellt in allen Christen zusammen. Die vielen Unterschiede des alten Menschen (national, sozial, religiös) weichen der neuen Unterschiedslosigkeit des neuen Menschen. Man spürt förmlich die Intensität dieser Beziehung! Und doch setzt Paulus seine „Leiter“ fort:

2.4 Beide Gruppen von Menschen sind „in einem Leib“ mit Gott versöhnt worden“ (2,16).

Durch das Werk am Kreuz sind wir „in einem Leib“, d.h. mit dem Ziel, den einen Leib zu bilden, mit Gott versöhnt worden. Glieder an einem Körper sind so eng miteinander verbunden (und aufeinander angewiesen!), dass eine Trennung immer ein Absterben des jeweiligen Gliedes bedeuten muss. Wir dürfen dem Herrn täglich dafür danken, dass Er uns so eng miteinander „verkettet“ hat, dass jetzt alle Gläubigen zusammen eine untrennbare Einheit bilden! Und dann erfahren wir noch etwas von dem reichen Segen, den wir als Gläubige gemeinsam empfangen:

2.5 Wir sind jetzt „Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes“ (2,19).

Erlöste Menschen haben ein gemeinsames Bürgerrecht, gleiche Interessen, und sie wohnen zusammen mit Gott, dem Heiligen Geist (1. Kor 3,16) in seinem Haus (Eph 2,22). Das ist die höchste „Sprosse“ dieser Segensleiter: Gemeinschaft mit Gott in seiner unmittelbaren Gegenwart!

Christen sind also durch das Blut des Christus erlöst und haben persönliche Segnungen. Und doch sind sie zugleich auf einmalige Weise auch gemeinsam gesegnet. Das geht weit über ein „lockeres Miteinander“  von Gleichgesinnten, wie zum Beispiel in einem Verein, hinaus. Und es übertrifft auch bei weitem die Intensität der Einheit im Volk Israel zur Zeit des Alten Testaments. Ist das nicht Ansporn, das Thema „Versammlung Gottes“ weiter  zu untersuchen und diese Wahrheit zum gemeinsamen und persönlichen Segen auszuleben?! Deshalb wollen wir noch kurz drei grundlegende Fragen behandeln, deren Beantwortung uns einen ersten Umriss zum Thema „Versammlung Gottes“ gibt.

 

3. Seit wann gibt es die Versammlung Gottes?

Der Herr Jesus sagt in Matthäus 16,18: „Auf diesen Felsen [d.i. Christus als Sohn des lebendigen Gottes] werde ich meine Versammlung bauen“. Er spricht also von einem zukünftigen Bauen. Damit ist klar, dass es die Versammlung bis zu diesem Augenblick noch gar nicht gab. Paulus zeigt in Epheser 3, dass die Versammlung zu den verborgenen Plänen Gottes gehörte, die Er erst durch die Apostel und Propheten des Neuen Testaments offenbart hat. Damit scheidet der oft gehörte Gedanke einer „Kirche seit Adam“ eindeutig aus.

Begann die Existenz der Versammlung dann vielleicht mit der Berufung der Jünger? Nein, der Herr Jesus hatte aber bereits in den Evangelien ein umwälzendes Ereignis angekündigt, das nach seiner Auferstehung und Himmelfahrt stattfinden würde (siehe z.B. Joh 7,39): das Kommen des Heiligen Geistes und sein Wohnen in den Gläubigen (Joh 14,16).

Und dieser Heilige Geist kam Pfingsten auf eindrucksvolle Weise auf die Erde, wie es in Apostelgeschichte 2 beschrieben wird:

- Er erfüllte das ganze Haus (ein Hinweis auf das Wohnen des Heiligen Geistes in der Versammlung Gottes, siehe 1. Kor 3,16).

- Die zerteilten Zungen von Feuer setzten sich auf jeden Einzelnen von ihnen (ein Hinweis auf das Wohnen des Heiligen Geistes in jedem Gläubigen persönlich, siehe 1. Kor 6,19).

1. Korinther 12,13 kann vielleicht als eine Art Geburtsurkunde der Versammlung Gottes bezeichnet werden: „In einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden“. Zu dem Zeitpunkt, als der Heilige Geist auf die Erde kam und in den damaligen Gläubigen insgesamt und in jedem einzelnen Wohnung nahm, begann die Versammlung Gottes.

 

4. Wer gehört eigentlich zur Versammlung Gottes?

Diese Frage wird von Christen durchaus unterschiedlich beantwortet: „Alle getauften Menschen“, oder „alle Christen in ‚meiner’ Gemeinde“ – das sind einige der landläufigen Meinungen zu diesem Thema. Die Beantwortung dieser und der soeben erörterten Frage gehört eigentlich zusammen, denn in gewisser Hinsicht ist 1. Korinther 12,13 auch hier die entscheidende Textstelle: Jeder, der „mit einem Geist getränkt“ wird, wird dieser Versammlung Gottes hinzugefügt. Wann geschieht das? In Epheser 1,13 gibt Paulus die Antwort: Jeder, der das Evangelium der Errettung geglaubt hat, wird mit dem Heiligen Geist versiegelt (s.a. Gal 3,2). Der Geist Gottes wohnt dann in jedem Glaubenden (siehe wieder 1. Kor 6,19).

Weder eine äußere Handlung wie Taufe oder Abendmahl noch eine Mitgliedschaft in einer örtlichen oder nationalen Gemeinde oder Kirche berechtigen also zu der Annahme, zur Versammlung Gottes zu gehören. Nicht mehr und auch nicht weniger als alle wahrhaft an den Herrn Jesus Christus Glaubenden bilden zusammen die Versammlung in ihrem weltumspannenden Aspekt (Eph 4,4).

 

Exkurs: Gehören die Gläubigen aus der Zeit des Alten Testaments auch zur Gemeinde (Versammlung) Gottes?

Wie steht es dann mit den treuen Gläubigen aus der Zeit des Alten Testaments? Der Geist Gottes wirkte zu allen Zeiten in Gläubigen wie zum Beispiel in David (2. Sam 23,2), aber an keiner Stelle im Alten Testament wird gesagt, dass Er in jemandem bleibend wohnte. Warum? Weil sie zwar die Vergebung der Sünden hatten (vgl. Röm 3,26), sich jedoch nicht der bewussten, ewigen Sündenvergebung und Gotteskindschaft erfreuen konnten. Das aber kennzeichnet jemand, in dem der Geist Gottes wohnt (vgl. Röm 8,16)! Wenn wir dann noch bedenken, dass der Heilige Geist ja auch noch gar nicht in Person auf die Erde gekommen war (siehe Punkt 3.), ist klar, dass die Gläubigen des Alten Testaments nicht zur Versammlung Gottes gehören können. Das gilt dann sogar noch in Bezug auf den in letzter Minute bekehrten Räuber am Kreuz (Lk 23,39-43): Er erfuhr die großartige Gnade Gottes und war am selben Tag mit Christus im Paradies, aber er war nie Glied am Leib Christi.

Als Zusammenfassung können uns drei wichtige Aussagen zu diesem Thema helfen, diesen Fragenkomplex besser zu verstehen:

  • Jeder, der sich jetzt zum Herrn bekehrt und an das Evangelium glaubt, gehört zur Versammlung Gottes.
  • Die Gläubigen des Alten Testaments, aber auch die Jünger bis zum Kommen des Heiligen Geistes, gehörten nicht zur Versammlung Gottes. Diese bestand bis dahin auch noch gar nicht.
  • Taufe, Mitgliedschaft in einer Versammlung (Gemeinde oder Kirche) oder die Teilnahme am Abendmahl sind keine Kriterien, die eine Zugehörigkeit zur Versammlung Gottes, der „Sammlung” aller in dieser Zeit bekehrten Personen, beweisen.

 

5. Der Herr Jesus hat äußerstes Interesse an der Versammlung – und wir?

Als Jünger des Herrn Jesus haben wir den Wunsch, seinen Willen zu tun und uns für das zu interessieren, was für Ihn wichtig ist. Und wie wichtig ist Ihm die Versammlung Gottes?

  • Der Herr Jesus hat „die Versammlung geliebt und sich selbst für sie hingegeben” (Eph 5,25).
  • Er kümmert sich permanent um die Versammlung, Er „nährt und pflegt” sie (Eph 5,29).
  • Als verherrlichter und erhöhter Herr hat Er der Versammlung dazu Gaben (Evangelisten, Hirten, Lehrer) gegeben, und zwar „zur Vollendung der Heiligen, für das Werk des Dienstes, für die Auferbauung des Leibes Christi” (Eph 4,11.12).
  • Er möchte in den Zusammenkünften der Gläubigen als Versammlung persönlich „in ihrer Mitte” sein (Mt 18,18-20).

Ist das nicht Anlass genug, sich mit diesem großartigen Thema der Versammlung Gottes weiter intensiv zu beschäftigen, anstatt Verlust zu erleiden, wenn wir es „links liegen lassen“? Wenn es dort um den Herrn Jesus selbst geht und Er als Haupt des Leibes, der Versammlung, alles lenken will, dann dürfen wir sicher sein: Wir werden reich gesegnet werden!

 

Im nächsten Heft: Folge 2:

In welche Kirche gehst Du eigentlich?

Buchempfehlungen:

Ladrierre, A. und Gschwind, W.: Die Versammlung Gottes – einst und jetzt (Zürich, 1979) 55 Seiten, € 3,10 (Kurz und übersichtlich, zum Einstieg besonders gut geeignet)

Steidl, G.: Wohl zusammengefügt und verbunden (Hückeswagen, 1990) 96 Seiten, € 2,50 (Schwerpunkt: die praktische Seite des Versammlungslebens, mit anschaulichen Graphiken)

Briem, Chr.: Da bin ich in ihrer Mitte (Hückeswagen, 1989) 416 Seiten, € 9,50 (Gesamtdarstellung des Themas; übersichtlich, gut gegliedert und sehr verständlich geschrieben, mit ausführlichem Stichwortund Schriftstellenverzeichnis).

Alle Bücher können beim Herausgeber von Folge mir nach oder direkt über www.folgemirnach.de bestellt werden.