Streiflichter aus 2000 Jahren Kirchengeschichte - Evangelisation in nachapostolischer Zeit

Streiflichter aus 2000 Jahren Kirchengeschichte - Evangelisation in nachapostolischer Zeit -

Die Apostel, sowohl die Zwölfe als auch Paulus, aber auch andere (Stephanus, Philippus usw.) predigten freimütig das Wort Gottes öffentlich, nicht zuletzt auch unter freiem Himmel (z.B. Apg. 17). Diese Verkündigungsform verschwindet jedoch mehr und mehr in der nachapostolischen Zeit. Was ist der Grund dafür?

Die religiöse Situation im römischen Reich sah wie folgt aus: Die Römer und alle übrigen Völker des Reiches waren religiöse Pluralisten, sie erkannten ihre verschiedenen Götter gegenseitig an. Nur die Juden lehnten den offiziellen Staatskult ab und duldeten keine bildliche Darstellung ihres Gottes. Dadurch wurden sie zu Menschen ,,zweiter Klasse". Aber man duldete ihre Religion noch. Immerhin kannte ihre Religion ja das Opfern von Tieren. Die Römer sahen sich also als das „genus primum"1, die Juden jedoch als das „genus alterum"2. - Im ersten Jahrhundert hielt man die Christen noch allgemein für eine jüdische Sekte. Etwa um 100 nach Christus wurde für die römischen Behörden jedoch zunehmend deutlich, dass die Christen keine jüdische Sekte sind, sondern einem neuen Glauben anhingen. Sie verweigerten nicht nur die göttliche Verehrung des Kaisers, sondern lehnten auch den Opferritus ab. Die Christen wurden daher das „genus tertium"3, sozusagen Menschen „dritter Klasse". Ab dieser Zeit steht Christsein unter Todesstrafe. Das bedeutet: Öffentliche Evangelisation, gar auf Plätzen, ist unmöglich geworden. Wie soll jetzt die Botschat vom Kreuz weitergetragen werden?

Missionar wider Willen

So erstaunlich es auf den ersten Blick erscheinen mag: Der römische Staat wurde somit, ohne es zu wollen, zum größten Helfer in der Ausbreitung des Evangeliums, und zwar durch die Christenverfolgungen. Dadurch lenkte er die Aufmerksamkeit auf die Christen. Die Prozesse gegen die Christen wurden zu öffentlichen Schauveranstaltungen. Der Staat verfolgte dabei die Absicht, den Christen Glauben als unsinnig und töricht darzustellen, sowie eine abschreckende Wirkung auszulösen. Doch das Ergebnis war ein anderes. Die christlichen Märtyrer, die ihre Folterknechte und Henker segneten und mit Lobgesängen in den Tod gingen, beeindruckten viele Menschen. Tertuillian4 schreibt um das Jahr  200: „Wir werden zahlreicher, sooft wir von euch dahingemäht werden. Das Blut der Christen ist der Same der Kirche"5. Es stellte sich heraus, dass Märtyrer die besten Missionare sind. Sie legen vor dem Richter und der Öffentlichkeit ihr Zeugnis ab und besiegeln dies sozusagen mit ihrem Blut. Auch hier kann man das Wort Josephs anwenden: „Ihr zwar, ihr hattet Böses wider mich im Sinn; Gott aber hatte im Sinn, es gut zu machen" (1.Mose 50,20)

Christen sind anders

Auch ohne die staatliche Verfolgung zogen die Christen die Aufmerksamkeit ihrer Mitmenschen auf sich. Ihr Lebensstil war anders als der ihrer Zeitgenossen. Die Frauen der Christen schminkten sich nicht wie die Heidinnen. Sie verzichteten darauf, sich modisch herauszuputzen. Die Christen nahmen schlichte Mahlzeiten ein und dankten Gott für die Speisen. Dies musste in einer Zeit, die durch Gelage und Orgien geprägt war, Erstaunen auslösen. Im Theater und bei den Zirkus- spielen suchte man die Christen vergebens. Außerdem verwarfen die Christen, die in der damaligen Gesellschaft akzeptierten Abtreibungen, Kinderaussetzungen, Betrug, Homosexualität und andere Formen der Sittenlosigkeit.

Andererseits kümmerten sich die Christen um ihre gefangenen Glaubensgeschwisterin den Bergwerken. Die Gemeinden versorgten die Armen und Witwen. Als um das Jahr 200 in Alexandria die Pest ausbrach, waren die Christen die einzigen, die nicht flohen und die auch die Toten beerdigten. Bischof Dionys schrieb 20 Jahre später über diese Zeit:

„Die meisten unserer Brüder schonten aus großer Nächstenliebe ihre eigene Person nicht und hielten fest aneinander. Furchtlos besuchten sie die Kranken, bedienten sie sorgfältig, pflegten sie um Christi willen und schieden freudigst zugleich mit ihnen aus dem Leben ... Ja, viele starben selbst, nachdem sie andern durch die Pflege die Gesundheit wieder verschafft und deren Tod gleichsam auf sich verpflanzt hatten ... Bei den Heiden aber fand gerade das Gegenteilstatt. Sie stießen diejenigen, welche zu erkranken begannen, von sich, flohen von den Teuersten hinweg, warfen die Halbtoten auf die Straße und ließen die Toten unbeerdigt liegen ... Als dies bekannt wurde, pries man den Gott der Christen".6

Der den Christen feindlich gesinnte Kaiser Julian meinte resigniert: Am meisten wurde die Gottlosigkeit (damit meinte er den christlichen Glauben!) gefördert durch die Philanthropie (Menschenfreundlichkeit)in Bezug auf die Fremden und die Fürsorge für die Bestattung der Toten. Laktanz, ein Christ jener Zeit, gibt die Begründung für dieses Handeln: „Wir werden es nicht dulden, dass das Bild und Geschöpf Gottes den wilden Tieren und Vögeln als Beute hingeworfen wird, sondern wir werden es der Erde zurückgeben, von der es genommen ist."

Ein solches Verhalten führte bei den Heiden zu Fragen: Warum hat die Sünde keine Macht über die Christen? Warum können sie so leicht auf die Vergnügungen der Welt verzichten? Viele suchende Menschen gingen daher zu den Gläubigen und fragten sie nach dem Geheimnis ihrer Kraft und ihres Glaubens. So wuchs die christliche Gemeinde trotz des staatlichen Verbots öffentlicher Evangelisation. Daran hatten letztlich alle Christen Anteil. In dieser Zeit galt eine einfache Gleichung: Man ist immer Christ und Zeuge, oder man ist kein Christ.

Und heute?

 

Geliebte. lasst euch das Feuer der Verfolgung unter euch, das euch zur Versuchung geschieht, nicht befremden, als begegne euch etwas Fremdes; sondern insoweit ihr der Leiden des Christus teilhaftig seid, freut euch, damit ihr auch in der Offenbarung seiner Herrlichkeit mit Frohlocken euch freuet. (1.Pet 4,12.13)

 

1 ,,genusprimum" (lat.)- das erste Volk

2 "genus alterum " (lat.)- das andere. zweite Volk

3 "genus terfium" (lat.)-das dritte Volk

4" TertuIIian.lat Kirchenvater aus Karthago, um 150 bis nach 250: schon früh in der Auseinandersetzung gegen gnostische Irrlehrer; seine dogmatischen Schriften zur Verteidigung der christiichen Lehre z. T. erhalten

5 Apologeticum 50. zitiert nach A Siersqn. 2000 Jahre Kirchengeschichte. Band 1

6 Euseb, Kirchengeschichte VII,22 und IX,8 (Eusebius von Cäsarea,griechischer Kirchenlehrer, um 270-339, "Vater der Kirchengeschichte ", verfasste eine zehnbändige Kirchengeschichte von hohem Quellenwert