Bibel praktisch

Ruth - ein Beispiel für uns

Das Buch Ruth erzählt uns die Geschichte einer jungen Frau aus Moab, die mit ihrer Schwiegermutter nach Bethlehem kam. Das zweite Kapitel des Buches zeigt uns Ruth als Ahrenleserin, die mit Fleiß und Einsatz damit beschäftigt war, auf dem Feld des Boas Nahrung zu sammeln.

Die Anwendung für uns liegt auf der Hand. Für unser geistliches Leben und Wachstum als Christen brauchen wir geistliche Nahrung. So wie wir uns im natürlichen Leben ernähren, um ein normales Leben führen zu können, sollten wir es auch im geistlichen Leben tun. Unsere Nahrung ist das Wort Gottes. Wir nehmen es auf, damit es uns prägt.

Die Verse, um die es mir heute geht, lau-ten: „Und sie las auf dem Felde auf bis zum Abend, und sie schlug aus, was sie aufgelesen hatte, und es war bei einem Epha Gerste. Und sie nahm es auf und kam in die Stadt, und ihre Schwiegermutter sah, was sie aufgelesen hatte; und sie zog hervor und gab ihr, was sie übriggelas-sen, nachdem sie sich gesättigt hatte" (Rt 2,17.18).

Bei genauem Hinsehen finden wir sieben Dinge, die Ruth tut und die auch uns etwas zu sagen haben:

 

Sie las auf

Ruth sammelte auf dem Feld des Boas Ähren auf. Es war eine anstrengende Tätigkeit, aber Ruth war vom Morgen bis zum Abend fleißig bei der Arbeit. Im Auflesen der Ahren können wir einen Hinweis auf das Lesen und Hören des Wortes Gottes sehen. Dabei dürfen wir sowohl an das persönliche Lesen der Bibel denken als auch an die Möglichkeit, es gemeinsam in den Zusammenkünften der Gläubigen zu hören. Wenn wir an die Energie und den Fleiß der Ruth denken, stellt sich für uns die Frage, mit welcher Intensität wir Gottes Wort aufnehmen. Kennen wir unsere persönliche „stille Zeit" - besonders am Morgen, aber auch zu anderer Gelegenheit? Besuchen wir regelmäßig die Zusammenkünfte der Gläubigen, wo Gottes Wort gelesen wird? Nutzen wir auch die besonderen Möglichkeiten, die Gott uns gibt, z. B. Bibelvorträge, Bibeltage, Konferenzen, Freizeiten usw.? Gott gibt uns immer wieder Gelegenheiten, um „aufzulesen", und wir sollten sie nicht ungenutzt lassen. Das ist der Anfang zu einem Leben der Frucht für den Herrn.


Sie schlug aus

Mit dem Auflesen allein war es für Ruth nicht getan. Um von den aufgesammelten Ähren auch wirklich Nahrung bereiten zu können, mussten die Ahren ausgeschlagen werden. Es war Nacharbeit erforderlich, um Nutzen zu haben. Bei uns ist es nicht anders. Das Lesen der Bibel allein bedeutet noch nicht automatisch, dass wir auch Nahrung für unser geistliches Leben ha-ben. Wir dürfen über das Gelesene nach-denken, wir dürfen - ähnlich wie die Be-röer es taten - die Schriften „untersuchen". Es geht nicht einfach darum, einen Bibelabschnitt flüchtig zu lesen (vielleicht um eine gewisse „Pflicht" zu erfüllen) oder uns in der Zusammenkunft der Gläubigen einfach etwas „anzuhören" und dann nach Hause zu gehen, sondern es geht darum, dass uns Gottes Wort wirklich zur Nahrung wird. Eine unerlässliche Voraussetzung dazu ist neben dem „Auflesen" das „Ausschlagen"

Zur Nacharbeit des Ausschlagens brauchen wir Ruhe und Zeit. Wenn wir über Gottes Wort nachdenken, etwa über einen Abschnitt, den wir persönlich gelesen ha-ben, oder über das, was wir in der Wortverkündigung gehört haben, dann sollten wir das nicht in Hektik und unter Zeitdruck tun, sondern uns Zeit nehmen.

 

Sie nahm es

Das Sammeln der Ähren und das Ausschlagen hätte für Ruth keinen Sinn gehabt, wenn sie das Epha Gerste nicht auch tatsächlich mit in die Stadt genommen hät-te. Das, was sie gesammelt und ausgeschlagen hatte, war ihr persönlicher Besitz, es „stand ihr zu", und deshalb nahm sie es auch mit.

Auch wir dürfen uns Gottes Wort, wenn wir es lesen und darüber nachdenken, zum persönlichen Besitz machen. Das gilt für jeden Gläubigen im gleichen Maß. Die Bibel ist nicht nur für gereifte und erfahrene Christen da, sondern genauso für junge Leute. Unser Herr möchte, dass uns sein Wort zum persönlichen Besitz wird. Gottes Wort ist reich für alle, die es lesen. Sicher ist es so, dass unsere persönliche Einsicht in die Gedanken Gottes sehr unterschiedlich ist, aber darum geht es hier nicht. Ruth war, wenn wir das Bild auf uns anwenden, eine junge Gläubige. Sie nahm keine ganzen Bündel auf, sondern schlug einzelne Ähren aus. So dürfen wir einzelne Bibelstellen zu uns reden lassen und darüber nachdenken, uns darüber freuen und sie uns zum persönlichen Besitz machen. Wenn wir im Glauben wachsen, werden wir uns darüber hinaus auch mit den Zusammenhängen in Gottes Wort beschäftigen und unsere Freude daran finden, wie einzelne Teile der göttlichen Wahrheit in wunderbarer Weise zusammenpassen und ein harmonisches Ganzes ergeben. Der persönliche „Besitz" den wir uns auf diese Weise „erarbeiten", wird unterschiedlich sein, aber entscheidend ist zunächst, dass wir überhaupt beginnen, etwas für uns persönlich zu besitzen.


Sie kam in die Stadt

Auch diese Einzelheit dürfen wir beachten. Ruth war eine Moabitin, also eine Fremde. Sie lebte in Bethlehem und wurde dort auch als eine Fremde erkannt. Dennoch hatte sie keine Scheu, mit ihrem Epha Gerste in die Stadt zu gehen. Jeder durfte sehen, wo sie gewesen war.

Die Stadt spricht von unseren täglichen Lebensumständen, von unserem Leben in der Gesellschaft, von unserer Tätigkeit im Beruf, von unserer Ausbildung, vom Leben in der Schule usw., von dem Bereich also, wo die Menschen dieser Welt uns sehen und beobachten. Schämen wir uns da nicht manchmal, uns als solche zu erkennen zu geben, denen das Wort Gottes alles bedeutet? Verhalten wir uns nicht manchmal sehr „zwiespältig", d. h. als Sonntags-und Alltagschristen? Sonntags sind wir solche, die in die Zusammenkünfte der Gläubigen gehen, die Gottes Wort hören, aber im Alltag tun wir so, als wenn wir mit der Bibel nichts (oder nur wenig) zu tun hätten?

Joseph von Arimathia war ein Jünger des Herrn Jesus, aber das Neue Testament sagt uns ausdrücklich, dass er aus Furcht vor den Juden ein verborgener Jünger war (Joh 19,38). Er war reich und ein ehrbarer Ratsherr, so dass ihn seine gesellschaftliche Stellung vielleicht daran hinderte, sich offen zum Herrn zu bekennen. Doch der Tag kam, als er alle Furcht fallen ließ und mutig zu Pilatus ging, um nach dem Leib des gestorbenen Heilands zu fragen (Mk 15, 43). Sich zum Wort Gottes und zum Herrn Jesus zu bekennen ist nicht immer ganz einfach, aber es bringt tiefes Glück und Freude ins Herz.


Sie zog hervor

Ruth behielt das, was sie von den gerösteten Körnern übrigbehalten hatte, die Boas selbst ihr gegeben hatte (vgl. V.14), nicht für sich. In der Stadt angekommen, war sie in der Lage, das zu zeigen, was sie in der Gemeinschaft mit Boas, einem Bild unseres Herrn Jesus, an Nahrung empfangen hatte. Mir scheint, dass wir hier für uns die Anwendung machen können, dass wir auch in der Lage sein sollten, Gottes Wort in den Umständen des täglichen Lebens praktisch anzuwenden. Das gilt für uns persönlich, es gilt aber auch im Gespräch mit anderen Menschen, seien es Gläubige oder Ungläubige. Stellen wir uns einmal einige Situationen vor.

  • Wir stehen plötzlich vor einer Entschei-dung, wo wir nicht klar sehen, wiewir uns als Christen zu verhalten haben. Wir haben weder die Zeit, erst in der Bibel zu untersuchen, was Gottes Wort uns sagt, noch haben wir die Möglichkeit, einen anderen Christen zu fragen. In solchen Situationen ist es gut, wenn wir etwas "hervorziehen" können, um so unter der Leitung des Heiligen Geistes eine richtige Entscheidung treffen zu können.
  • Wir kommen plötzlich in eine ganz besondere Schwierigkeit, in der wir nicht mehr aus noch ein wissen. Auf einmal denken wir an ein Bibelwort, das unser persönlicher Besitz geworden ist. Das gibt uns neuen Mut.
  • Wir sind im Gespräch mit einem gläubigen Freund und erkennen auf einmal eine besondere Not. Wie gut, wenn wir dann ein Wort Gottes haben, das helfen kann.
  • Wir reden mit einem ungläubigen Arbeits- oder Schulkollegen, der ernsthafte Fragen über Gott und den Herrn Jesus hat. Wie traurig, wenn wir plötzlich feststellen müssen, dass wir nicht in der Lage sind, entsprechende Stellen aus der Bibel anzugeben, um dem Kollegen zu helfen.

Wir erkennen deutlich, wie wichtig es ist, dass wir je nach Situation und Umfeld fähig sind, aus dem Wort Gottes „hervorzuziehen", um uns selbst oder auch anderen Hilfe geben zu können.

 

Sie sättigte sich

Hier ist das eigentliche Ziel Ruths erreicht. Sie war auf das Feld des Boas gegangen, um Nahrung und Sättigung für sich und für ihre Schwiegermutter zu haben. Alle anderen in diesen Versen bisher beschriebenen Tätigkeiten sind wichtig und haben ihren Wert, aber letztlich führen sie zu diesem Kernpunkt, nämlich der eigentlichen Nahrungsaufnahme.

Auch für uns ist es zentral, dass Gottes Wort für uns wirklich Nahrung wird und wir satt werden. Gottes Wort zu lesen, es zu studieren, es zu kennen und zu besitzen, es anwenden zu können hat in sich selbst nur dann wirklichen Wert, wenn wir es auch in uns aufnehmen und uns sättigen. Der Prophet Jeremia sagt einmal: „Deine Worte waren vorhanden, und ich habe sie gegessen, und deine Worte waren mir zur Wonne und zur Freude meines Herzens" (Jer 15,16). Die Bibel spricht nicht so sehr unseren Intellekt an, sondern unser Herz. Natürlich ist der Verstand das Tor, durch das wir Gottes Wort aufnehmen - sei es visuell beim Lesen oder akustisch beim Hören -, aber entscheidend ist, dass wir Gottes Wort einen Platz in unserem Herzen geben.

Doch sättigen ist mehr als nur essen. Sättigen bedeutet, dass wir unser volles Genü-ge, unsere ganze Befriedigung in dem finden, was Gott uns in seinem Wort sagt. Für unser geistliches Wachstum, für Fortschritte in der Erkenntnis unseres Herrn und Heilands brauchen wir nichts anderes. Gottes Wort gibt uns alles, was nötig ist. Und Gott ist ein Geber, der immer reichlich gibt. Wenn wir geistlichen Hunger leiden, dann liegt es nie an Ihm, sondern immer an uns.


Sie gab ihrer Schwiegermutter

Ruth war nicht egoistisch. Sie behielt nicht alles für sich, sondern sie war bereit, ihrer Schwiegermutter, die selbst nicht mehr auf das Feld gehen konnte, von dem, was sie gesammelt hatte, abzugeben. Der Grundsatz ist einfach zu übertragen: Wer selbst in den Segen und den Genuss dessen gekommen ist, was Gott gibt, der findet Freude daran, es mit anderen zu teilen.

In der Anwendung dürfen wir zunächst an solche denken, die selbst nicht in der Lage sind, auf das „Feld des Boas" zu gehen, um aufzulesen, d. h. Geschwister, die z. B. aus Gründen des Alters oder der Gesundheit die Zusammenkünfte nicht mehr besuchen können oder ihre Bibel nicht mehr lesen können. Sind wir bereit und sind wir in der Lage, ihnen von dem Segen, den wir dort empfangen haben, etwas mitzugeben? Wir dürfen aber auch an andere denken, z.B. an solche, die kein Interesse an den Zusammenkünften haben, die mit fadenscheinigen Entschuldigungen fehlen. Auch für sie dürfen wir etwas haben, damit sie wieder „auf den Geschmack" kommen, damit sie erkennen, was sie versäumen, wenn sie leichtfertig fehlen.

Für Ruth war ihre Tätigkeit auf dem Feld des Boas eine wichtige Voraussetzung, Boas selbst näher kennenzulernen. Wäre sie nicht auf seinem Feld gewesen und hätte sie dort nicht fleißig gearbeitet, so wäre sie nie die Frau des Boas geworden. So dient auch die oben beschriebene Tätigkeit dem großen Ziel, dass wir den Herrn Jesus immer besser kennenlernen. Es geht dar-um, in der Erkenntnis seiner herrlichen und großartigen Person zu wachsen und Ihm immer ähnlicher zu werden. Das ist Gottes Ziel mit deinem und meinem Leben.