Glaube im Alltag

Das öffentliche Gebet - Eine Sache nur für die älteren Brüder?

Paulus schreibt im 1. Brief an Timotheus: „Ich will nun, dass die Männer an jedem Ort beten“ (1. Tim 2,8). Aber meint er damit mich? – Ein paar Ermunterungen (nicht nur) für junge Brüder zu diesem Thema …

 

Wer soll öffentlich beten?

Klare Antwort Gottes auf die Frage, wer beten soll: die Männer[1]. Das meint eben nicht Frauen (vgl. 1. Kor 14,34), aber auch nicht Kinder und auch nicht ausschließlich ältere Männer. Zur Zeit des Alten Testamentes war es so, dass alle Männer über 20 Jahren Kriegsdienst verrichten sollten (4. Mo 1,3) und ab einem Alter von 25 Jahren sollten junge Leviten in den Dienst am Heiligtum eintreten (4. Mo 8,24). Nun leben wir als gläubige Christen in der Gnadenzeit nicht unter Gesetz. Aber der Grundsatz von damals gilt heute immer noch. Und der lautet: Jeder Mann hat den Auftrag und die Verantwortung, sich zum Wohl des Volkes Gottes einzusetzen. Wenn du also ein erwachsener gläubiger Mann bist, der dem Herrn folgen und dienen möchte und seinem Wunsch nachkommst, den Tod des Herrn an seinem Tisch zu verkünden, dann geht der Auftrag Gottes genau an dich.

 

Was beten?

Gebete sind in ihrem Inhalt grundsätzlich nicht beschränkt. Es sollten jedoch Anliegen sein, zu der die ganze Versammlung „Amen“ sagen kann. Der Herr Jesus selbst sagt im Hinblick auf das gemeinsame Gebet als Versammlung: „Wenn zwei von euch auf der Erde übereinkommen werden über irgendeine Sache, welche sie auch erbitten mögen, so wird sie ihnen zuteilwerden von meinem Vater, der in den Himmeln ist“ (Mt 18,19). Und von der ersten gemeinsamen Gebetsstunde, die uns in der Bibel berichtet wird, lesen wir: „Sie [die Gläubigen in Jerusalem] erhoben einmütig ihre Stimme zu Gott“ (Apg 4,24).

In 1. Timotheus 2,1 werden wir ermahnt, dass „Flehen, Gebete, Fürbitten, Danksagungen getan werden für alle Menschen, für Könige und alle, die in Hoheit sind …“. Auch wenn sich diese Stelle nicht ausschließlich auf das öffentliche Gebet bezieht, kann man sie sicher auch darauf übertragen. Das thematische Feld der Gebetsanliegen ist also sehr weit.

 

Wie beten?

Nach Apostelgeschichte 12,5 betet die Versammlung. Und zur Versammlung Gottes gehören nur solche, die an das Erlösungswerk von Golgatha glauben. Das heißt, es beten erlöste Menschen – Männer, die „heilige Hände aufheben“ und „ohne Zorn und zweifelnde Überlegungen“ beten (1. Tim 2,8). Was bedeutet das konkret?

  • „Heilige Hände aufheben“ heißt, dass wir getrennt von Sünde sein sollen. Wir können nicht Sünde in unserem Leben dulden und gleichzeitig öffentliche Gebete sprechen, zu denen die Versammlung ihr „Amen“ sagen möchte. Ich darf als Bruder weder Sünde in meinem persönlichen Leben noch in meinen gemeinschaftlichen Verbindungen dulden. An aufgehobenen Händen kann jeder erkennen, ob sie verunreinigt sind. Jeder Bruder also, der öffentlich betet, steht unter der besonderen Beurteilung der Versammlung.
  • Ohne Zorn: Zorn ist das Gegenteil von Sanftmut und wird in Epheser 4,31 in einem Atemzug mit Bitterkeit, Wut, Geschrei, Lästerung und Bosheit genannt. Im Duden wird Zorn als „heftiger, leidenschaftlicher Unwille über etwas, was jemand als Unrecht empfindet oder was seinen Wünschen zuwiderläuft“ definiert. Das alles hat verständlicherweise beim Beten keinen Platz. Das öffentliche Gebet ist nicht dazu da, den Mitgeschwistern „die Meinung zu sagen“. Das Kennzeichen der Gebetsstunde muss dagegen – wie schon gesagt – Einmütigkeit sein. „Sie aber … erhoben einmütig ihre Stimme zu Gott“ (Apg 4,24; vgl. Röm 15,5.6).
  • Ohne zweifelnde Überlegungen: Wenn wir im Gebet mit konkreten Bitten zu Gott kommen, müssen wir den festen Glauben haben, dass Er alles kann. Jakobus schreibt dazu: „Er bitte aber im Glauben, ohne irgend zu zweifeln; denn der Zweifelnde gleicht einer Meereswoge, die vom Wind bewegt und hin und her getrieben wird. Denn jener Mensch denke nicht, dass er etwas von dem Herrn empfangen wird“ (Jak 1,6.7). Ob das vielleicht ein Grund ist, warum Gott manche unserer Bitten nicht erhören kann?

 

Ja, aber …

Wir haben gesehen, dass die Männer gefragt sind. Und wenn du dazugehörst, fühlst du dich gewiss angesprochen. Aber es könnte sein, dass du noch (durchaus nachvollziehbare) Einwände gegen eine Beteiligung in der Gebetsversammlung hast. Vielleicht sagst du: „Ja, aber …

 

… ich kann doch keine 5 oder 10 Minuten beten wie die Brüder A und B.“
Gebete müssen gar nicht lang sein. Im Gegenteil, es ist erfrischend, wenn ein Gebet kurz und auf den Punkt gebracht wird. Lange Gebete ermüden nur die Mitbeter. Bete einfach das, was du auf dem Herzen hast und was ein Anliegen der ganzen Versammlung ist.

… ich kann mich nicht so gut und geschliffen ausdrücken wie die Brüder C und D!“
Das ist verständlich. Und doch kein Grund, nicht zu beten. Es geht überhaupt nicht darum, Herzensanliegen druckreif zu formulieren. Zum Beten braucht man keine Gnadengabe. Und keiner muss im Beten den anderen nachahmen oder übertreffen. Du bist so geschaffen, wie Gott es wollte. Mit allen Fähigkeiten und Begrenzungen. Rede einfach ganz normal, aber doch in dem Bewusstsein, dass du zu Gott redest und auch Sprecher der Versammlung bist. Dann ist auch sonnenklar, dass die Wortwahl respektvoll und der Person Gottes angemessen ist. Bewusst lustige, coole oder fetzige Ausdrücke zu verwenden ist ebenso unangebracht wie leere Worthülsen.

… ich habe Angst, vor allen Geschwistern ins Stottern zu kommen oder gar den Faden zu verlieren.“
Nun, dieser Punkt hängt mit dem vorangegangenen eng zusammen. Es geht darum, dass vermeintliche Schwäche sichtbar werden. Das hat keiner gern. Aber objektiv betrachtet ist diese Sorge kein Grund, nicht mit dem öffentlichen Gebet anzufangen (oder damit fortzufahren). Ich möchte dir diese Sorge wie folgt versuchen zu nehmen: In Apostelgeschichte 4 wird uns von der ersten gemeinsamen Gebetsstunde berichtet. Wir lesen, dass die Apostel Petrus und Johannes aus dem Gefängnis entlassen worden waren und als erstes „zu den Ihren“ gingen, also zu ihrer Familie des Glaubens. „Wenn du zu Hause in deiner Familie zum Beispiel vor dem Essen betest und dabei ins Stottern kommst oder den gedanklichen Faden verlierst, würde dich dafür jemand aus der deiner Familie auslachen?“ Sicher nicht. Warum sollte es in der Familie des Glaubens anders sein? Außerdem darfst du wissen, dass wir alle mal angefangen haben. Wir alle wissen aus Erfahrung, wie du dich fühlst.

 … ich habe mir schon mehrmals vorgenommen, für einen konkreten Punkt zu beten. Aber der Bruder vor mir hat schon genau dafür gebetet und ich wollte es nicht nachplappern.“
Ein nachvollziehbarer Einwand. Das erging mir übrigens als junger Bruder damals genauso. Aber denke einmal an Apostelgeschichte 12,5: Die Versammlung in Jerusalem hatte große Sorge, weil ihr Bruder und Apostel Petrus im Hochsicherheitsgefängnis saß und man völlig zu Recht damit rechnete, dass er am nächsten Morgen hingerichtet werden würde. Wie oft werden die Gläubigen an diesem Abend für Petrus gebetet haben? Nur einmal? Mit Sicherheit nicht! Der Zusammenhang lässt deutlich erkennen, dass sie den ganzen Abend (sicherlich mehrere Stunden lang) für Petrus gebetet haben. Wir lernen also: Gebetsanliegen, die dir und der Versammlung auf dem Herzen liegen, können ohne weiteres mehrfach in einer Gebetsstunde ausgesprochen werden. Das hat mit Nachplappern nichts zu tun. Sei frei, das, was dir auf dem Herzen liegt und ein Gebet der ganzen Versammlung ist, freimütig zu beten.

 … wenn ich das erste Mal bete, hören alle besonders gut zu.“
Ja, klar. Die jahrelange Gewohnheit wird durchbrochen – es geschieht etwas Neues. Aber die Anwesenden sind sicherlich nicht darauf aus, dich kritisch zu prüfen und einen Fehler zu finden. Im Gegenteil. Es ist eine große Freude für eine Versammlung, wenn ein jüngerer Bruder geistliches Wachstum zeigt, indem er beginnt, öffentlich zu beten. Sei dir sicher: Das Wohlwollen der ganzen Versammlung wird auf deiner Seite sein.

 

Und die Schwestern?

Die Frauen könnten jetzt denken: Uns betrifft das nicht. Wir sollen in den Versammlungen schweigen (vgl. 1. Kor 14,34). Doch halt! Das öffentliche Gebet  ist zwar ausschließlich Aufgabe und Verantwortung der Brüder. Aber das heißt nicht, dass die Schwestern in dieser Sache unbeteiligt sind. Im Gegenteil! Es ist wichtig, dass die Schwestern im stillen Gebet hinter den Gebeten und Diensten der Brüder stehen. Apostelgeschichte 12,5 sagt, dass „von der Versammlung“ anhaltend zu Gott gebetet wurde. Und die Versammlung besteht aus hörbar betenden Brüdern und still mitbetenden Schwestern. Es ist so wichtig, dass Schwestern eine geistliche Haltung des Mitbetens und Mittragens einnehmen. Für diese Herzenshaltung gibt es schöne Beispiele in der Bibel (z. B. Hanna, Debora, Aksa, Anna u.v.m.). Was für eine gesegnete Wirkung die innere Haltung der Frauen in der örtlichen Versammlung hat, haben schon viele erfahren – nicht nur für die Gebetsversammlungen.

 



[1] Der Ausdruck „an jedem Ort“ in 1 Tim 2 meint „in der Öffentlichkeit“ und damit sind dann auch die Zusammenkünfte gemeint.