Bibel praktisch

Als „Krüppel“ ins Leben eingehen

Es gibt Verse in der Bibel, über die wir beim Lesen stolpern können. Entweder verstehen wir sie nicht sofort, weil sie schwierig sind, oder wir stoßen uns daran, weil sie uns etwas zu radikal erscheinen. Solche Verse gleichen auf den ersten Blick eher einem Treibstachel als einem Leckerbissen. Aber wenn wir sie verstanden haben und dem Wort Gottes gehorchen wollen, werden sie zu eingeschlagenen Nägeln, die unserem Glaubensleben Halt geben (vgl. Pred 12,11).

Denken wir über eine dieser radikal klingenden Aussagen nach:

„Wenn deine Hand dir Anstoß gibt, so hau sie ab. Es ist besser, dass du verkrüppelt in das Leben eingehst, als dass du mit zwei Händen in die Hölle kommst, in das unauslöschliche Feuer, wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt. Und wenn dein Fuß dir Anstoß gibt, so hau ihn ab. Es ist besser, dass du lahm in das Leben eingehst, als dass du mit zwei Füßen in die Hölle geworfen wirst, in das unauslöschliche Feuer, wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt. Und wenn dein Auge dir Anstoß gibt, so wirf es weg. Es ist besser, dass du einäugig in das Reich Gottes eingehst, als dass du mit zwei Augen in die Hölle des Feuers geworfen wirst, wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt“

(Mk 9,43-48).

Sind das nicht seltsame Aufforderungen? Hand, Fuß oder Auge sollen wir abhauen bzw. wegwerfen, wenn sie uns Anstoß geben. Gewiss ist nicht gemeint, sich selbst zu verstümmeln, wenn uns ein Körperteil Schmerzen bereitet. Hier wird offensichtlich eine bildhafte Sprache gebraucht – und doch spüren wir, wie ernst diese Appelle des Herrn sind. Da Er damals eine gemischte Zuhörerschaft von bekehrten und unbekehrten Menschen, von echten Jüngern und unechten „Mitläufern“ vor sich hatte, nannte Er sogar ewige Konsequenzen. Selbst bekehrte Menschen, die natürlich nicht verloren gehen können, werden in seiner Ansprache mit diesen Konsequenzen konfrontiert, weil der Herr den ganzen Ernst eines sündigen Lebens vorstellt.

Doch inwiefern kann eine Hand, ein Fuß oder ein Auge uns Anstoß geben? Wie immer, ist es hilfreich, den Zusammenhang zu beachten. In dem vorausgehenden Bibeltext warnt der Herr Jesus davor, den Kleinen oder Geringen einen Anstoß zu geben, das heißt, ihnen einen Fallstrick zu legen. Das verstehen wir gut: Es ist äußerst gemein und verwerflich, Schwächere zu Fall zu bringen, sodass sie Schaden nehmen oder in irgendeiner Weise scheitern.

 

Diagnose: Sünde im Gläubigen vorhanden!

Doch wie kann unsere Hand, unser Fuß oder unser Auge uns selbst zum Fallstrick werden? Es geht ja hier nicht um Dinge, die andere uns antun; wir haben ein gewisses Problem mit uns selbst. Gibt es nicht gewisse Charaktereigenschaften, die uns (ständig) Mühe bereiten und die wir nicht in den Griff bekommen? Wir haben „Begierden, die in unseren Gliedern streiten“ (Jak 4,1), die, wenn wir ihnen nachgeben, zu einem Fehlverhalten führen, das die Bibel Sünde nennt. So kann den einen das „Auge“ ärgern, also zur Sünde verleiten, den anderen die „Hand“, wieder anderen der „Fuß“. Was es im Einzelnen sein mag, wissen wir in der Regel selbst am besten.

 

Therapie: Null-Toleranz-Praxis anwenden

„Dass in mir, das ist in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt“ (Röm 7,18), haben wir oft genug gemerkt. Doch wie gehen wir damit um? Haben wir uns damit abgefunden, weil wir die Sünde in uns schließlich nicht entfernen können? Hoffentlich nicht! Sonst würden wir immer wieder unseren Herrn verunehren. Aber was können wir tun? Der zitierte Bibeltext fordert uns dazu auf, „abzuhauen“ bzw. „auszureißen“, damit wir nicht zu Fall kommen. Es geht also nicht nur darum, eine begangene Sünde schonungslos zu bereuen und zu bekennen, sondern schon vorab Dinge und Situationen rigoros zu meiden, die uns zur Sünde veranlassen könnten. Damit es in unserem Leben nicht zur Sünde kommt, dürfen unsere Begierden nicht „empfangen“ (Jak 1,15). In diesem Sinn reißen wir unser Auge raus und hauen Hand oder Fuß ab.

Es gibt so vieles, was uns zur Sünde verleiten kann. Bei manchen braucht es nur eine komische Bemerkung zu sein – und schon reagieren sie beleidigt oder ausfällig. Andere brauchen nur Instagram zu öffnen – und schon verlieren sie sich in schmutzigen Bildern und beflecken so ihre Seele. Wieder andere brauchen nur eine Flasche Bier zu öffnen – und können nicht Maß halten. Auch unsere Neigung, gut aussehen zu wollen – zum Beispiel durch Frisur oder Kleidung –, kann uns zum Fallstrick sein. Wenn die Begierde uns lockt und „empfangen hat, gebiert sie die Sünde“, wobei es bei weitem nicht nur um sexuelle Begierden geht.

Was können wir tun? Zumindest können wir alles „abhauen“ oder „ausreißen“, was uns wiederholt ein Anlass zur Sünde geworden ist, weil wir darin schwach sind. Das kann für die einen bedeuten, ganz auf Alkohol zu verzichten, für andere, Instagram zu deinstallieren oder das Schönheitsideal aufzugeben oder …

 

Ergebnis: „Amputiert“, aber glücklich

Aber leidet nicht unsere Lebensqualität darunter, wenn wir uns einschränken müssen, weil wir uns den einen oder anderen „Genuss“ nicht erlauben können? Kommt man sich dann nicht „verstümmelt“ vor? Tatsächlich mag unser Leben auf den ersten Blick einem menschlich-verkrüppelten Dasein gleichen. Aber es ist allemal besser als „Krüppel“ in das Leben einzugehen als in der Hölle zu landen, nachdem man das irdische Leben voll ausgekostet hat.

Lassen wir uns vor einem kurzsichtigen Handeln bewahren! Wie töricht wäre es, wenn wir das Hier und Jetzt uneingeschränkt genießen, dabei aber die Ewigkeit außer Acht lassen würden. Oder wenn wir den „zeitlichen Genuss der Sünde“ dem „Reich Gottes“ und dem „Leben“ vorziehen würden, das der Herr allen verheißt, die sich von der Sünde fernhalten.

Denken wir nicht, wir könnten beides: heute die Begierden unseres Fleisches befriedigen und in Zukunft in der Herrlichkeit des Reiches Gottes leben (vgl. Heb 12,14). Der Herr wünscht von seinen Jüngern ein konsequentes Nein zur Sünde. Ein „Krüppel“ auf der Erde zu sein, bedeutet übrigens nicht, unglücklich zu sein. Im Gegenteil: Wir haben die Zustimmung unseres Herrn und das macht uns glücklich. Außerdem erwarten wir das „ewige Gewicht von Herrlichkeit“ (2. Kor 4,17). Dafür nehmen wir gern in Kauf, hier als „Krüppel“ weiterzuleben. Die zukünftige Herrlichkeit Gottes wiegt jede gegenwärtige „Behinderung“ um ein Vielfaches auf.