Personen der Bibel

Epaphras, der von euch ist

Die Bibel berichtet uns manche Lebensgeschichte sehr ausführlich, einige davon viele Kapitel lang (Abraham, David, Gideon u.vm.). Von anderen Gläubigen hingegen berichtet uns Gottes Wort fast beiläufig mit nur sehr wenigen Worten. Aber in diesen wenigen Worten zeichnet uns Gott manchmal ein bemerkenswertes Bild. Einer derer, von den wir nur wenig lesen, ist Epaphras. Er war keine herausragende Persönlichkeit, sondern eher ein ganz normaler Christ aus Kolossä. So wie du und ich. Von ihm lesen wir nur in Kolosser 1,7.8; 4,12.13 und Philemon 23. Das sind in Summe nur 5 Verse – aber Verse, die es in sich haben …

 

Der Liebliche

Der Name Epaphras bedeutet übersetzt „der Liebliche, der Anmutige“. Auf den ersten Blick ist das vielleicht ein wenig merkwürdig für einen Mann. Aber wir werden sehen, dass er für Gott und seine Glaubensgeschwister lieblich war.

 

Einer von euch

Epaphras war ein Bruder aus der örtlichen Versammlung (Gemeinde) in Kolossä. Paulus schreibt am Ende des Kolosserbriefes: „Epaphras, der von euch ist“. Es geht hier also weniger um eine geografische Zuordnung seiner Herkunft als vielmehr um eine geistliche Zugehörigkeit. Er war jemand, der sich mit der örtlichen Versammlung identifizierte und dort auch seiner Verantwortung als Diener des Herrn entsprach (Kol 1,7.8).

Wie sieht das bei dir persönlich aus? Lebst du an deinem Heimatort inmitten der Glaubensgeschwister oder bist du eher ein Zaungast, der sich vor Gemeinschaft mit den Geschwistern oder auch Verbindlichkeiten und Aufgaben innerhalb der Versammlung möglichst drückt? Dann lass dich durch Epaphras ermutigen, dich aktiv und freudig in die Gemeinschaft einzubringen.

 

Ein Lehrer der Wahrheit

Als der Apostel Paulus den Brief schrieb, war er offensichtlich noch nicht in Kolossä gewesen (vgl. Kol 2,1). Die örtliche Versammlung dort war vermutlich durch Epaphras entstanden (vgl. K. 1,7).. Er hatte das „Wort der Wahrheit des Evangeliums“ gepredigt (Kol 1,5) und so auch die Lehre der Apostel weitergegeben (Apg 2,42). Paulus schreibt an Timotheus: „Habe acht auf dich selbst und auf die Lehre; beharre in diesen Dingen, denn wenn du dies tust, so wirst du sowohl dich selbst erretten als auch die, die dich hören“ (1. Tim 4,16). Und weiter: „Predige das Wort, halte darauf zu gelegener und ungelegener Zeit; […] ermahne mit aller Langmut und Lehre“ (2. Tim 4,2)“.

Auch wir müssen an der ganzen Lehre des Wortes Gottes festhalten. Wir leben in einer Zeit, in der man die gesunde Lehre oft nicht mehr erträgt (vgl. 2. Tim 4,3). Viele grundlegende Wahrheiten und Grundsätze Gottes werden heute relativiert und mitunter sogar ins Gegenteil verdreht – auch unter Christen. Das gilt sowohl für Dinge im persönlichen als auch im gemeinsamen Bereich der Versammlung. Umso wichtiger ist, dass wir wie ein Epaphras an diesen göttlichen Grundsätzen festhalten und anderen die Lehre des Wortes Gottes weitergeben. Nun ist das vielleicht nicht in erster Linie deine Aufgabe als jüngerer Mensch. Aber denke trotzdem einmal darüber nach, wenn du z.B. eine Kinderstunde machst oder im persönlichen Gespräch über die Lehre sprichst. Hat dich Gottes Wort beeindruckt? Ist dir das, was du gelesen und verstanden hast, wertvoll geworden? Dann mach es wie Epaphras: Gib davon den Menschen in deiner unmittelbaren Umgebung weiter.

 

Ein Knecht Christi Jesu

Epaphras war ein Knecht (oder Sklave) des Herrn Jesus Christus. Ein besonderes Kennzeichen eines Sklaven ist, dass er Eigentum seines Herrn ist. So stellte Epaphras sein ganzes Leben unter die Führung seines Herrn und Heilandes. Paulus schreibt im Brief an die Kolosser: „Ihr dient dem Herrn Christus“ (Kap. 3,24).

 

Ein zweites Kennzeichen eines guten Sklaven ist Gehorsam. Diesen haben wir bei Epaphras schon gesehen, in dem er von Paulus lernte und dem Wort Gottes (der Lehre) gehorchte.

Wie sehen diese beiden Punkte in unserem Leben aus? Haben wir auch diese innere Einstellung, dass unser Leben unserem Herrn Christus gehört? Dienen wir dem Herrn Jesus mit unbedingter Hingabe und sind wir Ihm und seinem Wort wirklich gehorsam?

 

Der geliebte Mitknecht

Das ist ein ungewöhnliches Wort: Mitknecht. Es drückt in schöner Weise aus, dass ein Knecht nicht allein ist. Wir als Christen sind von Gott nicht als Einzelkämpfer in den Glaubenskampf gestellt worden, sondern Gott hat uns Gläubige an die Seite gestellt. Wie schön ist es, wenn man den Glauben und alle praktischen Aufgaben, die damit zusammenhängen, gemeinsam angehen kann. Ob wir unseren Mitbruder und unsere Mitschwester immer als solche sehen, die Gott uns in seiner Weisheit an die Seite gestellt hat? Für gemeinsame Dienste gibt es viele Beispiele im Neuen Testament (Paulus und Timotheus, Johannes und Petrus, die sieben Diakone in Apg 6 u.v.m.)

 

Weiterhin sehen wir, dass Epaphras geliebt wurde. Er war ein Knecht, der wie die anderen Knechte Gottes, von Gott selbst geliebt wurde. Aber sicher wurde er auch von seinen Geschwistern als Bruder geliebt. Doch beides steht hier eher nicht im Vordergrund. Es kommt hier noch ein weiterer schöner Aspekt zum Ausdruck. Epaphras wurde von dem Apostel und seinen Mitarbeitern als Mitknecht geliebt. Die Art und Weise des Dienstes und Auftretens von Epaphras hatten diese Wertschätzung hervorgerufen. Eine herausfordernde Aussage! Wie treten wir als Diener – auch als jüngere Gläubige –   auf? Ist unser Verhalten so, dass wir von anderen Dienern wertgeschätzt und nicht gemieden werden?

 

Ein treuer Diener des Christus für euch

Treue ist eine in unserer Gesellschaft leider immer seltener werdende Tugend. Treue bedeutet eigentlich Verlässlichkeit gegenüber Personen oder Sachen. Treue ist eine Eigenschaft Gottes (2. Kor 1,18; 1. Thes 5,24; 2. Thes 3,3). Von Epaphras konnte Paulus bezeugen, dass er treu war (übrigens auch von seinen Brüdern Tychikus und Onesimus, vgl. Kol 4,7.9). Er war ein zuverlässiger Diener des Herrn Jesus Christus. Epaphras blieb standhaft (= treu) bei dem, was er von Paulus gelernt hatte (vgl. 1. Kor 4,2). Und er blieb beständig in der Ausübung seines Dienstes an seinen Geschwistern in der örtlichen Versammlung in Kolossä.

Treue fängt in kleinen Dingen an. Der Herr Jesus selbst sagt: Wer im Geringsten treu ist, ist auch in vielem treu (Lk 16,10). Gott belohnt nicht die Aufgabe, die Er gibt, sondern Er belohnt die Treue, mit der wir die Aufgaben erledigen (Mt 25,21).

 

Epaphras war ein Diener für die Geschwister in Kolossä. Seine Glaubensgeschwister der örtlichen Versammlung lagen ihm am Herzen und er diente ihnen. Seine Liebe zu Gott und auch zu ihnen veranlasste ihn, sich für sie einzusetzen. Auch darin ist er uns ein Vorbild. Wie schön, wenn junge Christen praktische und geistliche Dienste innerhalb der Versammlung sehen und aktiv übernehmen.

 

Der Mitgefangene in Christus

Im Brief an Philemon richtet Paulus Grüße von Epaphras, seinem Mitgefangenen in Christus aus. Wir haben bereits darüber nachgedacht, dass Epaphras ein Mitknecht war. Da lag der Schwerpunkt auf dem gemeinsamen Dienst. Hier liegt der gemeinsame Schwerpunkt darin, dass Brüder in den Leiden des Dienstes – die unweigerlich mit diesem verbunden sind – zusammenstanden. Der römische Strafvollzug war kein Hotelbetrieb. Wie werden die Gefangenen – unter ihnen sicher auch viele Christen – dort gelitten haben. Aber da gab es solche, die Mitgefangene waren. Bei aller Schwere des Gefangenseins war es sicher eine innerliche Wohltat, sich gegenseitig im Leid zu unterstützen und Mut zu machen.

 

Im Hebräer-Brief lesen wir die Aufforderung: „Gedenkt der Gefangenen als Mitgefangene; derer, die Ungemach leiden, als solche, die auch selbst im Leib sind“ (13,3). Wir wollen solche unterstützen, die in Not sind. Wie viele Christen sind auch heute noch im wahrsten Sinn dieser Bibelstelle Gefangene und leiden unbeschreiblich um Ihres Glaubens willen. Lasst uns im Gebet für solche einstehen, als wenn es unsere eigene Not wäre! Aber darüber hinaus meint diese Stelle auch jede Form von Bedrängnis der Gläubigen, derer wir im Gebet und wenn möglich auch in praktischer Hilfeleistung gedenken sollten. Wie wertvoll, wenn schon junge Christen die Not anderer sehen und (geistliche) Energie aufbringen, diesen Geschwistern helfend zur Seite zu stehen.

 

Ein Ringer im Gebet für euch

Wir haben gesehen, dass Epaphras einen öffentlichen Dienst in der Versammlung von Kolossä ausgeübt hat. Gott lässt uns nun aber auch einen Blick in den inneren, verborgenen Dienst dieses Bruders tun. Sein öffentlicher Dienst war begleitet von einem intensiven Gebetsleben in der Stille. Und Paulus betont, dass nicht nur die Art und Weise des Gebets, sondern auch der Inhalt des Gebets bemerkenswert gewesen sind. Das Gebet des Epaphras war ein Ringen und ein zeitlich ausdauerndes Gebet: „der allezeit ringt für euch in den Gebeten.“ Was für ein gutes Zeugnis stellt Paulus diesem Bruder damit aus!

Wir dürfen annehmen, dass Epaphras sicher auch für sich selber und seine Umstände gebetet hat. Aber Gott berichtet hier, dass er für das innere Wohlergehen seiner Mitgeschwister in seiner Heimatversammlung gebetet hat.

 

Ein nüchterner Beurteiler

Epaphras lagen nicht nur die Glaubensgeschwister seiner Heimatversammlung Kolossä am Herzen, sondern auch die Geschwister der Nachbarversammlungen Laodizea und Hierapolis. Paulus schreibt: „Denn ich gebe ihm Zeugnis, dass er viel Mühe hat um euch und die in Laodizea und die in Hierapolis“ (Kol 4,13). Mit anderen Worten: Die Entwicklungen in den Versammlungen führten dazu, dass er sich berechtigte Sorgen um den geistlichen Zustand der Geschwister machte. Was veranlasst ihn zu diesen Sorgen?

  • Es gab mindestens drei konkrete Strömungen in Kolossä, die die Geschwister von Christus abzuziehen drohten. Das waren die Philosophie (Kol 2,8), Gesetzlichkeit (Kol 2,16-19) und Askese (Kol 2,20-23).
  • Bezogen auf Laodizea können wir Hinweise im Brief an diese Versammlung finden (Off 3,14-22). Hinweise deshalb, weil der Apostel Johannes diesen Brief erst gut 30 Jahre später geschrieben hat. Johannes tadelt in diesem Sendschreiben den äußerst schlechten Zustand der örtlichen Versammlung und benennt konkret folgende Missstände: völlige Gleichgültigkeit (Lauheit), Stolz, Selbstgefälligkeit und eigene Fehleinschätzung („Du sagst: Ich bin reich und ich bin reich geworden und bedarf nichts“), aber nach Gottes gerechtem Urteil war ihr Zustand von Blindheit, Unwissenheit und Armut gekennzeichnet (der Elende und Jämmerliche, arm, blind, nackt). Vermutlich waren zur Zeit des Kolosser-Briefes schon deutliche Anfänge des Abweichens erkennbar, die in ihrer weiteren Abwärtsentwicklung zu solch gravierenden Zuständen geführt haben, die Johannes dann 30 Jahre später im Auftrag Gottes so deutlich beim Namen nennen musste.
  • Über die Versammlung in Hierapolis erfahren wir nichts Näheres im Wort Gottes. Aber Epaphras waren die Zustände dort bekannt. Und das trieb ihn ins Gebet.

 

Epaphras hatte einen klaren Blick für diese geistlichen Fehlentwicklungen in seiner Heimatversammlung Kolossä, aber auch in den Nachbarversammlungen. Er hat nicht daran vorbeigeschaut, sie relativiert oder gar ignoriert. Das machte ihm innere Mühe und diese Not hat er im intensiven Gebet vor Gott ausgebreitet. Es war ihm ein Anliegen, dass seine Geschwister „vollkommen und völlig überzeugt in allem Willen Gottes“ stehen.

 

Auch wir wollen einen klaren Blick auf die geistlichen Entwicklungen in den Versammlungen haben. Und wenn wir ehrlich sind, bemerken wir große Parallelen zu der Zeit damals. Aber wir haben dieselbe Hilfsquelle des Gebets wie Epaphras. Und darüber hinaus haben wir – anders als Epaphras damals – das vollständige Wort Gottes, das uns auch in Fragen des gemeinsamen Weges als Versammlungen ein untrüglicher Kompass ist. Wir müssen ihn nur im Gehorsam nutzen und uns nicht von menschlichen Meinungen in die Irre führen lassen. Lasst uns diese Hilfsquellen fleißig nutzen! Auch im Bewahren der Lehre ist Treue gefragt.

 

Zum Schluss

Ich bin überzeugt, dass Gott uns diese praktischen Dinge nicht rein informationshalber und als interessante historische Notiz aus der Antike mitteilt. Sondern Er möchte uns unterweisen, indem Er uns ein nachahmenswertes Beispiel eines Bruders vorstellt. Lasst uns auch die Frage stellen, wie unser Glaubensleben und die Beziehungen zu unseren Geschwistern bei uns aussehen, ganz persönlich bei dir und mir.

 

Sehr wahrscheinlich heißt kein einziger unsere Leser mit bürgerlichem Namen Epaphras. Aber wie schön wäre es, wenn jeder von uns in geistlicher Weise ein solcher wäre. Das wäre wirklich lieblich – für Gott und Menschen.