Bibel praktisch

Heilig, heiliger, am heiligstens?

Fabian soll für den Religionsunterricht ein Referat über den heiligen Antonius, den „Schutzpatron“ der Reisenden und Liebenden, halten, und fragt sich bei seiner Recherche, wie die Kriterien für die Heiligsprechung einer Person mit der Bibel übereinstimmen. In seiner täglichen Bibellese beginnt er gerade mit dem Philipperbrief und liest dort, dass Paulus diesen Brief an „alle Heiligen“ richtet. Ist das eine Sondergruppe der Christen in Philippi? Bei sich selbst sieht Fabian viele Schwächen und manche Sünden. Er fragt sich: Kann ich überhaupt heilig, ja vielleicht sogar heiliger werden, oder gibt es eben einfach heilige(re) und unheilige(re) Christen? – Dieses verständliche Gedankenwirrwarr soll in diesem Beitrag möglichst ent-wirrt werden…

Heilig sein – was bedeutet das?

Heilig sein meint in Gottes Wort immer dann, wenn es um Menschen geht, die Trennung vom Bösen und die Absonderung zu Gott (Esra 6,21; Neh 9,29). Gott selbst ist ein heiliger Gott ( Jes 6,3), der Licht ist, in dem gar keine Finsternis ist (1. Joh 1,5) und der sich natürlich nicht von eigenem Bösem zu trennen braucht – weil es Böses bei Ihm nicht gibt. Aber Er wünscht Gemeinschaft mit Menschen, die dazu seiner Heiligkeit entsprechen müssen: „Seid heilig, denn ich bin heilig“ (1. Pet 1,16; vgl. 3. Mo 10,3). Wie ist das angesichts der durchweg bösen, sündigen und unheiligen Menschen möglich?

Heilig werden vor Gott – wie geht das?

Der Herr Jesus ist am Kreuz auf Golgatha für die Sünden aller gestorben, die an Ihn glauben (1. Kor 15,3) und hat diese Sünden auch getragen, ausgetilgt (1. Pet 2,24). Jeder, der mit seinen Sünden zum Herrn kommt, ist damit geheiligt, wie schlimm auch seine Vergangenheit war: „Hurer…Ehebrecher… Trunkenbolde…. Und solches sind einige von euch gewesen; aber ihr seid abgewaschen, aber ihr seid geheiligt“ (1. Kor 6,11). Durch das ein für alle Mal geschehene Opfer des Herrn Jesus sind diese Personen geheiligt, und zwar für immer (Heb 10,10.14)! Diese Personen nennt Gott jetzt „Geheiligte in Christus“ (1. Kor 1,2) oder einfach „Heilige“ (zum ersten Mal in Apg 9,13), wie zum Beispiel alle Christen in Philippi, ausnahmslos (Phil 1,1). Niemand kann ihnen diese völlig sichere Stellung vor Gott mehr nehmen.

Heilig werden – wer bewirkt das?

Das Heiligwerden ist keine eigene Leistung, für die man sich auf die Schultern klopfen könnte. Nein, der Vater selbst zieht uns zum Sohn (Joh 6,44), und Gott, der Heilige Geist, bewirkt in uns diese Heiligung, diese Sicherstellung für Gott: „…dass Gott euch von Anfang erwählt hat zur Errettung in Heiligung des Geistes und im Glauben an die Wahrheit“ (2. Thes 2,13; vgl. 1. Pet 1,2). Fabian und alle anderen, die mit ihren Sünden zum Herrn gekommen sind, sind von Gott, dem Heiligen Geist selbst, geheiligt worden. Davon fühlt man bei der Bekehrung zwar meistens nichts, aber jeder Glaubende darf sich auf die eindeutigen Aussagen der Bibel stützen und von sich sagen: Vor Gott bin ich nun ein Heiliger! Warum? Weil der Herr Jesus alle meine Sünden getragen hat (auch die, die ich leider noch begehen werde – Gott hat auch diese in seiner Vorkenntnis durch Christus ausgetilgt!), und weil der Heilige Geist in mir diese Umkehr bewirkt und Gott mein Inneres gereinigt hat.

Heilig leben im Alltag – wie geht das?

Fabian hat sich inzwischen mit dem Thema Heiligung beschäftigt und ist froh, dass er tatsächlich auch zu „allen Heiligen“ gehört. Doch nach einer einwöchigen Kursfahrt mit „Schmalspurjüngerschaft“ kehrt er niedergeschlagen nach Hause zurück, weil er zwischen seinem Heiligsein durch das Erlösungswerk seines Retters und seinem Wunsch nach einem heiligen Leben einen großen Abstand sieht. Er fragt sich verzweifelt: Wie kann man im Alltag heilig bleiben, heilig leben und so Gottes Wunsch erfüllen und selbst frohe, reine Gemeinschaft mit ihm und mit dem Herrn Jesus genießen?

Gott sei Dank, Er hat uns nicht uns selbst überlassen und ist selbst für uns aktiv (1. Thes 5,23), damit wir auch in der Praxis als Heilige leben können:

  • Durch das Wort Gottes, seine reinigende Kraft, zeigt Er uns immer wieder Dinge in unserem Leben, die wir zu bekennen und dann auch in der Praxis auszuräumen, das heißt zu lassen haben (Spr 28,13); gleichzeitig breitet Er vor uns den großen Segen und die Schönheiten des Herrn Jesus selbst aus, die uns zu einem Leben nach seinen Gedanken motivieren (Eph 5,26; Joh 17,17).
  • Der Herr Jesus selbst hat sich für uns geheiligt, hat sich in den Himmel „abgesondert“, und ist nun der Magnet für unsere Herzen, damit wir auf Ihn ausgerichtet leben und uns dadurch vom Bösen abwenden und Gutes tun ( Joh 17,19; 1. Pet 3,11).
  • Gott bringt uns manchmal aus väterlicher Liebe in Schwierigkeiten und erzieht uns so, damit wir Überflüssiges abstreifen, Ihm in allen Lebenslagen vertrauen – und dann seine eigene Heiligkeit genießen können (Heb 12.10).

Natürlich ist es die Verantwortung jedes Einzelnen, den Herrn Jesus auch in dieser Weise an seinem Herzen wirken zu lassen und sich nicht gegen seine Bemühungen zu sperren. Nur dann kann man die froh machenden Resultate im eigenen Leben auch erfahren. Sind wir dazu bereit? Fabian möchte jedenfalls gerne die Bewahrung des Herrn erleben…

Heilig bleiben – auch mit Eigeninitiative?

Fabian erledigt gerade seine Hausaufgaben, da erhält er eine Sms von Chris, seinem lK-Mitschüler: „Kommst du heute um 19h mit zur Radtour um den Baggersee? Lg, Chris“. Super, nach dem Büffeln für die nächste Klausur und dem Erledigen der Hausaufgaben ist das eine willkommene Abwechslung für den Freitagabend – auch wenn ihm bei dem gedanken an die Atmosphäre solcher Touren nicht ganz wohl ist…. Beim Aufpumpen seiner Fahrradreifen gehen ihm noch einige Wortfetzen seiner morgendlichen Bibellese durch den Kopf: „Gottes Wille: eure Heiligkeit… sein eigenes Gefäß in Heiligkeit besitzen…“ (1. Thes 4,3-5). Abends kommt Fabian enttäuscht zurück: Auch wenn er sich an dem Trinkgelage seiner Kumpels nicht beteiligt hat, die derben Ausdrücke hängen bleischwer nach, ein gutes Gespräch war überhaupt nicht möglich, von treuer Nachfolge hat er auch wenig spüren lassen. „Hätte ich jetzt selbst aktiv werden müssen, warum bewahrt mich der Herr Jesus nicht auf allen Wegen?“, fragt sich Fabian.

Gottes Wort erwähnt manches Mal die Bewahrung durch Gott selbst (Jud 24), aber es fordert uns auch zu eigenem Bewahren auf: „Erhaltet euch selbst“ ( Jud 21), „der aus Gott Geborene bewahrt sich“ (1. Joh 5,18), „Wodurch wird ein Jüngling seinen Pfad in Reinheit wandeln? Indem er sich bewahrt nach deinem Wort“ (Psalm 119,9). Das gilt auch für das Thema der praktischen Heiligung:

  • Alle Christen werden aufgefordert, eine grundsätzliche Entscheidung für ein Leben in Heiligkeit zu treffen und sich so Gott zur Verfügung zu stellen (Röm 6,19).
  • Christus, der Herr, soll in unserem Herzen geheiligt werden, den ersten und alles bestimmenden Platz bekommen (1. Pet 3,15).
  • Im persönlichen Leben (1. Tim 4,12), in den Fragen der Sexualität und in der Ehe (1. Thes 4,3.4.7; 1. Tim 2,15), in der Gedankenwelt (2. Kor 7,1) und auch in der Frage der Gemeinschaft mit anderen Christen (2. Tim 2,21; Heb 12,14) ermahnt uns Gottes Wort zu aktiver Heiligung, Absonderung zum Herrn Jesus.

Wie schafft man es, diesen guten Willen Gottes in Bezug auf ein heiliges Leben zu erfüllen? Wenn wir die Bibel gerne und unter Gebet lesen, christliche Zusammenkünfte mit Interesse besuchen, den Herrn Jesus dadurch mehr in unseren Gedanken und Herzen haben – dann wird uns der Herr auch die Kraft geben, unser praktisches Alltagsleben nach seinen Maßstäben zu leben. Ohne Zwangsjacke. Mit Freude. Und wenn es dann doch einmal nicht klappt? „Bei dir ist Vergebung, damit du gefürchtet werdest“ (Ps 130,4).

Heiliger werden – wozu?

Mit neuem Mut und mit Gebet lernt Fabian den großen Wert eines heiligen Lebens für sich selbst kennen. Nachdem er nun für das Thema stärkeres Interesse gefunden hat, fällt ihm auf, dass in den Zusammenkünften manche Lieder gesungen und Gebete formuliert werden, in denen das Wort „Heiligtum“ vorkommt. Hat dieser Ausdruck etwas mit „seinem“ Spezialthema zu tun?

Der Herr Jesus hat Menschen „geheiligt“ (Heb 2,11), zu ihrem persönlichen Segen und auch zu seiner eigenen Freude: Er lädt uns zu einer engen Gemeinschaft mit Ihm ein: Diesen erlösten Menschen steht jetzt dauerhaft der Zugang zu dem heiligen Gott offen. Der Hebräerbrief benutzt für dieses Hinzutreten den Ausdruck „Heiligtum“ (Heb 10,19), als Parallele zu Tempel oder Stiftshütte im Alten Testament. Beim Beten sind Christen innerlich vor Gott, vor seinem Thron, um Hilfe von Ihm zu erbitten (Heb 4,16). Ganz besonders möchte Er uns aber bei sich „im Heiligtum“ haben, damit wir Ihn und den Herrn Jesus anbeten, staunend bewundern für das, was Er ist und für das, was Er getan hat (Heb 7,25; 10,19). Dazu muss Er natürlich unsere Herzen vorher auch praktisch reinigen (Heb 10,22).

Wer die große Freude, so in der Gegenwart Gottes sein zu dürfen, persönlich oder in der Gemeinschaft der Christen erlebt hat, wird diese Reinigung immer gerne an sich vollziehen lassen und alles tun wollen, um diese Gemeinschaft auch dauerhaft zu erleben (Heb 13,15). Es lohnt sich, der Heiligkeit nachzujagen – denn man kann so den Herrn in seiner Schönheit schauen (Heb 12,14)!

Nur äußerliche Heiligung – mit oder ohne „Heilsgarantie“?

Fabian hat inzwischen verstanden, dass er in seiner Stellung vor Gott für immer und absolut geheiligt ist, dass der Herr selbst alles für seine praktische Heiligung unternimmt – und dass er selbst auch mit „Hand anlegen“ muss, wenn Gottes guter Wille für sein Leben praktiziert werden soll. Um auch das Thema „Anbetung im Heiligtum“ etwas zu verstehen, liest er Hebräer 10 – und ist ganz erstaunt, am Ende des Kapitels von Menschen zu lesen, die durch das Blut des Herrn Jesus geheiligt worden waren und doch verloren gehen. „Ist es nun doch nichts mit der absoluten Sicherstellung, Heiligung für Gott?“, fragt er sich.

Die Bibel benutzt das Wort „heiligen“ an einigen Stellen für ein äußeres Getrennt sein, Geweiht sein, ohne dass dies auf das Innere der Sache oder der Personen Bezug haben muss: 

  • 1. Timotheus 4,4.5: Alle Speisen, die Christen essen, sind durch die Aussagen des Wortes Gottes („indem er so alle Speisen für rein erklärte“, Mk 7,19) und durch das Beten vor der Mahlzeit geheiligt, d.h. „für den Verzehr geeignet“. Die Nahrungsmittel werden zwar innerlich nicht verändert, sie können aber ohne Sorge um eine innere Verunreinigung des Gläubigen bedenkenlos genossen werden (ausgenommen das Blut, siehe Apg 15,20).
  • 1. Korinther 7,14a: Der ungläubige Ehepartner eines Christen gerät durch diesen unter den bewahrenden, segnenden, heiligenden Einfluss des Glaubens, der ihn vor manchem Bösen schützen wird – das kann zu seiner eigenen Errettung führen (Vers 16).
  • 1. Korinther 7,14b: Die Kinder von Christen werden in eine heilige, christliche Atmosphäre hineingeboren und stehen dadurch unter dem besonderen, ebenfalls heiligenden Segen des gläubigen Elternhauses. Solange sie die Notwendigkeit der Bekehrung nicht erfassen können, rechnet ihnen der Vater das Erlösungswerk Christi zu (Mt 18,10.14) – danach müssen sie der äußeren Heiligung die innere durch Bekehrung folgen lassen, um die ewige Errettung zu erlangen.
  • Hebräer 10,29: Zum Christentum übergetretene Juden hatten sich rein äußerlich unter den Schutz des Blutes des neuen Bundes gestellt und waren so in die heilige christliche Gemeinschaft gelangt. Doch indem sie Jesus als Christus ablehnten („den Sohn Gottes mit Füßen getreten“) und das wertvolle Blut des Herrn für bedeutungslos hinsichtlich ihrer Errettung betrachteten („für gemein erachtet“), zeigten sie ihre innerliche Ablehnung des Erlösungswerkes und des Erlösers und blieben das, was sie schon vor ihrem „Übertritt“ waren: verloren1.

Diese anderen Bedeutungen des Ausdrucks „heiligen“ hebeln die klaren und zahlreichen Aussagen über die absolute und praktische Heiligung der Kinder Gottes keineswegs aus. Im Zusammenhang betrachtet haben alle Bedeutungen ihren Wert und brauchen niemanden durcheinander zu bringen.

Fabian freut sich, dass er sich weiter seiner Dauer-Heiligung gewiss sein kann – und er bittet seinen erlöser um Bewahrung und um die Kraft zu einem heiligen Verhalten inmitten seiner oft so unheiligen Umgebung (2. pet 3,11). Einmal wird er die Herrlichkeit des Himmels, die als heilige Stadt beschrieben wird, miterleben (Off 21,1.10). Bis dahin möchte er seinem Erretter in Hingabe folgen…

Literaturhinweise:

- Brockhaus, Rainer: Heiligkeit, Heiligung, FMN 1/96, Seite 10-12

- Kelly, W.: Wahre Heiligung, Neustadt/W. 1967

Fußnoten

[1] Zur intensiveren Beschäftigung mit dieser Thematik empfiehlt sich die Lektüre der Broschüre „Kann ein Christ verloren gehen?“ von A. Remmers (Hückeswagen, 2006).