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Heilsgewissheit

Frage:

Heilsgewissheit (Hebräer 6)

Frage: Ich habe noch eine Frage zur Heilssicherheit. In Hebräer 6,4-6 wird davor gewarnt, dass man vom Glauben abfallen könnte. In einer Predigt wurde dazu gesagt, dass diese Warnung für Gläubige gilt. Die im Grundtext (im Griechischen) verwandten Begriffe, mit denen hier diejenigen Menschen beschrieben werden, die abfallen und verloren gehen, würden an anderer Stelle der Schrift für Gläubige benutzt. Stimmt das?

Antwort: Hebräer 6,4 ff. bezieht sich nicht auf Gläubige, sondern auf Juden, die sich äußerlich (z.B. durch die Taufe) dem christlichen Weg angeschlossen hatten. Diese ermuntert der Schreiber, „ernst zu machen“ und sich dem „Besseren“ von Herzen anzuschließen. Zugleich warnt er sie, vom christlichen Glauben abzufallen und zum alten jüdischen System zurückzukehren. Die inhaltlichen Argumente kannst du ausführlicher in dem vorherigen Artikel (in Folge 1 der Serie „Pro und Contra Heilsgewissheit“) nachlesen. Ich möchte aber auch noch auf die sprachlichen Argumente eingehen. Die Begriffe, mit denen diejenigen Menschen beschrieben werden, die abfallen können, sind: Sie waren „erleuchtet“, sie hatten die himmlische Gabe „geschmeckt“ und sie waren des Heiligen Geistes „teilhaftig“. Wenn man in einer Griechisch-Konkordanz oder einer Interlinear-Übersetzung nachschaut, 1 findet man Folgendes heraus:

  • photizo (erleuchten, Heb 6,4)

Dieses Wort kommt 11-mal im NT vor. In Hebräer 10,32 und 2. Korinther 4,6 bezieht es sich z.B. auf Gläubige. Daneben gibt es aber noch andere Stellen, in denen es allgemein mit „ans Licht bringen“ übersetzt wird (1. Kor 4,5; 2. Tim 1,10). In Johannes 1,9 bezieht es sich eindeutig auf jeden Menschen (der Herr Jesus als Licht der Welt, das jeden Menschen erleuchtet, d.h. ihn in Gottes Licht stellt), nicht nur auf die Glaubenden.

  • geuomai (schmecken, Heb 6,4.5)

Dieses Wort wird im üblichen Sinne mit „probieren, kosten“ übersetzt (Mt 27,34; Joh 2,9; Kol 2,21) oder mit „essen“ (Apg 10,10; 20,11). „Schmecken“ besagt, dass man etwas „probiert“, „genossen“ hat, ohne es (unbedingt) dauerhaft und bleibend in sich aufgenommen zu haben. Saul ist ein besonders deutliches Beispiel dafür, dass ein Ungläubiger nur vorübergehend das Wirken des Heiligen Geistes „geschmeckt“ hat (1. Sam 10; vgl. auch Judas in Mt 10,4.7.20). Dabei muss dieser Vers nicht individuellpersönlich gemeint sein. Man konnte auch, wenn man sich im christlichen Bereich bewegte, Wirkungen des Heiligen Geistes bei anderen erleben. Die ersten Kapitel der Apostelgeschichte sind voll von diesem Wirken des Geistes in und unter den ersten Christen – das konnte jeder erleben, der sich ihnen angeschlossen hatte.

Daneben ist eine Sonderbedeutung „den Tod schmecken“, die auf den Herrn (Heb 2,9) wie auch auf die Jünger bezogen wird (Mk 9,1; Joh 8,52). Natürlich sind der Herr und seine Jünger real gestorben (sie haben es nicht nur „ausprobiert“); was den Unterschied macht, ist, dass Er auferstanden ist, und das werden die, die an Ihn glauben, auch tun. Anders als die Ungläubigen, die den zweiten Tod erleben werden und „Tote“ genannt werden (deren Auferstehung wird „Auferstehung des Gerichts“ genannt mit der Folge des zweiten Tods, Joh 5,29), bleiben sie nicht im Tod.

  • metochos (teilhaftig, Heb 6,4)

Dieses Wort kommt fast nur im Hebräerbrief vor (Ausnahme: Lk 5,7); es wird ansonsten immer mit „Genossen“ übersetzt (Lk 5,7; Heb 1,9; 3,1.14) – außer hier und in 12,8, wo beschrieben wird, dass die Glaubenden der Züchtigung „teilhaftig“ werden. Es ist erkennbar, dass es auch eine äußere Erfahrung sein kann und eine (äußerliche) Zusammengehörigkeit.

Wenn es um den Heiligen Geist als Siegel des ewigen Heils geht, werden andere Begriffe verwendet, nämlich „haben“ (das ganz normale Wort, wie in Joh 5,24), „wohnen“ (wie in 1. Kor 3,16), „in uns“ / “in Christus“ (Röm 8,9.10) oder „empfangen“ (Apg 1,8, auch ein allgemeiner Begriff). Keiner dieser Begriffe wird in Hebräer 6 verwendet – auch das ist ein Indiz, dass es hier eben nur um äußeres Teilhaben geht.

Neben den inhaltlichen Argumenten ist damit auch aus der Wortwahl erkennbar, dass in diesem Abschnitt keine Gläubigen angesprochen sind.

Thorsten Attendorn

 

1 Z.B. Ch. Briem, Wörterbuch zum Neuen Testament, CSV 1998 und sein entsprechender Band von „Das Neue Testament mit sprachlichen Erläuterungen“, Römer – Offenbarung, CSV 1998.