Bibelstudium

Anbetung

Gemeinsame Anbetung

Als Gottes Sohn Mensch wurde, brach eine neue Ära der Anbetung an: „Es kommt aber die Stunde und ist jetzt, da die wahrhaftigen Anbeter den Vater in Geist und Wahrheit anbeten werden; denn auch der Vater sucht solche als seine Anbeter“ (Joh 4,23). Diese Anbetung kann der einzelne Gläubige bringen, aber mehr noch: Man kann sie als Gläubige gemeinsam praktizieren.

Im Neuen wie im Alten Testament findet man Gläubige, die Gott von Herzen angebetet haben. Wenn man die Gemeinsamkeiten aufsucht, stellt man fest: Anbetung

  • geschieht in Ehrfurcht (Hab 2,20; Mal 1,6; Heb 12,28; 1. Tim 6,15),
  • reagiert auf Gottes Offenbarung (2. Chr 7,3; Offb 22,8.9)
  • unterwirft sich Gott (Hi 1,20; 1. Mo 22,5; Mt 11,25.26),
  • gibt Gott das von Ihm Gegebene zurück (1. Chr 29,14; Röm 11,36; Kol 1,16).

 

Dem, der uns liebt - Gemeinsame Anbetung

Auch wenn Anbetung im Herzen des Einzelnen entsteht und dann Gott dargebracht wird, zeigt die Bibel deutlich den hohen Wert gemeinsamer Anbetung. Es ehrt Gott, wenn Gläubige gemeinschaftlich anbeten: Gott bewirkt etwas in einzelnen Herzen, indem Er sich dem Einzelnen groß macht. Das kann sich verbinden mit den Wirkungen in aller Herzen. Einer geht auf den anderen ein, und so kann es dazu kommen, dass die Versammelten Ihm dann gemeinsam in Ehrfurcht und Anerkennung seiner Herrlichkeit Lobpreis und Anbetung geben. Bibelstudium

Das Erlösungswerk hat Jesus Christus nicht nur für Einzelne erbracht. Er hat nicht nur „mich“ geliebt (Gal 2,20) sondern Er hat auch „uns“ geliebt (Eph 5,2), und Er hat „die Versammlung“ geliebt (Eph 5,25). Der Lobpreis in Offenbarung 1,6 beginnt wie folgt: „Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in seinem Blut“ – das sind Segnungen des Einzelnen, die für jeden von uns Glaubenden wahr sind. Dann folgt ein gemeinschaftlicher, zusammenfassender Aspekt: „und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern seinem Gott und Vater – ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen“. Als Versammlung, als Gesamtheit aller Glaubenden, sind wir ein Königtum, sind wir eine Gemeinschaft von Priestern. So formuliert 1. Petrus 2,2, dass wir aufgebaut werden „zu einer heiligen Priesterschaft, um darzubringen geistliche Schlachtopfer, Gott wohlangenehm durch Jesus Christus“ (vgl. auch V. 9, wo es nicht mehr speziell um Anbetung geht: „eine königliche Priesterschaft, eine heilige Nation, ein Volk zum Besitztum“).

In Hebräer 2,12 wird eine alttestamentliche Prophezeiung aufgegriffen und auf die Beziehung zwischen Christus und der Versammlung bezogen: Christus hat gelitten und ist gestorben; Er hat viele Söhne zur Herrlichkeit gebracht; Er schämt sich nicht, sie Brüder zu nennen. „Ich will deinen Namen meinen Brüdern kundtun. Inmitten der Versammlung will ich dir lobsingen“ (Heb 2,12; vgl. Ps 22,23; 40,5). Darauf wirkt Christus als Hoherpriester für uns hin, dass wir uns im Heiligtum aufhalten und Gott anbeten (Heb 8,1 ff.; 10,21).

Diese gemeinschaftliche Anbetung hat ihren Wert aus der Gemeinsamkeit der Herzen, die von Gott und seinem Handeln beeindruckt sind und sich in Ehrfurcht, Dank und Lobpreis an Ihn richten. Diese Gemeinsamkeit hat ganz praktische Voraussetzungen. Paulus betont, wie wichtig gottgemäße, gute Beziehungen untereinander sind, „damit ihr einmütig mit einem Mund den Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus verherrlicht“ (Röm 15,6). Eine Einmütigkeit, ein Einklang, der nicht von außen erzeugt werden kann, sondern aus der inneren Übereinstimmung der Herzen mit Gott folgt.

 

„Inmitten der Versammlung will ich dir lobsingen“ – Anbetung als Versammlung

Besondere Gelegenheiten für die gemeinsame Anbetung sind die Zusammenkünfte als Versammlung. Gemeinsame Anbetung ist nicht auf solche Zusammenkünfte reduziert – eine Konferenz oder ein Bibelvortrag, eine Bibelfreizeit oder einfach ein Zusammensein unter Geschwistern können uns zur Anbetung bringen, wenn wir Gott in Ehrfurcht bewundernd betrachten und das auch gemeinsam zum Ausdruck bringen.

Wenn Geschwister aber als Versammlung zusammenkommen, haben sie die Verheißung, dass der Herr in ihrer Mitte ist (Mt 18,20). Wenn sie in seinem Namen – zu seinem Namen hin – versammelt sind, wenn Er also im Mittelpunkt der Gedanken und Herzen steht, alles sich auf Ihn ausrichtet und Ihm unterordnet, sind das gute Voraussetzungen, um Ihm Anbetung zu bringen. Die Prophezeiung aus Psalm 22,23: „Inmitten der Versammlung will ich dir lobsingen“ bekommt dann eine ganz buchstäbliche Erfüllung (auch wenn sie, wie man Hebräer 2,12 entnehmen kann, nicht auf Zusammenkünfte beschränkt ist). Herzen und Gedanken, die so auf Ihn ausgerichtet sind, werden bei verschiedensten Themen in den unterschiedlichen Zusammenkünften Dankbarkeit und Bewunderung verspüren. Wird Gott in einem Dienst am Wort als der allmächtige Schöpfer, als der liebende Vater vorgestellt? Beschäftigen sich die Geschwister in der Wortbetrachtung mit dem Herrn Jesus, der „uns geliebt und sich selbst für uns hingegeben hat“? Hat der Herr seine Güte nicht gezeigt, indem Er Gebete erhört hat, die schon lange von der Versammlung vor Ihn gebracht wurden? All das kann Anlass für eine gemeinsame Anbetung als Versammlung sein.

Unter den verschiedenen Arten von Zusammenkünften ist allerdings das Zusammenkommen zum Brotbrechen ein besonders nahe liegender Anlass für die gemeinsame Anbetung. Warum? Das Danken und Singen beinhaltet zwar nicht automatisch Anbetung, das Brotbrechen selbst ist auch nicht gleich Anbetung, und auch die Gebete und Lieder, die aus diesem Anlass gesprochen und gesungen werden, sind nicht „automatisch“ Anbetung. Aber es gibt wohl kaum einen Anlass, der ein Kind Gottes seinen Vater und den Sohn so bewundern lässt. Wenn wir zum Gedächtnis des Herrn Jesus zusammen sind, uns an seinen Tod erinnern, uns bewusst machen, dass Er uns so geliebt hat, dass Er für uns gestorben ist, dass Er Gott offenbart und den Vater verherrlicht hat – ist das nicht reichlich Stoff für unsere Anbetung, wenn unsere Herzen wirklich auf Ihn ausgerichtet sind und Bewunderung und Verehrung empfinden? Der Heilige Geist, der dazu da ist, Ihn zu verherrlichen, wird jedenfalls an unseren Herzen darauf hinwirken.

Es ist deshalb etwas Besonderes, gemeinsam anzubeten, wenn man als Versammlung zusammenkommt. Nur als Versammlung kann man ausdrücken, dass „wir, die Vielen“ eine Einheit, „ein Leib“ sind (vgl. 1. Kor 10,17), und nicht nur ein loser Verbund einzelner Glaubender.

 

Welche Gedanken sollten unser Herz leiten, wenn wir zum Gedächtnis des Herrn zusammenkommen?

Es ist schwierig, eine solche Frage zu beantworten, ohne sich eine Position als Steuerer und Leiter der Gedanken und Zuneigungen des Herzens anzumaßen, die keinem von uns zusteht, sondern das alleinige Vorrecht des Heiligen Geistes ist. Er allein ist die Quelle und Energie aller gottgemäßen Gedanken und Zuneigungen im Herzen eines Gläubigen. Er ist die „Salbung von dem Heiligen“, durch die wir „alles wissen“ und die uns „über alles belehrt und wahr ist und keine Lüge ist“ (1. Joh 2,20.27).

Doch andererseits haben wir auch das Wort Gottes und besonders jene Stellen in den Evangelien und in 1. Korinther 10 und 11, die sich auf das Mahl des Herrn, seine Einsetzung und seine Bedeutung beziehen, und wir können unsere Gedanken getrost der Leitung dieses Wortes anvertrauen, in dem sicheren Wissen, dass sich die Salbung des Geistes in uns und seine Inspiration in der Schrift nicht widersprechen werden.

Deshalb ist es sicher richtig, dass unsere Herzen, wenn wir zu seinem Gedächtnis zusammenkommen, von Gedanken geleitet werden, wie sie zum Beispiel in 1. Korinther 11,23–29 zusammengefasst werden. Wir denken:

  • an den Herrn selbst – „zu meinem Gedächtnis.“
  • an die „Nacht, in der er überliefert wurde“, mit allem, was sie mit sich brachte.
  • an seinen Leib, der für uns gegeben wurde, dargestellt in dem Brot.
  • an sein vergossenes Blut, dargestellt in dem Wein, und an den neuen Bund, der damit in Verbindung steht.
  • an sein Wiederkommen – der große Endpunkt, zu dem alles hinführt. F.B. Hole

Dabei ist die Anbetung nicht auf das Zusammenkommen als Versammlung beschränkt. Dass alle Gläubigen eine „Priesterschaft“ (1. Pet 2,5) sind, ist immer wahr, nicht nur in den Zusammenkünften. Gott wollte damals sein Volk Israel zu einem Königreich von Priestern, zu einer heiligen Nation machen (2. Mo 19,6) – später vertraute Er das Priestertum nur der Familie und den Nachkommen Aarons an (2. Mo 28). Die Versammlung ist jetzt dieses geistliche Volk, die heilige Nation, die Priesterschaft. Das ist mehr als der Einzelne, auch mehr als die Summe der Einzelnen. Christus hat nicht nur mich, nicht nur uns, Er hat die Versammlung geliebt, hat sich für sie hingegeben. Bildlich gesprochen: Für diese eine sehr kostbare Perle gab der Kaufmann alles, was er hatte (Mt 13,46). Diese Einheit als Versammlung kann man auch in der Anbetung darstelle. Ist es nicht großartig, dass es die Möglichkeit gibt, schon hier auf der Erde als sein erlöstes, himmlisches Volk anzubeten?

Anbetung ist dann nicht nur das, was man hört, sondern alles das, was in den Herzen ist. „Anbeter“ ist also nicht nur der Bruder, der jeweils aktiv ist, sondern jeder, ob Bruder oder Schwester, ob Erwachsener oder Kind, der aus dem Herzen heraus Gedanken und Empfindungen der Verehrung für Gott hat. Wenn Gläubige als Versammlung zusammenkommen und gemeinsam zur Anbetung gelangen, dann sind alle eingeschlossen. Frauen schweigen zwar in den Zusammenkünften (1. Kor 14,34), können aber im Herzen und im gemeinsamen Lied anbeten. Dabei wird jedes Gebet, jedes Lied, jeder Bibelvers, jeder Beitrag1 , vom Geist bewirkt, die Gedanken und Empfindungen jedes Einzelnen ergänzen, vertiefen und damit die Anbetung insgesamt vermehren.

 

Gemeinsame Anbetung im AT und NT – „More contrast than comparison“

Es ist bemerkenswert, dass das Neue Testament, wenn es von Anbetung spricht, an verschiedenen Stellen zurückgreift auf die Begriffe des alttestamentlichen, rituellen Gottesdienstes: Es geht um Priester und Opfer, um einen Tempel usw.

Nun ist ja die christliche Anbetung frei von Ritualismus, von Äußerlichkeiten, sie geschieht „in Geist und Wahrheit“ (s. den vorigen Beitrag). Deshalb kann es nur um eine bildhafte Übertragung gehen. Und bei dieser Bildersprache überwiegen auch (wie der Hebräerbrief deutlich macht) die Unterschiede gegenüber den Gemeinsamkeiten – wie es ein englischsprachiger Bruder ausdrückte: „more contrast than comparison“ – mehr Gegensatz als Vergleichbarkeit.

Einige Aspekte sind in der folgenden Tabelle aufgeführt und können noch ergänzt werden:

 

Der Altar und der Tisch des Herrn

Entspricht das Brotbrechen dem Opfern am Altar? Ist die Anbetung anlässlich des Brotbrechens ein Opferdienst, wie ihn das Volk Israel am Altar vollzog?

In 1. Korinther 10,14 ff. wird der Tisch des Herrn in eine Parallele zu den Opfern am Altar nach 3. Mose 1 ff. gesetzt2: Bei diesem „Tisch“ geht es nicht um das Möbelstück, sondern darum, dass im Brotbrechen Gemeinschaft praktiziert wird miteinander und mit Christus. Das Opfern damals am Altar und das Essen des am Altar Geopferten (gegessen wurde nicht am Altar, sondern an anderem Ort) war viel mehr als die bloße Handlung (das Verbrennen eines Tieres usw.) – sie machte den Teilnehmenden eins mit dem, dem der Altar geweiht war und mit dem ganzen Ritual, den Regeln und Grundsätzen, die dafür galten.

So ist es auch heute beim Brotbrechen. Dieses entspricht dem Essen von dem am Altar Geopferten im Alten Testament: Es besteht eine Gemeinschaft der Teilnehmenden miteinander, mit Christus und dem Vater, nach den Regeln und Grundsätzen, die vor Ort gelten – das sollen die Regeln sein, die Gott gesetzt hat. Das Essen von dem Brot entspricht also nicht dem Opfern am Altar, sondern dem Essen von dem Geopferten; es drückt die Gemeinschaft mit Christus aus, der sich selbst für uns geopfert hat, und mit den anderen, die ebenfalls von dem Brot essen.

Davon zu unterscheiden ist das Opfern am Altar, die Opferhandlung selbst: Das Opfer am Altar ist ein für allemal durch Christus geschehen, Er hat sich selbst geopfert. Wir bringen als Christen „geistliche Schlachtopfer“ dar; dabei wiederholen wir dieses einmalige Opfer nicht, sondern nehmen es zum Anlass für Lobpreis für Christus und den Vater. Das tun wir nicht am Altar, sondern im Heiligtum, in Gottes unmittelbarer Gegenwart. Wir essen wirklich, aber wir opfern geistlich. Die christliche Stellung „sprengt“ das alttestamentliche Bild3.

Es ist etwas Großes, Gott anbeten zu können. Für jeden Gläubigen ist das die Bestimmung des Lebens. Der Vater sucht dich und mich als seine Anbeter. In der gemeinsamen Anbetung verbindet sich die Anbetung, die Gott in einzelnen Herzen hervorbringt. Zu seinem Ziel, ein Volk von Anbetern, eine heilige Priesterschaft zu haben, kommt Gott in der Versammlung. Wenn Gläubige als Versammlung anbeten, verwirklichen sie etwas, was es ohne Störung und Missklänge erst im Himmel geben wird. Erst dann und erst dort – leider – wird die ganze Versammlung gemeinsam anbeten.

 

 

1 Zu Wortbeiträgen in den Zusammenkünften zum Brotbrechen W. Kelly, The Bible Treasury 4, S. 356 (358); J. N. Darby, Collected Writings, Vol. 7, S. 87 (107); H.L. Heijkoop in “Der Heilige Geist”, abzurufen unter www.bibelkommentare.de.  

2 Zu den Parallelen und Unterschieden zwischen dem damaligen „Ort“, an dem Gott seinen Namen wohnen lassen wollte und dem heutigen „wo zwei oder drei versammelt sind“ s. H. Mohncke, FMN 4/2009, S. 4 ff. u. 5/2009, S. 9 ff.

3 S. vertiefend C.E. Stuart, The Bible Treasury 10, S.264-265