Bibelstudium

Die Welt - eine Wortstudie

Ist der Christ aus der Welt herausgenommen, oder ist er in sie hineingesandt? In den Beiträgen dieses Hefts zum Schwerpunktthema „Welt“ klingt immer wieder an, dass der Begriff „Welt“ unterschiedliche Inhalte haben kann. Im griechischen Grundtext werden verschiedene Begriffe verwendet, die auch noch unterschiedlich übersetzt werden können. Wir möchten Euch mit dieser Wortstudie helfen, den Begriff „Welt“ und seine Bedeutungen vom Grundtext her kommend „in den Griff zu kriegen“. Das ist auch praktisch wichtig, denn es gibt in der Bibel ganz unterschiedliche Hinweise, mit der Welt umzugehen ...

 

Eine Übersetzung – drei Begriffe

Wo in deutschen Übersetzungen das Wort „Welt“ verwendet wird, kann im griechischen Grundtext einer von drei verschiedenen Begriffen stehen:

  • aion – die Welt als Zeitperiode: Stammt aus der Wortwurzel „immer“ und bezeichnet eine (unbegrenzte oder begrenzte, aber ununterbrochene) Periode; es kann mit „Ewigkeit“, oder „Zeitalter“, aber auch – und darum soll es in diesem Beitrag gehen – mit „Zeitlauf“ oder eben „Welt“ wiedergegeben werden
  • kosmos – die Welt als geordnetes System: Stammt aus der Wortwurzel „ordnen“ oder „schmücken“; neben der Hauptbedeutung „Welt“ (als geordnetes System, auch als Weltall, Erde, Universum) kommen auch die Bedeutungen „Ordnung“ oder „Schmuck“ vor
  • oikoumene – die Welt als bewohnte Erde; in den Elberfelder Übersetzungen wird dieser Begriff in der Regel mit „Erdkreis“ wiedergegeben und bezeichnet die bewohnte Erde5 oder ein bestimmtes Land, z.B. das Römische Reich, mit dem Schwerpunkt auf den Bewohnern.
Welt im Sinn von: komos alon oikoumene
Schöpfung/Erde X X  
Menschheit X   X(„Erdkreis“) 
Weltsystem (böse) X X  
Epoche; Ewigkeit   X  
Zeit „heute“   X  
Zeit (böse)   X  

 

Die Welt als Schöpfung – von Gott geschaffen und geordnet, unser Lebensraum

Die gesamte Schöpfung ist ein von Gott geordnetes System. Er hat die Welt geschaffen (Joh 1,10), die Naturgesetze gegeben, die Welt geordnet. Der Begriff kosmos wird in diesem Sinne gebraucht z.B. in der Wendung „Grundlegung der Welt“ (Mt 13,35; Eph 1,4; Heb 9,26; 1. Pet 1,20 usw.). Der Christ ist – wie alle Menschen – Teil der Schöpfung, er ist der von Gott gegebenen Ordnung unterworfen. Sein Glaube ist aber – anders als etwa noch bei den Juden – von der geschaffenen materiellen Welt mit ihren Elementen losgelöst. Im Gesetz vom Sinai spielten Zeremonien, Unreinigkeitsvorschriften usw. eine zentrale Rolle; für den Christen gelten nun geistliche Regeln: Er ist den Elementen der Welt gestorben (Kol 2,20 ff.; Gal 4,3).

Die Schöpfung kann auch im engeren Sinne betrachtet werden, auf die Erde (im Gegensatz zum Himmel) beschränkt. Auch die Erde hat eine bestimmte Ordnung, Regeln, Abläufe und Gesetzmäßigkeiten.

  • Kosmos in diesem Sinne ist der Lebensraum des Menschen im Sinne einer geordneten Umwelt: Der Mensch lebt „in dieser Welt“ (Joh 12,25). Der Herr kam in diese Welt und verließ sie wieder (Joh 13,1; 16,28). Ein Christ kann sich um die „Welt“ im Sinne der irdischen Belange und Beziehungen kümmern (die Beziehung zu einem Ehepartner gehört zu dieser irdischen Ordnung) – dies steht jedoch tendenziell in Konkurrenz mit den Belangen des Herrn (1. Kor 7,32.33). Christen „gebrauchen die Welt“ – als zeitlicher Besitz verstanden –, sollen sie aber nicht als ihr Eigentum gebrauchen (1. Kor 7,31). Wer die ganze „Welt“ gewinnt, aber seine Seele einbüßt, hat die Priorität falsch gesetzt (Mt 16,26).
  • Auch mit aion kann die „Welt“ als Lebensumfeld des Menschen gemeint sein; auch diese hat Gott gemacht (Heb 1,2; 11,3). Hier liegt mitunter der Akzent mehr auf den Zeitverhältnissen, den Lebensumständen. Die „Söhne dieser Welt heiraten und werden verheiratet“ (Lk 20,34) – das betrifft Menschen dieser Zeit, Gläubige und Ungläubige gleichermaßen; erst in der zukünftigen Welt wird das nicht mehr so sein (s. V. 36). So ist auch die „Sorge der Welt“ (Mt 13,22) keine Sorge, die sich um Weltliches = Böses dreht, sondern um die Dinge, die das damalige und heutige irdische Leben mit sich bringt (vgl. die Warnung in 1. Tim 6,17 ff. oder Phil 3,19). Nach der Aussage des Herrn sind die Söhne dieser Welt klüger als die Kinder des Lichts ihrem eigenen Geschlecht gegenüber (Lk 16,8), indem sie vorausschauend denken, planen und ihr Leben gestalten, um ihre Ziele und Interessen zu erreichen. Das ist für Jünger Jesu als Ansporn zur Klugheit z.B. im Umgang mit irdischen Mitteln zu verstehen, ihre Gegenwart auf der Erde sinnvoll zu nutzen, um bleibende Werte im Himmel zu schaffen (vgl. Mt 6,19) – für sich und für andere (etwa indem sie Geld für missionarische/ evangelistische Zwecke geben). Gefährlich wird es allerdings dann, wenn sich die Weisheit der Welt von Gott loslöst – sie wird dann Torheit (1. Kor 1,20; 2,6; 3,18), ist von unten, „eine irdische, sinnliche, teuflische“ (Jak 3,15). Ebenso ist es verhängnisvoll, wenn ein Gläubiger den jetzigen Zeitlauf lieb gewinnt (2. Tim 4,10) – denn die Zuneigung soll nicht den zeitlichen Dingen gelten, sondern den ewigen.

 

Die Welt als Menschheit – von Gott geliebt, unser Verantwortungsbereich

Die „Welt“ (kosmos) meint häufig auch einfach die dort lebenden Menschen, die Menschheit, manchmal auch im Sinne von „Öffentlichkeit“ (z.B. Joh 7,4; 8,26; 12,19; 18,20; vgl. Röm 1,8). Diese Welt – die Menschen – hat Gott so geliebt, „dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an Ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe“ (Joh 3,16). Der Herr ist in die Welt, zu den Menschen gekommen (1. Joh 4,9; vgl. Joh 14,19). Er ist nicht gekommen, um die Welt – die Menschheit – zu richten, sondern um sie zu erretten (Joh 12,47). Er ist der Heiland der Welt (Joh 4,42; 1. Joh 4,14) – die Menschen sind Gegenstand der Versöhnung (2. Kor 5,19).

In dieser Welt war der Herr und ist der Gläubige das Licht (Mt 5,14; Joh 8,12); dieses Licht muss sich, wenn es unter den Menschen scheint, von der Finsternis (s.u.: böses Weltsystem) fernhalten. Als Gläubige sind wir wie Er in die Welt gesandt (Joh 17,18), in der wir als Geheiligte leben sollen. Unter den Menschen lebte Er und leben wir als Gottes Zeugen (Joh 14,31; 17,21.23).

 

Die Welt als (böses) Weltsystem – von Gott verurteilt, unser Erprobungsbereich

Großen Raum nimmt in der Bibel die Warnung vor einer „Welt“ ein, die moralisch verdorben ist. Sie ist ein böses und Gott feindlich gegenüber stehendes System. Beide Begriffe (kosmos und aion) werden in diesem moralischen Sinne benutzt, aber mit unterschiedlicher Akzentsetzung.

  • Bei kosmos steht wieder der Gedanke des Systems, der Ordnung im Vordergrund. Die Welt in diesem Sinne wird beherrscht von Satan, dem „Fürsten dieser Welt“ (Joh 12,31; vgl. Eph 6,12) und unterliegt dem Verdammungsurteil Gottes (Joh 12,31; 1. Kor 11,32; 2. Pet 1,4). So lebt jeder Mensch, der sich noch nicht bekehrt hat, „nach dem Zeitlauf dieser Welt, nach dem Fürsten der Gewalt der Luft, des Geistes, der jetzt wirksam ist in den Söhnen des Ungehorsams“ (Eph 2,2). „Die ganze Welt liegt in dem Bösen“ (1. Joh 5,19)

Die Welt als böses System wird von drei „Motoren“ angetrieben: „alles,    was in der Welt ist, die Lust des Fleisches und die Lust der Augen und der Hochmut des Lebens, ist nicht von dem Vater, sondern ist von der Welt“ (1. Joh 2,16). Wegen dieses grundsätzlichen moralischen Gegensatzes ist die „Freundschaft der Welt Feindschaft gegen Gott“; wer diesem bösen System freundschaftlich gegenüberstehen will, „stellt sich als Feind Gottes dar“ (Jak 4,4; 1. Joh 2,15).

Der Christ ist nicht (mehr) Teil des bösen Systems, er ist „nicht von der Welt“ (Joh 17,14), sondern aus ihr auserwählt (Joh 15,19). Gott hat das Törichte, Schwache, Unedle und Verachtete der Welt auserwählt (1. Kor 1,27.28). Durch den Glauben an das Evangelium (Eph 1,13) hat der Glaubende Gottes Geist empfangen – „nicht den Geist der Welt“ –, „um die Dinge zu kennen, die uns von Gott geschenkt sind“ (1. Kor 2,12).

Die Welt liebt „das Ihre“; da der Christ „nicht von der Welt“ ist, muss er sich darauf einstellen, dass die Welt ihn hassen wird, wie sie Christus gehasst hat (Joh 15,18.19; vgl. 16,20.33; 17,14; 1. Joh 3,13). Der Christ, der durch den Glauben mit Christus eins ist, darf sagen: „durch den mir die Welt gekreuzigt ist, und ich der Welt“ (Gal 6,14). Er hat die Welt durch den Glauben überwunden (1. Joh 4,4; 5,4.5), soll sich von ihr „unbefleckt erhalten“ (Jak 1,27; vgl. 2. Pet 2,20); dabei bewahrt der Vater ihn vor dem Bösen (Joh 17,15).

  • Das Wort aion wird in einem ähnlichen Sinne verwandt wie kosmos, wenn es um die Welt als moralisch böses System geht, allerdings liegt die Betonung im Allgemeinen mehr auf der Zeitströmung, dem Zeitgeist, der die Gedanken und Gesinnung der Menschen prägt (daher die häufige Übersetzung mit „Zeitlauf“ – z.B. in Epheser 2,2: „Zeitlauf (aion) dieser Welt (kosmos)“).

Für Gläubige, die sich zu Gott bekehrt haben, ist der „Wandel nach dem Zeitlauf dieser Welt“, der sich nach Satan und den eigenen Gedanken und Begierden richtet, grundsätzlich Vergangenheit (Eph 2,2.3). Aus dieser „gegenwärtigen bösen Welt“ sind die Gläubigen durch den Tod des Herrn Jesus herausgenommen (Gal 1,4) – nicht physisch (denn körperlich sind sie noch in der Schöpfungs-Welt und sind ihren Einflüssen ausgesetzt), aber geistlich (denn sie sind den Zwängen und Mechanismen der bösen Welt entzogen, müssen sich nicht beeinflussen lassen, können anders leben).

Satan ist der Gott der Welt. Er verblendet die Gedanken der Ungläubigen, die sich seinem Einfluss nicht entziehen können, da sie den Heiligen Geist nicht haben (2. Kor 4,4). Doch wirkt der Zeitgeist auch auf Gläubige ein, das Denksystem der Welt beeinflusst sie. Deshalb fordert Paulus die Gläubigen in Römer 12,2 dazu auf, ihre praktische Gesinnung immer wieder so zu verändern, dass sie ihrer Stellung bei Gott entspricht: „Seid nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt durch die Erneuerung eures Sinnes, dass ihr prüfen mögt, was der gute und wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist“.

 

Auf einen Blick

Die drei Hauptbedeutungen des Begriffs Welt (als Übersetzung von kosmos bzw. aion) und wie der Christ jeweils zu der Welt steht, kann man – die Feinheiten außer Acht lassend – auf einen Blick folgendermaßen darstellen:

Die „Welt“ als … Der Christ …
Schöpfung – von Gott geschaffen und geordnet, durch den Sündenfall leidend

  … lebt in ihr, ist ihrer Ordnung unterworfen

… gebraucht sie mit Klugheit, aber nicht als sein Eigentum und ohne sich um diese Dinge zu sorgen oder sie lieb zu gewinnen

Menschheit – von Gott geliebt, durch Sünde gefangen

 … lebt in ihr, ist zu ihr gesandt

 … hat die Aufgabe, als „Licht“ für den Heiland der Welt zu zeugen und zu leben wie Er

böses System – von Satan regiert, Gott entgegengesetzt, von Gott verurteilt  … ist nicht von dieser Welt, sondern aus ihr auserwählt, (der Stellung nach) herausgenommen ... steht auf der Seite des Christus, den die Welt nicht erkennt und den sie hasst; sie ist ihm und er ist der Welt gekreuzigt … überwindet sie durch den Glauben, soll sie nicht lieben, sich nicht von ihr beflecken lassen … soll ihr nicht gleichförmig sein, sondern eine erneuerte, gottgemäße Gesinnung haben