Bibelstudium

Christus vor Augen Teil 7 - Kolosser 1

Bislang haben wir in Kolosser 1 den Schreiber und die Empfänger des Briefes kennen gelernt. Danach haben wir etwas über den Anlass für die Danksagungen und die Gebete des Apostels Paulus lesen können. In Vers 12 beginnt ein Abschnitt, der besonders zu Herzen gehend ist. Denn Paulus beginnt eine weitere Danksagung, die eine Person als Mittelpunkt hat: den Herrn Jesus.

 

Verse 12– 20: Danksagung im Blick auf eine Person

Es ist bemerkenswert, dass mit dem zwölften Vers ein deutlicher Wechsel in den Gedanken des Apostels eintritt. Er redet jetzt nicht mehr von unserer Verantwortung, sondern von etwas noch Größerem. Ich sage nicht „Wichtigerem“, sondern noch „Größerem“. Es sind absolute Dinge, die eben nicht von mir und meiner Treue abhängen, sondern die in sich konstant bleiben, weil sie göttlich sind. Sie haben ihre Grundlage in dem Herrn Jesus selbst.

Vers 12: Eine Danksagung zum Vater Was Paulus jetzt sagt, war nicht nur wahr von einigen wenigen gereiften Brüdern in Kolossä, sondern bezieht sich auf alle Kinder Gottes. Treu sind wir leider nicht alle. Aber das, was jetzt gesagt wird, gilt für uns alle. Der Apostel Paulus bricht anlässlich dessen, was er jetzt vor sich sieht, unvermittelt in eine Danksagung aus. Dabei wendet er sich direkt an den Vater. Er sieht in dem Vater die Quelle von Segnungen, die über die Maßen groß sind.

Das erste, was er vom Vater sagt, ist, dass dieser uns zu etwas fähig gemacht hat. In einigen sehr guten Handschriften steht: „… der euch fähig gemacht hat.“ Dann würde er die Kolosser meinen. Vielleicht ist das sogar besonders schön. Wenn man bedenkt, dass manche Gläubigen in Kolossä ihren Blick von Christus abwandten, dann ist es zu Herzen gehend, dass Paulus sie (und natürlich auch uns) daran erinnert, dass sie fähig gemacht waren zum Anteil am Erbe der Heiligen in dem Licht. Was will uns das sagen?

 

Das Erbteil

Um der Beantwortung näher zu kommen, gehen wir zuerst der Frage nach: Bezieht sich der Ausdruck „in dem Licht“ auf die Heiligen oder auf das Erbteil? An sich ist beides möglich. Beide sind „in dem Licht“. Dennoch meint Paulus hier das Erbteil. Das Erbteil der Heiligen ist in dem Licht, ist in jener Sphäre des Himmels, in der alles Licht ist, weil alles direkt von Gott redet. Gott ist Licht, und gar keine Finsternis ist in Ihm (1. Joh 1,5). Paulus geht hier nicht darauf ein, worin das Erbteil besteht. Er sagt nur, dass wir zu diesem Erbteil fähig gemacht sind. Unendliche Gnade, die uns schon jetzt fähig gemacht hat für seine Herrlichkeit – passend für sein Licht, das den kleinsten Flecken oder Fehler entdecken würde!

Und wodurch hat uns der Vater zu der ganzen Herrlichkeit, die wir in Verbindung mit dem Herrn Jesus haben werden, fähig gemacht? Es ist nicht eigentlich das Kreuz oder das Blut des Herrn, auch wenn beides nach 1. Johannes 1,7 unbedingt notwendig war. Gott hat mir zwar aufgrund des Werkes Christi die Sünden völlig vergeben. Aber das allein macht mich noch nicht fähig für den Himmel. Ein kleines Beispiel mag helfen, den Unterschied besser zu verstehen, der zwischen dem Anspruch auf ein Erbteil und der Tauglichkeit besteht, es in Besitz zu nehmen. Stellen wir uns einen noch sehr jungen Kronprinzen vor. Er mag Anspruch auf den Thron haben, aber aufgrund seiner Jugend durchaus noch nicht fähig dafür sein.

 

Die Fähigkeit, das Erbe zu besitzen, liegt im Besitz des neuen Lebens

Der Geist Gottes zeigt uns hier, dass wir nicht nur einen Anspruch auf das Erbe haben – dieser ist gegründet auf das Werk Christi am Kreuz –, sondern auch die Fähigkeit selbst, es in Besitz zu nehmen. Diese Fähigkeit ist uns durch das neue Leben geschenkt: Christus in uns, die Hoffnung der Herrlichkeit (Kol 1,27). Wir machen uns zu wenig bewusst, was es bedeutet, neues Leben, die Natur Gottes zu besitzen. Darüber schreibt besonders der Apostel Johannes. Wir könnten nicht im Himmel sein und die Offenbarung Gottes genießen – selbst wenn wir reingewaschen wären von allen Sünden – wenn wir kein göttliches Leben besäßen. Wir wären nicht fähig, auch nur das Geringste von der Offenbarung, die Er im Sohn gibt, zu erfassen.

Wir benötigen etwas von Ihm selbst, um Ihn verstehen zu können. Das ist sein Leben, seine Natur. Bei unserer Bekehrung haben wir dieses Leben geschenkt bekommen, auch wenn das zu diesem Zeitpunkt wohl kaum jemand von uns gewusst hat. Dieses neue Leben kann nicht angetastet werden, weil es von Ihm kommt und weil es seinen Sitz in Christus hat und in Ihm verborgen ist (Kol 3,3). Das macht uns sehr glücklich. Es ist unantastbar und deswegen auch ewig. Wir lesen in Johannes 17 die kostbaren Worte: „Dies aber ist das ewige Leben, dass sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen“ (Vers 3). Das ist es, wovon auch Kolosser 1,12 spricht. „Erkennen“ bedeutet „genießen können, Freude haben in dem Genuss an dieser Person“. Johannes 17,3 ist nicht direkt eine Definition des ewigen Lebens, sondern zeigt vielmehr, was das Leben ausmacht und wozu es uns befähigt. Das haben wir auch in Kolosser 1. Das neue Leben, der Besitz des neuen Lebens, versetzt uns in den Stand, unvermittelt – wenn es sein soll, jetzt in diesem Augenblick – in den Himmel zu gehen.

Ich denke dabei gern an den einen Räuber am Kreuz. Zuerst haben beide Räuber über den Mann in der Mitte gelästert. Dann spricht auf einmal der eine zu dem anderen, gleichsam am Kreuz des Herrn Jesus vorbei: „Auch du fürchtest Gott nicht?“ (Lk 23,40). Dann sagt er von dem Mann in der Mitte: „Dieser aber hat nichts Ungeziemendes getan“ (Vers 41). Dieser Räuber redete so, als kennte er Jesus schon sehr lange. Woher wusste er das alles? Weil ihn das neue Leben in ihm dazu befähigte, Christus, sein Leben, zu erkennen. Und er hatte sich doch gerade erst bekehrt und hatte seinen Herrn nur kurz erleben können!

„Dieser hat nichts Ungeziemendes getan.“ Was ist die Antwort des Herrn Jesus? „Heute wirst du mit mir im Paradies sein“ (Vers 43). Er hat ihn fähig gemacht, augenblicklich, ohne irgendeine Treue beweisen zu können oder zu müssen, in den Himmel zu gehen. Mit dem Herrn Jesus zusammen im Paradies! Dieser Räuber wurde in einem Augenblick ein geeigneter Begleiter des Herrn für alle Ewigkeit.

Fassen wir diesen wichtigen Punkt noch einmal kurz zusammen: Der Anspruch auf das Erbteil gründet sich auf das Blut Christi; die Tauglichkeit, daran teilzuhaben und in der Herrlichkeit zu sein, beruht auf der uns verliehenen neuen Natur.

 

Im Licht

Was unseren Aufenthalt „im Licht“ betrifft, so ist es wichtig zu verstehen, dass wir heute schon im Licht sind. „Wenn wir aber in dem Licht wandeln, wie er in dem Licht ist, so haben wir Gemeinschaft miteinander“ (1. Joh 1,7). Wir haben Gemeinschaft miteinander als Kinder Gottes und führen unseren Lebenswandel im Licht. Das ist heute schon wahr. „Licht“ bedeutet in der Schrift, vor allen Dingen im Neuen Testament, „Offenbarung“, bedeutet „erkennen können“. Licht ist nicht nur ein „brennendes Wort“, das alles Böse offenbart. Das Licht, das mir bei meiner Bekehrung meine Sünde zeigte, offenbarte mir zugleich die Güte Gottes, die mich davon erretten wollte. Licht macht offenbar, es ist Gottes Wesen.

Gott ist Licht und Liebe. Wenn Gott in seiner Natur tätig wird, wird Er nicht als Licht, sondern als Liebe tätig. Dafür können wir nicht dankbar genug sein. Aber Er ist und bleibt Licht. Darin führen wir unseren Lebenswandel. Wir sind nicht mehr in der Finsternis. Gott hat uns Erkenntnis gegeben über sich selbst. Dadurch sind wir nicht mehr in der Finsternis. Es ist nicht wahr, dass ein Kind Gottes einmal im Licht und dann wieder in der Finsternis ist. Wir wandeln im Licht, und wir bleiben dort. Das heißt aber auch: Wenn wir sündigen, sündigen wir mitten im Licht. Ernster Gedanke!

 

Vers 13: Errettet aus der Gewalt der Finsternis

Der Vater hat uns also fähig gemacht zu diesem herrlichen Anteil am Erbe der Heiligen in dem Licht. Alles wird auf Ihn zurückgeführt. Er ist es auch, der uns errettet hat aus der Gewalt der Finsternis. Er hat uns nicht nur fähig gemacht, sondern auch errettet aus einer ganz schrecklichen Gewalt. Wir lesen von dieser Gewalt zweimal im Epheserbrief. Diese Stellen zeigen uns, wie hoffnungslos verloren wir waren. In Kapitel 2,1.2 heißt es: „Auch euch, die ihr tot wart in euren Vergehungen und Sünden, in denen ihr einst wandeltet nach dem Zeitlauf dieser Welt, nach dem Fürsten der Gewalt der Luft, des Geistes, der jetzt wirksam ist in den Söhnen des Ungehorsams.“

In 2. Korinther 4 wird gesagt, dass dieser Fürst, Satan, den Sinn der Menschen verblendet hat: Sie können – in geistlicher Hinsicht – nicht sehen. Es ist erschütternd, dass ein Mensch in dieser Welt – und dazu gehörten auch wir! – unter der Macht eines solchen Fürsten steht. Das Furchtbare ist, dass der Mensch aus diesem Machtbereich aus eigener Kraft überhaupt nicht herauskommen kann, selbst wenn er es wollte. Aber nicht einmal das wollte auch nur einer von uns. Zudem suchte keiner von uns Gott (vgl. Röm 3). Wenn wir später doch gewollt haben, dann nur deswegen, weil der Geist Gottes bereits an unserer Seele gewirkt hat. Dadurch waren wir dann bereit, uns zu öffnen. Das ist nichts anderes als Gottes Gnade. Deswegen heißt es: „Durch Gnade seid ihr errettet … Und das nicht aus euch – Gottes Gabe ist es“ (Eph 2,5.8).

Die zweite Stelle über diese Gewalt im Epheserbrief steht in Kapitel 6. Dort heißt es: „Denn unser Kampf ist nicht gegen Fleisch und Blut, sondern gegen die Fürstentümer, gegen die Gewalten, gegen die Weltbeherrscher dieser Finsternis, gegen die geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen Örtern“ (Vers 12). Hier haben wir denselben Machtbereich wie in Kapitel 2. Nur diesmal geht es um erlöste Menschen, die mit diesem Feind zu tun haben und deren eigentlicher Kampf gegen Satan und seine geistlichen Mitstreiter stattfindet.

Es gibt viele Gläubige, denen Gott die Gnade geschenkt hat, Kinder gläubiger Eltern zu sein. Als ein solches Kind kann man den Eindruck gewinnen, dass man in den Glauben sozusagen automatisch hineinwächst – jedenfalls war das bei mir so. Wir wussten: Wir müssen uns bekehren. Und das haben wir auch getan. Aber ich habe doch nicht gewusst, was es bedeutet, im furchtbaren Machtbereich Satans zu sein. Kinder gläubiger Eltern sind genauso sündig wie alle anderen. Allein kommen auch sie aus diesem Bereich Satans nicht heraus. Es ist Jemand nötig gewesen, der uns gleichsam von außen her herausholen musste. Keiner von uns hat sich von sich heraus bekehrt. Aber Gott, unser Vater, hat uns errettet aus dieser Gewalt der Finsternis. Wir haben ewig Grund, Ihm dafür zu danken.

 

Versetzt in das Reich des Sohnes seiner Liebe

Der Vater nimmt uns nicht aus einem Machtbereich heraus, der nicht gut ist, um uns dann in einem Vakuum stehen zu lassen. Nein, Er bringt uns unter eine andere, eine gute Autorität. Er hat uns aus dem Machtbereich Satans herausgenommen und in das Reich des Sohnes seiner Liebe versetzt. Das hat Er schon getan, es ist nichts Zukünftiges! Genauso, wie Er uns schon jetzt errettet und fähig gemacht hat für das Anteil am Erbe der Heiligen, hat Er uns jetzt schon in das Reich des Sohnes seiner Liebe versetzt.

Dieses Reich ist weder die Versammlung noch weniger sein Reich auf der Erde. Als Sohn des Menschen wartet Er zur Rechten Gottes auf sein Reich, Er hat es noch nicht empfangen. In Kolosser 1,13 jedoch geht es darum, dass Gott uns aus der Gewalt Satans herausgenommen und uns in ein anderes Reich gebracht, unter die Autorität eines anderen gestellt hat, und das ist die Autorität seines eigenen Sohnes.

Im Griechischen heißt es eigentlich immer „Königreich“. In der Elberfelder Übersetzung wird das Wort jeweils mit „Reich“ wiedergegeben (Reich der Himmel, Reich Gottes, usw.). Aber wir sollten nicht denken, der Herr Jesus sei unser König. Er wird es nie sein! Er ist der König Israels, der König der ganzen Erde, aber die Versammlung wird neben Ihm stehen, nicht unter Ihm. Wir sind ein Teil von Ihm, in diesem Sinn stehen wir nicht unter Ihm. Natürlich bleibt Er Gott und Herr; das werden wir nie sein. Aber wenn es um die Herrschaft geht, stellt der Herr Jesus die Versammlung, seine Braut, neben sich.

Die Bezeichnung „Reich des Sohnes seiner Liebe“ finden wir nur hier. Damit wird jener geistliche Bereich beschrieben, in dem die Person des Herrn Jesus den wahren Mittelpunkt bildet. Er, der der Sohn der Liebe des Vaters ist, gibt diesem Bereich seinen eigentlichen Charakter. Unendliche Segnung! In Christus passend für die Herrlichkeit; in Christus errettet von der Gewalt der Finsternis und Gott so nahe gebracht, wie Er, der Sohn seiner Liebe, Ihm nahe ist!

 

Der Sohn seiner Liebe

„Sohn seiner Liebe“ – dieser Titel kommt nicht noch einmal vor in Gottes Wort. Wir haben im 2. Johannesbrief einen ähnlichen Ausdruck, wo von dem Herrn Jesus die Rede ist als von dem „Sohn des Vaters“. Hier ist Er der „Sohn seiner Liebe“. Das ist eine Herrlichkeit der Person Christi, die Er nicht verliehen bekommen hat, sondern die seit jeher sein Eigen ist. Als Sohn des Menschen wird Er über die Menschen herrschen, über die Erde usw. Das ist eine Ihm verliehene Herrlichkeit. Aber „Sohn der Liebe des Vaters“ drückt eine Beziehung aus, die ewig ist. Diese hat Er nicht irgendwann geschenkt bekommen. Er hat sie immer gehabt als der eingeborene Sohn, der im Schoß des Vaters ist.

Ich wüsste kein besseres Bild, um das besser zu verstehen, als Joseph in 1. Mose 37. Der Vater hatte ihn besonders lieb und ihm ein Gewand geschenkt. Er war der Sohn seines Alters, sagt dort die Schrift. Es existierte also eine enge Beziehung zwischen Jakob und seinem Sohn Joseph. Sie fand ihren Ausdruck in diesem schönen Gewand. Das ist ein schwaches Bild von dem, was der Herr Jesus für das Herz seines Vaters ist. Und unter genau diese Herrschaft des Herrn sind wir gekommen – unter eine Person, die der Sohn seiner Liebe ist. Er ist der volle Ausdruck der Liebe des Vaters. Christus ist der Mittelpunkt dieses Reiches. Alles in der Bibel strebt zum Herrn Jesus, und alles, was wir an Segnungen besitzen, findet in dem Herrn Jesus Grund und Ziel.

Ein zweiter Punkt kommt noch hinzu. Christus ist nicht nur der Mittelpunkt dieses Reiches, sondern auch der Maßstab für unsere Segnungen. Denn durch die Gnade haben wir teil an diesem Reich, sind mit Dem innig verbunden, der davon der Mittelpunkt ist. Das ist etwas, was uns glücklich zu machen vermag. Wenn wir ablesen wollen, welche Segnungen uns Gott geschenkt hat, müssen wir den Herrn Jesus anschauen als den Sohn seiner Liebe. Nur in Ihm können wir ablesen, was uns alles geschenkt worden ist. Das ist für den menschlichen Verstand nicht zu erfassen, aber wir können und dürfen es anbetend glauben.

Wenn der Sohn in solchen Beziehungen zum Vater steht, bedeutet das, dass wir in die gleichen Beziehungen gebracht worden sind (seine Gottheit natürlich ausgenommen). Der Herr Jesus sagt das in Johannes 15,9: „Wie der Vater mich geliebt hat, habe auch ich euch geliebt.“ Und in Johannes 17,23: „… damit die Welt erkenne, dass du mich gesandt und sie geliebt hast, wie du mich geliebt hast.“ Die Liebe des Vaters zum Sohn ist dieselbe, wie die Liebe des Vaters zu uns, seinen Kindern.

Haben wir nicht wirklich allen Grund, unserem Vater zu danken?