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Der Christ und sein Beruf

Fast jeder hat einen Beruf ausgeübt oder tut es noch. Und wenn man es heute (noch) nicht tut, weil man zum Beispiel noch Schüler ist, so wird es doch einmal dazu kommen. Als gläubiger Arbeitnehmer steht man dabei oft vor Fragen wie: Muss ich mich hier loyal verhalten, oder steht das im Widerspruch zur Wahrheit? Verhalte ich mich hier als Teamplayer, oder steht meine eigene Ehre im Vordergrund? Habe ich diese Woche nicht zu viel gearbeitet und sollte meine Zeit eher für andere Dinge investieren? In diesem Artikel wollen wir uns mit einigen dieser Fragen beschäftigen.

 

Teil I: Einstellung zur Arbeit

Die Arbeit wurde dem Menschen bereits im Garten Eden gegeben: „Und Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, ihn zu bebauen und zu bewahren“ (1. Mo 2,15). Aber erst nach dem Sündenfall lesen wir, dass die Arbeit Mühe machte: „So sei der Erdboden verflucht um deinetwillen: Mit Mühsal sollst du davon essen alle Tage deines Lebens. … Im Schweiß deines Angesichts wirst du dein Brot essen“ (1. Mo 3, 17.19). Seitdem hat die Arbeit sowohl angenehme („bebauen und bewahren“) als auch unangenehme Seiten („Mühsal“).

Der Sündenfall hatte jedoch nicht nur zur Folge, dass die Arbeit von diesem Zeitpunkt an anstrengend war. Der Mensch muss sich auch immer die Frage stellen, was positiv zur von Gott gegebenen Arbeit gehört, und was als Folge der Sünde über ein richtiges Maß hinausgeht. In diesem Spannungsfeld bewegen auch wir Christen uns; im Folgenden möchte ich einige dieser Spannungsmomente untersuchen. Wir werden immer wieder feststellen, dass es noch relativ einfach ist, die beiden gegensätzlichen Standpunkte zu benennen. Die Herausforderung aber besteht oft darin, für die konkrete Situation in unserem Arbeitsalltag ein geistliches Urteil zu fällen.

 

Lebensunterhalt oder Reichtum?

Der eigentliche Zweck der Arbeit ist es, „sein eigenes Brot zu essen“ (2. Thes 3,12; 1. Mo 3,17), d.h. den Lebensunterhalt für sich und, falls vorhanden, seine Familie zu verdienen (1. Tim 5,8), sowie, durch den Verdienst dem Bedürftigen etwas mitzuteilen (Eph 4,28). Die Kritik am „unordentlichen Wandel“ in 2. Thes 3,12 zeigt, dass ein Christ finanzielle Abhängigkeit vom Staat (d.h. in westlichen Ländern von Sozialhilfe) oder von Geschwistern vermeiden sollte, soweit es in seiner Macht steht. Sofern wir eine Arbeitsstelle haben, droht uns eher Gefahr von einer anderen Seite: Unter Lebensunterhalt versteht die Bibel, dass wir „Nahrung und Bedeckung haben“, daran „sollen wir uns genügen lassen“ (1. Tim 6,8). Allzu leicht verwechseln wir diesen Lebensunterhalt mit einem Lebensstandard, der von der Gesellschaft als erstrebenswertes Ziel vorgegeben wird und von Wohlstand und Lifestyle geprägt ist. Mit zunehmendem Wohlstand steigt dann auch das Anspruchsdenken: „Wer das Geld liebt, wird des Geldes nicht satt“ (Pred 5,9). Es ist für jeden von uns immer wieder eine persönliche Herausforderung, die Grenze zwischen Sparsamkeit einerseits (die gut ist, denn ein „Versorge-Auftrag“ ist u.a. auch ein Vorsorgeauftrag, 1. Tim 5,8) und Geldliebe beziehungsweise dem Reichwerden-Wollen andererseits für sich zu erkennen und nicht zu überschreiten, vor der das Wort Gottes sehr eindeutig warnt (z.B. 1. Tim 6,9.10; Ps 62,10). Der Weg zur vermeintlichen Unabhängigkeit von Gott ist hier nicht weit, daher drückt es Agur einmal so aus: „Armut und Reichtum gib mir nicht, speise mich mit dem mir beschiedenen Brote, damit ich nicht satt werde und spreche: Wer ist der Herr?“ (Spr 30,8).

 

Bestätigung oder Selbstverwirklichung?

Bei vielen Menschen ist gar nicht unbedingt die Geldliebe der Antrieb zur Arbeit, sondern deren Beitrag zur Selbstverwirklichung. Man identifiziert sich mit dem Beruf und sieht diesen als ein Statussymbol an, und manche suchen darin gar den Sinn des Lebens. Trotzdem muss die eigentliche Sehnsucht des Menschen ungestillt bleiben, weil sie über das Irdische hinausgeht: „Alle Mühe des Menschen ist für seinen Mund, und dennoch wird seine Seele nicht gefüllt“ (Pred 6,7).

Auf der anderen Seite ist das „Bebauen und Bewahren“ im Garten Eden ein positiver Auftrag von Gott, die Arbeit gibt auch dem Gläubigen positive Impulse. Sie kann Selbstwertgefühl geben durch das Empfinden, etwas Nützliches zu tun oder gebraucht und gelobt zu werden. Sie kann auch einfach Freude machen oder umgekehrt helfen, Leid zu vergessen. Aber die Grenze zum „Aufgehen in der Arbeit“ ist wieder fließend und die Gefahr da, Vertrauen oder gar Stolz auf die eigene Stärke zu empfinden: „… und du in deinem Herzen sprichst: Meine Kraft und die Stärke meiner Hand hat mir dieses Vermögen geschafft“ (5. Mo 8,17).

Auch können wir uns einen gewissen Status in unserem Freundeskreis oder gesellschaftlichen Umfeld versprechen durch unsere berufliche Position. Dies kann u.a. ein Status sein, der sich über Einkommen oder Vermögen definiert. Aber kann nicht schon einfach der Stolz auf die interessante Tätigkeit oder die erreichte Position uns zur Gefahr werden? Die Schrift sagt dazu: „Des Menschen Stolz wird ihn erniedrigen; wer aber demütig ist, wird Ehre erlangen“ (Spr 29,23).

Umgekehrt darf man auch nicht unbedingt Selbstbestätigung im Beruf erwarten. Weder eine – nach meiner Meinung – unterdurchschnittliche Ausbildung noch eine eintönige Tätigkeit sollten den Gedanken aufkommen lassen, wir täten etwas Minderwertiges oder seien gar minderwertig. Unsere eigentliche Anerkennung ist uns immer sicher, da sie von unserem Herrn kommt, für den wir auch unseren Beruf ausüben: „Was irgend ihr tut, arbeitet von Herzen, als dem Herrn und nicht den Menschen, da ihr wisst, dass ihr vom Herrn die Vergeltung des Erbes empfangen werdet; ihr dient dem Herrn Christus“ (Kol 3,23). Der Zweck unserer Arbeit ist letztendlich der Broterwerb, das wird oft mit „Mühsal“ verbunden sein, aber Spaß oder menschliche Anerkennung ist uns nicht verheißen.

 

Himmlische Berufung und irdischer Beruf

Als Menschen bedeutet die Arbeit für uns Lebensunterhalt, als Gläubige stehen wir noch in einer anderen Beziehung zu ihr. Unser irdischer Beruf ist nämlich im Grundsatz eine Tätigkeit für unseren Herrn, nicht für die Menschen um uns herum: „... indem ihr mit Gutwilligkeit dient, als dem Herrn und nicht den Menschen“ (Eph 6,5–9). In diesem Sinn sind wir alle stets im vollzeitlichen Dienst für unseren Herrn, was bedeutet, dass wir uns auch immer zur Ehre Gottes verhalten sollten: „Ob ihr nun esst oder trinkt oder irgendetwas tut, tut alles zur Ehre Gottes“ (1. Kor 10,31). Dies bedeutet auch, dass wir unsere Kraft und Fähigkeiten in den Dienst dieser Arbeit stellen. Schon bei der Berufswahl sollten wir darauf achten, dass die uns von Gott gegebenen Gaben, jedenfalls wenn es möglich ist, in der angestrebten Tätigkeit eingesetzt werden können.

Auf der anderen Seite bleibt der Beruf eine Tätigkeit für unser irdisches Dasein. Unser Sinnen sollte sich dabei jedoch nicht auf die Dinge dieser Erde richten, da „unser Bürgertum in den Himmeln ist“ (Phil 3,19– 20; Kol 3,2). Unsere eigentliche Berufung ist nicht irdisch, sondern himmlisch, und dies gibt jeder irdischen Institution den richtigen Stellenwert. Wenn wir diese Prioritäten beachten, wird Gott uns auch im Irdischen versorgen: „Trachtet aber zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, und dies alles wird euch hinzugefügt werden“ (Mt 6,33).

 

Zeit und Kraft wofür?

Oft ist es aber gar nicht eine Frage des grundsätzlichen Stellenwerts der Arbeit, sondern der begrenzten Zeit und Kraft, die wir zur Verfügung haben, die uns dazu zwingt, immer wieder die richtigen Prioritäten für Beruf, Familie, Freunde, Entspannung, Versammlung (Gemeinde) und christlichen Dienst zu setzen. Auch für uns Gläubige kann der Einfluss des Wortes Gottes erstickt werden durch die Beschäftigungen des Alltags: „Was aber in die Dornen fiel, das sind solche, die gehört haben und hingehen und durch Sorgen und Reichtum und Vergnügungen erstickt werden und nichts zur Reife bringen“ (Lk 8,14). Ein ausgewogenes zeitliches Engagement im Beruf erfordert Disziplin und Zeitmanagement. Da Aufgaben, je nach Tätigkeit, nicht immer konkret vorgegeben werden, sondern sich aus der Funktion im Unternehmen ableiten, wird selbstständiges Arbeiten vorausgesetzt; nur mit Eigeninitiative lassen sich die vorgegeben Ziele erfüllen. Dadurch stehen wir manchmal selbst vor der Entscheidung, etwas zu tun oder zu lassen. Dabei reicht die reguläre Arbeitszeit oft für die Menge der Aufgaben nicht aus. Unsere Herausforderung besteht dann darin, im richtigen Moment „nein“ zu sagen. Dies ist noch einfacher, wenn man eine Aufgabe ablehnen kann, die auf freiwilliger Basis vergeben wird. Schwierig kann es Der Christ und sein Beruf aber werden, wenn man dem Vorgesetzten deutlich machen muss, dass man trotz erheblichem Einsatz an Grenzen stößt.

Auch die Motive für unsere Einsatzbereitschaft sollten wir im Auge behalten. Anstatt der Erfüllung unserer Aufgaben kann nämlich auch Ehrgeiz unser Motor sein. Oder sogar ein gewisses Machtstreben, denn Einfluss kann auch durch fleißiges Schaffen von Fakten erreicht werden. Manchmal kann die Arbeit auch zu einer Flucht werden – vor der Verantwortung in der Familie oder der örtlichen Versammlung oder vor anderen Problemen.

Die richtige Einstellung zur Arbeit ist damit nicht etwas, das man einmal lernt und dann begriffen hat, sondern wir benötigen dazu täglich neue Weisheit, die wir von unserem Herrn erbitten können. „So lehre uns denn zählen unsere Tage, damit wir ein weises Herz erlangen!“ (Ps 90,12).