Streber erwünscht

 

Streber erwünscht

Wie bitte: Streber erwünscht? Was soll denn diese Überschrift ausgerechnet in einer christlichen Zeitschrift? Sind Streber nicht die Menschen, die in der Schule den meisten auf die Nerven gehen? Die immer nur nerven, weil sie die Ersten und die Besten sein wollen? Die keinen Spaß mitmachen und sich permanent beim Lehrer ins beste Licht setzen wollen? Nein danke, auf solche Streber können wir gerne verzichten!

Auch im Berufsleben kennen wir Streber. Wie in der Schule sind sie nicht sonderlich beliebt. Nein, Streber sind hier wirklich nicht erwünscht. Wir machen lieber einen möglichst großen Bogen um sie herum.

Aber Moment mal! Was sagt denn die Bibel dazu? Spricht die Bibel überhaupt über diese unbeliebte Gattung Mensch? Nein, das Wort „Streber“ in diesem speziellen Sinn kommt in der Bibel tatsächlich nicht vor. Was es aber in der Bibel sehr wohl gibt, sind Menschen, die nach etwas „streben“. Also doch Streber – nur in einem etwas anderen Sinn ...

Mancher Leser ahnt schon, was gemeint ist. Klar, es geht darum, dass wir an einigen Stellen im Neuen Testament aufgefordert werden, nach etwas zu streben. Es geht um Dinge, um die wir uns als Christen inten- siv bemühen sollen. Die Stellen, in denen das Wort „streben“ vorkommt, kannst du ja mal anhand eines Wörterregisters der Bibel (einer sogenannten „Konkordanz“) her- ausfinden. Für heute wollen wir uns einen dieser Verse mal etwas genauer ansehen:

„Du aber, o Mensch Gottes, fliehe diese Dinge; strebe aber nach Gerechtigkeit, Gottseligkeit, Glauben, Liebe, Ausharren, Sanftmut des Geistes“ (1. Tim 6,11).

In diesem Vers finden wir 6 christliche Qualitäten (wir könnten auch „Tugenden“ sagen), nach denen wir streben sollen. 6 Qualitäten, um die wir uns im täglichen Leben echt bemühen sollen – egal ob wir jung oder schon etwas älter geworden sind. Paulus sagt nicht umsonst: „Du aber“. Das geht uns alle ganz persönlich an!

Von Natur aus fällt uns das ganz schön schwer, und wir merken schnell, dass wir das gar nicht packen. Wir würden eigentlich viel lieber nach anderen Dingen streben. Des- halb redet Paulus seinen jüngeren Freund Timotheus auch als „Mensch Gottes“ an. Wenn wir dem Herrn Jesus gehören, Ihn lieb haben und uns nicht auf die eigenen Fähigkeiten, sondern auf Gott stützen, sind wir Menschen Gottes. Dann gibt Er uns die Energie, uns um diese „Qualitäten“ zu bemühen. Aber in den Schoß fallen sie uns garantiert nicht:

1. Gerechtigkeit: Gerechtigkeit bedeutet hier, dass wir so leben, wie Gott es gerne hat. Wer gerecht lebt, entspricht dem Standard Gottes. Wir tun das aus Dankbarkeit dafür, dass Gott uns in dem Herrn Jesus „gerechtfertigt“ hat. Vor Gott ist jeder gerecht, der das Werk des Herrn Jesus für sich in Anspruch nimmt und an Ihn glaubt (vgl. z.B. Röm 5,1). Das ist unsere christliche Stellung. Gott hat sie uns aus Gnade geschenkt. Aber jetzt möchte Er, dass wir uns auch im Alltag als gerechte Menschen verhalten (vgl. z.B. Tit 2,12). Das ist Praxis. Und dann bedeutet Gerechtigkeit, dass wir uns so benehmen, dass niemand uns etwas vorwerfen kann. Das fängt im Straßenverkehr an, hört aber bei der Steuererklärung nicht auf. Unsere Mitmenschen beobachten uns täglich! Sie wissen manchmal besser als wir, was man als Christ macht, und was man nicht tut. Lasst uns deshalb nach Gerechtigkeit streben.

2. Gottseligkeit: Vielleicht hast du das Wort schon öfter mal in der Bibel gelesen. Trotzdem kannst du damit nicht so richtig etwas anfangen. Klar, im allgemeinen Sprachgebrauch gibt es das Wort ja so gut wie nicht mehr. Und wenn du in einer Bibelauslegung liest, dass „Gottseligkeit“ so etwas wie „Frömmigkeit“ ist, hilft dir das auch nicht so richtig weiter. Wer will denn schon ein „Frommer“ sein. Aber so schwierig ist das gar nicht. Streben nach Gottseligkeit (eine andere Übersetzung ist tatsächlich Frömmig- keit) bedeutet, dass wir als Christen den festen Entschluss fassen, unser Leben zur Ehre Gottes zu leben. Wir wollen so leben, dass Gott Freude daran hat. Gerechtigkeit hat es mehr mit unseren Mitmenschen zu tun. Gottseligkeit hat es mehr mit Gott zu tun (obwohl man das auch nach außen sehen kann und sehen sollte). Bemühen wir uns wirklich um diese Gottseligkeit?

3. Glauben: Jetzt fragst du vielleicht: Warum soll ich denn nach Glauben streben? Ich habe doch dem Herrn Jesus geglaubt und Ihn als meinen Herrn und Heiland angenommen. Das stimmt, aber dieser rettende Glaube an den Herrn Jesus ist an dieser Stelle nicht gemeint. Es geht um den Glauben, das Vertrauen, des Christen im Alltag. Unser ganzes Leben soll von praktischem Glauben geprägt sein. Paulus sagt einmal: „Denn wir wandeln (leben) durch Glauben, nicht durch Schauen“ (2. Kor 5,7). Wir Christen sind von Dingen überzeugt, die wir mit unseren Augen noch gar nicht gesehen haben. Trotzdem sind diese Dinge ganz real.Und damit wir uns über das freuen können, was Gott uns Christen gegeben hat, brauchen wir Glauben. Wir vertrauen Gott, dass alles, was Er gesagt hat, auch tatsächlich stimmt. Und deshalb können wir unser Leben fest auf Gottes Aussagen in seinem Wort hin führen. Wir dürfen auch im Gebet immer wieder unsere Glaubensbeziehung zum Herrn Jesus vertiefen, indem wir zum Beispiel fest auf seine Führung vertrauen –und nicht auf Wissen, Geld oder ideale Umstände. Es lohnt sich, nach diesem Glauben zu streben.

4. Liebe: Das ist ein Wort, mit dem wir etwas anfangen können. Aber Vorsicht! Nicht alles, was wir in unserer Welt „Liebe“ nennen, ist auch wirklich „Liebe“. Manchmal sagen wir „Liebe“ und meinen genau das Gegenteil, nämlich „Egoismus“. So eine Liebe ist hier natürlich nicht gemeint. Nein, es geht um die Liebe Gottes, die in unsere Herzen ausgegossen ist (Röm 5,5). Göttliche Liebe meint, jemanden zu lieben, auch wenn da gar nichts Liebenswertes zu finden ist. Genauso hat Gott uns doch geliebt, als Er seinen Sohn für uns gegeben hat (Joh 3,16). Und jetzt möchte Er, dass wir im täglichen Leben etwas von dieser Liebe weitergeben. Da sind unsere Glaubensgeschwister, die wir lieben dürfen. Aber da sind auch die ungläubigen Menschen um uns her, die durch uns etwas von der Liebe Gottes erfahren dürfen. Nach dieser Liebe zu streben, hat also einen hohen Stellenwert.

5. Ausharren: Ist Ausharren nur etwas für ältere und alte Leute? Oder für solche, die gerade in großen Schwierigkeiten stecken? Ich glaube nicht! Ausharren brauchen wir alle. Natürlich hat Ausharren etwas mit schwierigen Lebensumständen zu tun. Und ohne Frage gibt es Christen, die ganz besonders geprüft werden. Aber kennen wir nicht alle schwierige Lebensumstände? Im Epheserbrief lesen wir etwas von einem „bösen Tag“ (Eph 6,13), an dem wir widerstehen sollen. Was ist das für ein Tag? Es ist eigentlich unser ganzes Leben. Der Teufel versucht, uns unser ganzes Leben lang von dem Herrn Jesus abzuziehen. Da sollen wir widerstehen. Und dazu brauchen wir Ausharren. Darin sollen wir nicht nachlassen. Vielleicht wirst du in der Schule oder am Arbeitsplatz von deinen ungläubigen Kollegen drangsa- liert. Dann brauchst du Ausharren und Standfestigkeit, damit du nicht geistlich einknickst. Oder du wartest schon lange auf die Antwort Gottes auf eine Gebetsfrage – aber sie ist immer noch nicht da. Dann heißt es: warten, ausharren. Nach diesem Ausharren dürfen wir streben. Von selbst kommt es nicht.

6. Sanftmut des Geistes: Das ist eine Eigenschaft von Mädchen und von Schwächlingen, aber doch nichts für richtige Männer, die wissen, wo es lang geht, oder? Fehlanzeige! Sanftmut des Geistes brauchen wir alle (wir Männer vielleicht am meisten). Jemand hat einmal sinngemäß gesagt: „Sanftmut ist Kraftentfaltung unter geistlicher Kontrolle“. Denk mal darüber nach. Es ist etwas dran. Um wirklich nach Sanftmut zu streben, brauchen wir die Kraft des Geistes Gottes. Ausharren hat es mehr mit unseren Lebensumständen zu tun, Sanftmut ist eine Eigenschaft, die im Umgang mit Menschen sichtbar wird. Wer sanftmütig ist, besteht nicht auf seinen Rechten. Er setzt sich nicht um jeden Preis durch. Er will nicht immer der Erste, Beste und Schönste sein. Ein sanftmütiger Mensch ist gütig, freundlich, demütig. Er ist bereit, auch mal den unteren Weg zu gehen. Ganz schön schwierig, oder? Deshalb sollen wir ja auch nach Sanftmut streben.

Die Elberfelder Bibel übersetzt das gleiche griechische Wort in Philipper 3,12 und Hebräer 12,14 mit „jagen“. Das zeigt uns, wie intensiv wir das tun sollen. Es bedeutet Anstrengung und Konzentration. Wir können das Streben mit der entschlossenen Hal tung eines Läufers in einem Wettlauf vergleichen, der alles daran setzt, den vor ihm Laufenden zu überholen. Wir sollen uns als „Menschen Gottes“ also keine Ruhe gönnen, sondern jeden Tag danach streben, die genannten „Qualitäten“ zu verwirklichen.

Es sind übrigens „Qualitäten“, die Gott verherrlichen. Wenn wir danach streben, wird in unserem Verhalten etwas von dem gesehen, was bei dem Herrn Jesus vollkommen gefunden wurde. Er ist auch hier unser einzigartiges Vorbild.

Die jugendlichen Begierde aber fliehe; strebe aber nach Gerechtigkeit, Glauben, Liebe, Frieden mit denen, die den Herrn anrufen aus reinem Herzen. (2. Timotheus 2.22)