Editorial

Grußwort

Ich hoffe, niemand von euch musste in letzter Zeit eine „Hiobsbotschaft" entgegen­nehmen. Mit diesem Ausdruck bezeichnet man in unserem Sprachgebrauch eine unerwartete negative Mitteilung, ja oft eine Schreckensnachricht. So gehört das bib­lische Buch Hiob mit zu den Büchern der Bibel, die vielen Menschen (nicht nur den Gläubigen) bekannt sind — zumindest in Grundzügen.

Dieses Werk hat über die Jahrhunderte hin immer wieder die Schriftsteller der Welt motiviert, sich mit dem Thema des Leides in ihren Werken auseinanderzusetzen, mit unübersehbaren Anspielungen und Verweisen auf die Geschichte Hiobs. Das bekann­teste Beispiel in der deutschsprachigen Literatur ist sicher J.W. Goethes Faust-Drama. Der Höhepunkt der literarischen Hiobrezeption ist vermutlich Joseph Roths „Hiob. Roman eines einfachen Mannes" (1930). Joseph Roth erzählt die Geschichte eines mo­dernen Hiob: Der in Galizien lebende jüdische Lehrer Mendel Singer wandert nach Amerika aus, und dort trifft ihn und seine Familie das Unglück so hart, dass er sich von Gott abwendet. Aber durch die wunderbare Heilung eines Sohnes wird er schließlich zu Gott zurückgeführt.

In der Literatur hat die Hiobsgeschichte eine Fülle von Deutungen erfahren.

  • Häufig hat man Hiob zwischen Dulder und Rebellen gesehen.
  • In unserem Jahrhundert wurde Hiobs Name vielfach zum Sinnbild für einen vom Schicksal geschlagenen Menschen.
  • Der atheistische Spötter George Bernard Shaw macht aus der Hiobsgeschich­te eine Satire („Ein Negermädchen sucht Gott").
  • Der Kommunist Bertold Brecht verfasst einen „Anti-Hiob" („Der Blinde").
  • Ernst Wiechert sah in Hiob („Spiel vom deutschen Bettelmann"; 1932) ein kollektives Symbol für ein leidgeprüftes Volk, das heißt, in der Hiobsgestalt kristallisierte sich für ihn das Schicksal des deutschen Volkes in den Nach­kriegsjahren.

So könnte ich fortfahren. Die Geschichte Hiobs und das Thema des Leidens lassen den Menschen nicht los. Aber das Buch der Bücher ist nicht dazu da, als Steinbruch für andere Bücher zu dienen, um eigene Gedanken und Philosophien zu vermitteln. Uns sollte in erster Linie die Frage interessieren, warum uns Gott dieses Buch gegeben hat? Was will der ewige Gott uns Menschen damit sagen?

Deshalb beginnen wir in dieser Ausgabe von Folge mir nach eine Bibelarbeit über das Buch Hiob. Aufgrund des Umfangs des biblischen Berichts wird sich die Bibelarbeit über mehrere Ausgaben erstrecken. Es ist sicher nicht immer eine „leichte" Lektüre, aber ich möchte dir doch sehr empfehlen, die Herausforderung anzunehmen, dich intensiv mit diesem Abschnitt von Gottes Wort zu beschäftigen. Es lohnt sich!