Bibel praktisch

Jeremia - der leidende Prophet

 

Kaum einen Propheten kann man persönlich besser kennen lernen als Jeremia. Er schreibt in seinem Buch viel über seine eigenen Umstände sowie über seine Empfindungen. Der Zustand im Volk Gottes war miserabel. Jeremia ertrug das nicht stoisch, sondern litt sehr darunter. Deshalb wird er auch der weinende Prophet genannt.

Widerstand der Empfänger der Botschaft

Bereits zu Beginn seines Prophetendienstes als junger Mann sagt Gott ihm, dass die Empfänger seiner Botschaften sich gegen ihn stellen werden. Gleichzeitig bekommt er die Verheißung, dass sie ihn nicht überwältigen werden (1,17-19). Die Wahrheit dieser Ankündigung hat Jeremia oft erfahren. Zunächst wollen die Juden ihn nur "mit der Zunge schlagen“, das heißt in Rededuellen zum Schweigen bringen (18,18). Härter kommt es, als die Richter seines Volkes darüber verhandeln, ob er wegen seiner Weissagungen die Todesstrafe verdient hat (26,8). Unter den ersten, die sich gegen ihn wenden und mit dem Tod bedrohen, sind die Männer seiner Heimatstadt (11,21-23).

Auch der Herr Jesus hat das erlebt. Er sagt: „Wahrlich, ich sage euch, dass kein Prophet in seiner Vaterstadt willkommen ist“ (Lk 4,24). Genauso kann es uns ergehen, wenn wir Familienangehörige und Bekannte haben, die der Wahrheit des Wortes Gottes nicht gehorchen wollen: Sie sind oft härter in ihrer Ablehnung als Leute, die wir nicht kennen. Trotzdem beginnt unser Zeugnis für den Herrn in der Regel in unserer näheren Umgebung. „Geh hin in dein Haus zu den Deinen und verkünde ihnen, wie viel der Herr an dir getan hat“ (Mk 5,19).

Körperliche Leiden

Zweimal wird berichtet, dass Jeremia wegen seiner Weissagungen geschlagen und ins Gefängnis geworfen wurde. Eingespannt im Stock, Hals und Hände eingeklemmt und unfähig sich zu bewegen, dazu verschlossen in ungesundem Gewölbe, muss er ausharren (20,2; 37,15). Einmal wird er in eine Schlammgrube geworfen (38,6). Wegen der üblen Umgebung ist das jedes Mal lebensgefährlich, doch Gott schickt ihm Befreiung oder Erleichterung. Gegen Ende seines Dienstes wird er von seinen eigenen Landsleuten mit nach Ägypten geschleppt. Er hat sie ernst davor gewarnt, diesen Weg zu gehen, doch sie hören nicht auf ihn und zwingen ihn sogar mitzugehen. Dort finden wir seine letzten Prophezeiungen. Wahrscheinlich wurde er dort umgebracht (vgl. Lk 11,47; Apg 7,52). Er erlebt den völligen Zusammenbruch des Südreiches Juda, für dessen Erhalt und Rückkehr zu dem Herrn er sein ganzes Leben gearbeitet hat.

Es ist immer eine schmerzliche Erfahrung, wenn ein Diener Gottes erleben muss, dass sein Dienst vergeblich ist und er den Zusammenbruch dessen erlebt, was er aufzubauen suchte. Doch Gott wird ihm dennoch seinen Lohn für die geleistete Arbeit geben.

Seelische Leiden

Jeremia muss dem Volk Krieg und Niederlage voraussagen. Da er selber dem Wort Gottes, das er verkünden sollte, völlig glaubt, weiß er, dass Jerusalem erobert und zerstört werden wird, wenn sie nicht Buße tut. Das lässt ihn nicht kalt, er ist nicht schadenfroh. Im Gegenteil, er trauert und weint, wenn er voraussieht, dass viele aus seinem Volk sterben müssen und andere gefangen weggeführt werden (4,19; 8,18-23; 13,17; 14,17.18). Die Prophezeiungen, rufen in ihm selbst die Wirkung hervor, die sie bei Israel haben sollte. Er erkennt und bekennt, dass sie gegen Gott gesündigt haben (14,20) und nimmt sich davon nicht aus, obwohl er selbst gottesfürchtig lebt. Damit handelt er wie andere Männer Gottes nach ihm, z.B. Esra, Nehemia oder Daniel.

Auch wir wissen, dass Gottes Gerichte bald die Erde treffen werden. Die Menschen, die nicht errettet sind, werden Furchtbares durchmachen müssen und dann für ewig verloren sein. Lässt uns das kalt? Es sollte uns anspornen, treue Zeugen für unseren Herrn zu sein. „Dieser Tag ist ein Tag guter Botschaft; schweigen wir aber …, so wird uns Schuld treffen“ (2. Kön 7,9). Paulus beschreibt in Römer 9,1-3 wie sehr es ihn schmerzt, dass seine Verwandten dem Evangelium nicht gehorchten. Unsere Botschaft wird glaubwürdiger, wenn die Empfänger erkennen, dass wir selbst davon getroffen sind. Dann reden wir nicht von oben herab und bedenken, dass auch wir solche Schuldigen waren.

Leiden durch den Widerstand falscher Propheten

Immer wieder steht Jeremia in Konkurrenz zu anderen, selbst ernannten Propheten, die das Gegenteil behaupten. Die Botschaft anderer Propheten ist oft angenehmer zu hören als seine (14,13; 28,5-11). Sie verkünden Befreiung und Ruhe, er Krieg und Verderben. Gerne hätte er den anderen Recht gegeben, doch er weiß, dass sie böse Propheten sind, deren Botschaft nicht von Gott kommt und falsch ist. Er muss diesen falschen Propheten Gericht ankündigen. Für den falschen Propheten Hananja bedeutet dies den Tod im selben Jahr (28,15-17).

Auch in der Christenheit gibt es falsche Propheten. „Denn es wird eine Zeit sein, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen werden, sondern nach ihren eigenen Begierden sich selbst Lehrer aufhäufen werden, indem es ihnen in den Ohren kitzelt“ (2. Tim 4,3). Sie sagen zum Beispiel: Da Gott Liebe ist, wird Er doch noch alle Menschen in den Himmel holen. Das klingt gut, ist aber falsch. Gottes Gerechtigkeit erlaubt es nicht, dass ein Mensch, der die Botschaft des Heils abgelehnt hat, in Gottes Gegenwart kommt. Die Predigt vom ewigen Gericht, der Hölle, ist nicht schön, gehört aber zwingend zur vollständigen Verkündigung des Evangeliums.

Keine Anerkennung

Jeremia nimmt seinen Auftrag als Prophet sehr ernst. Er arbeitet und betet für sein Volk. Doch erntet er nur Undankbarkeit (18,19) und Spott (20,8) weil er immer wieder die gleichen ernsten Worte redet. Alle misstrauen ihm; wegen falscher Verdächtigungen kommt er sogar ins Gefängnis (37,12-15).

Ähnliches können wir erleben, wenn wir das Evangelium weitersagen. Wir meinen es gut und haben auch wirklich eine lebenswichtige, rettende Botschaft. Dennoch lehnen viele diese ab. Warum? Weil sie nicht bereit sind, ihre eigene Schuld einzugestehen und sich vor Gott zu beugen.

Gott sorgt für die Gläubigen

Während Jeremia in Jerusalem ist, wird die Stadt mehrmals vom König von Babel belagert. Das führt zu einer großen Hungersnot in der Stadt, durch die viele sterben. Nach der Eroberung werden viele Gefangene, auch Jeremia, gefesselt, um nach Babel in die Gefangenschaft gebracht zu werden (37,21; 40,1-4). Doch Gott sorgt dafür, dass der Oberste der Leibwache, der von Jeremias Weissagungen gehört hatte, ihn freilässt.

Krieg bringt immer großes Leid für die Zivilbevölkerung mit sich. Davon sind auch die Gläubigen nicht ausgenommen. Auch sie leiden unter den gleichen Problemen wie die Ungläubigen. In den beiden großen Weltkriegen sind viele gläubige Soldaten gefallen und Zivilisten im Bombenhagel oder auf der Flucht umgekommen. Gibt es keinen Unterschied? Doch, denn die Gottesfürchtigen wissen, dass Gott auch in größter Not bei ihnen ist und, wenn Er es möchte, auch besondere Hilfe und Erleichterung schenkt. Das gleiche gilt für Naturkatastrophen, Wirtschaftskrisen usw. In jeder Lage sollen wir unser Vertrauen auf Gott setzen, weil wir wissen, dass Er, der uns liebt, alle Umstände lenkt, wie Er will und es gut für uns ist.

Wie geht Jeremia mit seinen Leiden um?

Eines Tages ist Jeremia so deprimiert, dass er Gott fragt: „Warum ist mein Schmerz beständig?“ (15,18) und schließlich sogar den Tag seiner Geburt verflucht (20,14-18). Doch er besinnt sich darauf, dass der Herr seine Stärke, seine Zuflucht und ein gewaltiger Held ist; auf Ihn hatte er gehofft (14,22; 16,19; 20,11), an Gottes Wort hat er Gefallen, es ist ihm zur Freude und Wonne seines Herzens (15,16). So kann er trotz aller Schwierigkeiten zum Loben auffordern: „Singt dem Herrn, preist den Herrn!“ (20,13)

Ähnlich erging es Paulus und Silas, als sie in Philippi geschlagen wurden und ins Gefängnis kamen. Um Mitternacht beteten und lobsangen sie. Gott wollte sie weiter in seinem Dienst gebrauchen und Er befreite sie (Apg 16,19-34). Als Paulus den Brief an die Philipper schrieb, saß er im Gefängnis in Rom. Trotzdem fordert er sie auf: „Freut euch in dem Herrn allezeit“ (Phil 4,4). Unsere Freude ist nicht abhängig von den äußeren Umständen, sondern davon, wie unser Herz in Gemeinschaft mit unserem Herrn ist.

Mehrmals bittet Jeremia Gott um Rache an seinen Feinden (18,21-23). Das ist ein typischer Ruf für die Zeit des Alten Testaments, der auch in den Psalmen oft vorkommt. Diese Bitte ist für uns, die wir in der Zeit der Gnade leben, nicht angebracht. Für uns gilt das Wort des Herrn Jesus: „Segnet die, die euch fluchen; betet für die, die euch beleidigen“ (Lk 6,28).

„Und ich werde dich diesem Volk zu einer festen ehernen Mauer machen, und sie werden gegen dich kämpfen, aber dich nicht überwältigen; denn ich bin mit dir, um dich zu retten und dich zu befreien, spricht der Herr“ (19,20).