Bibel praktisch

Absturzängste - und was der Adler uns sagt

Wie der Adler sein Nest aufstört, über seinen Jungen schwebt, seine Flügel ausbreitet, sie aufnimmt, sie auf seinen Schwingen trägt; so leitete ihn der Herr allein. (5. Mo 32,11.12)

Kennst auch du Absturzängste? In Zeiten zunehmender globaler Unsicherheit, immer neuer Finanzkrisen und notwendig werdender „Rettungsschirme“ für ganze Staaten ist dieser Begriff kein Fremdwort mehr.

Die Akteure an den Finanzmärkten, besonders Banken, Finanzinvestoren und private Aktienanleger, sind immer wieder von Absturzängsten geplagt. Voller Panik müssen sie manchmal zusehen, wie die Kurse in den Keller stürzen. Jeder Börsencrash, jede Finanzkrise bringt viele in größte Schwierigkeiten. Aber auch wir als Christen kommen im Leben in Situationen, wo uns angesichts von plötzlicher Krankheit, „Burn-outs“, Verlust des Arbeitsplatzes, Verlust eines lieben Angehörigen oder anderer familiärer Sorgen manchmal Absturzängste überfallen.

Tun sich in deinem Leben plötzlich Abgründe auf, die dich erschrecken? Stoßen Feinde herab, die dir schaden wollen, dich scheinbar vernichten wollen? Gottes Wort sagt uns, dass wir gerade dann in besonderer Weise die Treue und Fürsorge Gottes erfahren dürfen.

Was hat denn der Adler mit unseren Ängsten und Sorgen zu tun?

Der Adler ist ein mächtiger Raubvogel, von jeher Sinnbild von Kraft und Mut. Ornithologen sind immer wieder beeindruckt von dem gewaltigen Aufrauschen des auffliegenden Vogels. Sie erkennen ihn noch in großer Höhe an seinen breiten, brettartigen Flügeln, die sich zu den Enden hin kaum verjüngen und die eine Spannweite von zweieinhalb Metern erreichen. Seine Sehkraft ist etwa 20-mal so groß wie die eines Menschen.

In der Bibel nimmt der Adler eine besondere Stelle ein. Denn Gott selbst vergleicht sich mehrmals mit diesem Vogel, wenn es um seine Fürsorge für seine Kinder geht. Für uns enthält dieses Beispiel besonderen Trost, wenn wir von Absturzängsten bedrängt werden.

Wie der adler sein Nest „aufstört“

Der kleine Adler hat Angst. Angst, wie er sie noch nie in seinem jungen Leben gespürt hat. Wenn er über den Nestrand blickt, sieht er nur schwindelerregende Abgründe unter sich. Und nun spürt er, wie er aus dem warmen und sicheren Nest gedrängt wird – ausgerechnet von seinen Eltern. Ob sie ihn nicht mehr lieben? Wie können sie nur so etwas tun? Er verliert den Boden unter den Füßen und fällt ins Bodenlose. Verzweifelt flattert er mit den kleinen Flügeln. Er merkt zwar, wie das sein Fallen bremst und er sich etwas in der Luft halten kann. Aber lange wird das nicht gutgehen. Schon merkt er, wie seine Kräfte nachlassen. Er wird abstürzen. Denn nirgendwo ist in der wilden Felswüste auch nur ein einziger Ast zu sehen, auf dem er sich ausruhen könnte.

Da spürt er plötzlich etwas Festes unter sich, breit wie ein Brett, auf das er sich niederlassen kann. Die Gefahr ist vorüber. Es sind die Flügel des großen Adlers, die ihn nun tragen und ruhig mit ihm über die Abgründe gleiten.

Fliegen lernen

Der große Adler – Vater wie Mutter – hat seine Jungen (meist sind es zwei) mit großer Sorgfalt aufgezogen. Kilometerweit hat er Nahrung herbeigetragen und in kleine, „mundgerechte“ Bissen zerlegt. Bei Gefahr durch Feinde (z.B. Habichte, Falken) hat er seine mächtigen Schwingen über seine Jungen gebreitet. Dann wagt kein Feind mehr den Angriff. Aber er weiß: Sie können nicht endlos im Nest hocken. Dann würden sie verkümmern. Sie müssen lernen, ihre Flügel zu gebrauchen und sich selbst ihre Nahrung zu suchen. Sie müssen fliegen lernen.

Deshalb wirft er sie eines Tages aus dem Nest (er „stört es auf“). Aber damit endet seine Sorge um sie nicht. Er schwebt über seinen Jungen und beobachtet genau ihre Flugversuche. Und wenn er merkt, dass eins müde wird, lässt er sich blitzschnell unter es fallen. Dann breitet er seine breiten, starken Flügel aus und lässt das Junge darauf ausruhen.

Kann er es denn tragen? Der große Adler würde wohl lachen, wenn wir ihn fragen könnten. „Aber sicher kann ich das“, würde er sagen. „Ich kann ein Schaf oder eine Gans kilometerweit bis zu meinem Horst oben in den einsamen Felswänden tragen – und da sollte ich mein Kleines nicht tragen können?“

Die Flügel sind stark, die uns tragen

Machst du vielleicht ähnliche Erfahrungen wie der kleine Adler? Hast du Zweifel an Gottes Liebe? Plötzlich sind diese Ängste da. Nichts als Abgründe unter dir. Du fürchtest abzustürzen. Aber der allmächtige Gott, unser Vater im Himmel, hat uns in seiner Güte gerade für solche Situationen einen gewaltigen Trost gegeben. Er lässt sich herab, sich mit diesem Vogel zu vergleichen, und uns zu sagen: Genau so verhalte ich mich euch gegenüber, „wie der Adler...“.

Zwar müssen wir wie das Adlerjunge lernen, unsere „Glaubensschwingen“ zu gebrauchen. Das ist nach Jakobus 1 notwendig, wir sollen es sogar „für lauter Freude“ halten. Denn Gottes Auge ist dabei mit Sorgfalt und Liebe auf uns gerichtet. Und gerade dann, wenn wir fürchten abzustürzen, dürfen wir die wunderbare Erfahrung des Adlerjungen machen: Da sind Flügel ausgebreitet, die uns tragen, und diese Flügel sind stark.

Wir dürfen zuversichtlich sein

Unser Vers endet mit den Worten: „So leitete ihn der Herr“. Diese Erfahrungen sind also Bestandteil seiner Führung auf unserem Lebensweg. Und wohin will Er uns führen? In die engere Gemeinschaft mit Ihm selbst.

In 2. Mose 19,4 heißt es daher: „Wie ich euch auf Adlers Flügeln getragen und euch zu mir gebracht habe.“ Das ist sein Ziel mit uns.

Ja, dann mögen wir wissen, dass wir keine Kraft haben, dass die Feinde gefährlich und die Felsschluchten unter uns schroff und tief sind. Mitten in allen Zweifeln, Ängsten und Sorgen dürfen wir als Gotteskinder wissen: „Unter dir sind ewige Arme“ (5. Mo 33,27). Mit dieser Gewissheit, mit dieser Sicherheit können wir getrost in die Zukunft blicken, mögen die Abgründe unter uns auch noch so schrecklich aussehen.