Bibel praktisch

Der Generationsvertrag im Licht der Bibel

"Îhr Kinder, gehorcht euren eltern im Herrn“ (Eph 6,1). Viele der Leser haben ein Alter erreicht, wo sie nicht mehr bei ihren Eltern wohnen oder zumindest nicht mehr von ihnen abhängig sind. Sie sind aus dem Alter, in dem unmittelbarer Gehorsam geschuldet wurde, herausgewachsen. Doch sind damit die Pflichten gegenüber den Eltern ein für allemal erledigt?

Eltern sorgen für Kinder - Kinder sorgen für Eltern

Die Aufforderung zum Gehorsam führt Paulus in Epheser 6,2 weiter fort: „Ehre deinen Vater und deine Mutter, welches das erste Gebot mit Verheißung ist“. Dieser Hinweis gilt für alle, besonders für die Älteren. Das 5. Gebot vom Sinai (2. Mo 20,12) ist eines, aus dem wir nie herauswachsen, sondern in das wir hineinwachsen sollten. Es gilt, solange die Eltern leben und sogar über ihren Tod hinaus.

Ehren ist nicht das Gleiche wie gehorchen, sondern spricht von Wertschätzung. Es ist eine Verantwortung, der Kinder entsprechen sollen und auf der ein besonderer Segen des Herrn liegt.

Nach dem Abnabelungsprozess eines jungen Erwachsenen vom Elternhaus, der von beiden Seiten viel Weisheit im guten Umgang miteinander erfordert, folgt oft eine Phase, in der beide Generationen gut für sich selbst sorgen können. In dieser Zeit beinhaltet das Ehren besonders:

  • guten Kontakt pflegen,
  • den Rat der Eltern bei wichtigen Entscheidungen anhören,
  • nicht schlecht oder abfällig über die Eltern zu reden.

Doch irgendwann nehmen die Kräfte der Eltern ab, einer wird krank oder stirbt bzw. geht heim. Jetzt brauchen die Eltern Hilfe. Nun erlangt die Aufforderung, die Eltern zu ehren, eine weitere Bedeutung. Einige aus dem Leben gegriffene Situationen werden uns helfen, diese Aufgaben konkret auch im eigenen Umfeld zu erkennen.

Situation 1: Eltern werden schwach und krank

Vielleicht werden die Eltern eines Tages schwächer und schaffen ihre Hausarbeit nicht mehr. Sie brauchen regelmäßig Unterstützung im Haushalt und zwischendurch auch immer mal Krankenpflege. Wie soll ich das schaffen? Ich habe doch meine Arbeit, meinen eigenen Haushalt, meine Verpflichtungen in der Versammlung (Gemeinde)?

In 1. Timotheus 5,4b lesen wir, dass wir den Eltern Gleiches vergelten sollen, denn dies ist angenehm vor Gott. Worauf bezieht sich der Ausdruck Gleiches?

  • Als wir Babys waren, ist unsere Mutter jede Nacht aufgestanden, um uns zu stillen oder Milch aus einem Fläschchen zu geben.
  • Als wir Kinder waren, haben die Eltern uns tagelang bei unseren Kinderkrankheiten umsorgt.
  • Als wir größer wurden, haben sie uns bei den Hausaufgaben geholfen, zu Freunden gefahren und wieder abgeholt.
  • Sie haben viel Zeit investiert, eigene Interessen, Aufgaben und Hobbys zurückgestellt, kurz: Sie waren für uns da und haben geistliche, geistige und materielle Schätze für uns gesammelt (2. Kor 12,14).

Jetzt gilt es, “Gleiches zu vergelten“. Dieses Verhalten erwartet der Herr übrigens nicht nur von Kindern gegenüber ihren Eltern, sondern auch gegenüber den Großeltern. „Wenn eine Witwe Kinder oder enkel hat, so mögen sie zuerst lernen, dem eigenen Haus gegenüber fromm zu sein“ (1. Tim 5,4a). Natürlich verfügen nicht alle „Kinder“ über Wohnungen, die geeignet sind, Eltern aufzunehmen und zu pflegen. Hinzu kommt, dass nicht jeder Alleinstehende oder jedes Ehepaar die Belastungen aushalten kann, die durch die Pflege von Eltern auf sie zukommen. Zudem muss die elterliche Generation auch „wollen“. Wir sollten diese Verantwortungen aber nicht zu schnell mit Begründungen, die nicht tragfähig sind, von uns stoßen. Denn Gott hat uns als „Kindern“ diese Aufgabe übergeben. Wer sie mit seiner Hilfe ausführt, kann auch erwarten, dass Er die nötige Kraft schenkt.

Situation 2: Aktivitäten für den Herrn trotz kranker Eltern?

Ein Bruder zeigt schon als junger Mann Interesse an der Mission. Er fühlt sich berufen, nach Afrika zu gehen. Doch plötzlich werden seine Mutter und seine Tante hilfsbedürftig. Da kein anderer Verwandter die Pflege übernehmen kann, tut er es. Darüber vergehen Jahre, bis er selbst zu alt ist, um noch auszureisen.

Es stellt sich die Frage: Ist es nicht wichtiger, dem Herrn in Afrika zu dienen und dort Verlorenen das Evangelium zu verkündigen, als zwei alte Menschen zu pflegen? Es gilt zu bedenken, dass der Herr einen öffentlichen Dienst nicht annehmen kann, wenn wir unsere Aufgaben im Inneren vernachlässigen. Natürlich gibt es auch das andere Wort: „Wer Vater oder Mutter mehr lieb hat als mich, ist meiner nicht würdig“ (Mt 10,37; vgl. Lk 14,26). Damit will unser Herr aber eben nicht sagen, dass wir die natürlichen und irdischen Pflichten vernachlässigen können, sondern dass wir alles für Ihn tun sollen.

Diese zwei Beispiele sind nicht aus der Luft gegriffen, sondern beruhen auf tatsächlichen Erlebnissen. Natürlich ist jede Situation anders. Du wirst selbst erkennen, worin deine besondere Aufgabe liegt. Es wird dir nicht an Möglichkeiten fehlen, deine Eltern zu ehren.