Lebensbeschreibung

Eine echte Bekehrung

In einer Zeit, wo vieles schnell und oberflächlich behandelt wird, besteht die Gefahr, dass auch im Geistlichen manches auf der Strecke bleibt. Dazu gehört auch die Bekehrung. Je nach dem wie Gottes Wort aufgenommen wird, steht ihre Echtheit auf dem Prüfstand. Wie eine „richtige“ Bekehrung aussehen kann, illustriert die von Saulus. Anhand der Berichte in Apostelgeschichte 9, 22 und 26 werden im Folgenden einige wesentliche Elemente einer Bekehrung hervorgehoben.

Sich im Licht Gottes sehen

Was war das Erste, das Saulus auf dem Weg nach Damaskus erlebte? „Es umstrahlte ihn ein Licht aus dem Himmel“. Der streng erzogene, fanatische Saulus meinte gerade noch, die Verfolgung der Christen geschähe im Sinn Gottes. Das Gegenteil war der Fall! Und das wurde ihm sogleich deutlich, als er dem Sohn Gottes begegnete, der „das wahrhaftige Licht war … das jeden Menschen erleuchtet [d.h. jeden Menschen ins Licht stellt]“ (Joh 1,9). Diese Begegnung mit dem verherrlichten Christus vom Himmel hatte die gleiche Wirkung wie zu der Zeit, als Jesus als Mensch auf dieser Erde war: In seinem Licht wurde die Realität sichtbar. Saulus sah sich auf einmal so, wie Gott ihn sah: als Sünder.

Am Boden liegen

Saulus hatte sich stark gefühlt. Zum einen konnte er sich als erstklassiger Pharisäer auf seinen korrekten Lebenswandel etwas einbilden. Hatte er doch die Gesetze peinlich genau beachtet! Außerdem stand die ganze Ältestenschaft hinter ihm. Er reiste unter der Vollmacht der Hohenpriester. Doch „das große Licht aus dem Himmel“ warf ihn zu Boden. Ein Stärkerer trat ihm in den Weg. Sogleich merkte er, dass sein Eifer in die falsche Richtung ging und sein ganzer Ruhm dahin war. Saulus kapitulierte. Er musste anerkennen, dass er einen Retter brauchte.

E ine persönliche Begegnung mit dem Herrn Jesus

Dem unerwarteten Phänomen begegnete gewissermaßen die komplette Reisegesellschaft: Alle sahen das Licht; alle fielen zu Boden; alle hörten eine Stimme. Doch nur einer verstand das Gesagte. Nur Saulus wurde konkret angesprochen, ganz persönlich: „Saul, Saul …?“ Die Person, dessen Stimme er hörte, kannte seinen Namen. Saulus empfand, dass eine Autorität mit ihm sprach, der er verantwortlich war. Diese Person trat zwar nicht als Richter auf, forderte ihn aber dennoch zur Rechenschaft auf: „…was verfolgst du mich?“ Wie müssen diese Worte ihn getroffen haben! Er hatte sich nicht allein an Menschen versündigt, sondern vor allem an dem Herrn. In diesem Moment ging es nicht um die anderen. Nein, jetzt stand er ganz persönlich vor dem Herrn. Es ging um seine eigene Schuld.

Den Herrn Jesus im Licht Gottes sehen

Saulus wollte natürlich wissen, wer mit ihm sprach. Die Antwort war kurz: „Ich bin Jesus …“ Jesus – der Name des Mensch gewordenen Sohnes Gottes. Bisher hatte Saulus noch geglaubt, dieser Jesus wäre schon seit drei

Jahren tot. Zwar hatte man seinen Leib nicht mehr gefunden, aber das wurde ja von der jüdischen Führung damit erklärt, dass seine Jünger den Leib gestohlen hätten (vgl. Mt 28,13). Jetzt kommt auch hier die Wahrheit ans Licht: Dieser Mensch Jesus ist im Himmel, zur Rechten Gottes. Er ist das verherrlichte Haupt, und die Gläubigen bilden seinen Leib. Deshalb konnte Er sagen: „… den du verfolgst“. Saulus musste umdenken. Bisher hatte er diesen Nazaräer „für nichts geachtet“. Nun wurde ihm klar, dass sich jedes Knie vor diesem „Gerechten“ (vgl. Apg 22,14) beugen muss. Gott hatte Ihn über jeden Namen erhoben.

Gehorsam sein

Vor wenigen Stunden noch begab sich Saulus „auf seinen Weg“, indem er bei sich selbst meinte, „gegen den Namen Jesu, des Nazaräers, viel Feindseliges tun zu müssen“. Nachdem ihm nun Einhalt geboten worden war und er den Mann gesehen hatte, der dazu bestimmt ist, den Erdkreis in Gerechtigkeit zu richten (vgl. Apg 17,31), will er nicht länger seinem Eigenwillen folgen. „Was soll ich tun, Herr?“ – so lautet seine aufrichtige Frage. Damit begann die Umkehr – ähnlich wie damals bei den Volksmengen, Zöllnern und Soldaten, die auch fragten: „Was sollen wir tun?“ als Johannes die Taufe der Buße predigte (vgl. Lk 3,10.12.14). Genau darin besteht ja das Wesen einer Bekehrung: dem Gebot Gottes zu gehorchen, Buße zu tun (vgl. Apg 17,30). Die Einsicht, auf dem falschen Weg zu sein, ist nicht genug: Man will den richtigen Weg wissen und gehen.

Wie viele Sekunden mochten seit der Erscheinung des Lichts vergangen sein? Wir wissen es nicht. Saulus hatte kaum Zeit gehabt, über sein vergangenes Leben nachzudenken. Und doch kommt man zu dem Eindruck, dass in diesem Moment die Bekehrung stattgefunden hat. „Wird Jesus so erkannt und das Gewissen von Sünde überführt und gibt es eine solche demütige Unterwerfung unter Jesus als Herrn, dann haben wir es mit einer echten Bekehrung zu tun, auch wenn noch sehr vieles bleibt, was die Seele zu lernen hat“ (F.B. Hole: Grundzüge des Neuen Testaments, Band 2, S. 210 f.). Ansicht von Damaskus, 1677

Mit der Bekehrung findet gleichzeitig auch die neue Geburt statt. Und das erste Lebenszeichen eines von neuem Geborenen ist Gehorsam (vgl. 1. Joh 2,3). Noch bevor die erneuerte Seele sich der Vergebung von Schuld bewusst ist, zeigt sie Gehorsam – nicht aus Furcht vor einer Strafe, sondern weil das neue Leben so beschaffen ist. Und genau das findet sich bei Saulus. Er will sofort dem Herrn gehorchen.

Glauben

Bei keiner Bekehrungsgeschichte wird die Umkehr deutlicher als hier. Aber warum wird mit keinem Wort der Glaube erwähnt? Jede Bekehrung(sgeschichte) hat ihren eigenen Schwerpunkt. Wenn der Glaube in diesen Kapiteln auch nicht erwähnt wird, so ist er dennoch vorhanden. Liegt nicht gerade in der Frage: „Was soll ich tun, Herr?“ auch der Glaube an Christus verborgen? Würde Saulus dem Herrn Jesus gehorchen wollen, wenn er nicht an Ihn glaubte? Die Voraussetzung für eine neue Geburt ist der Glaube an Ihn: „Jeder, der glaubt, dass Jesus der Christus ist, ist aus Gott geboren“ (1. Joh 5,1). Dass der Glaube noch weitere Aspekte beinhaltet, sehen wir beim nächsten Punkt.

Fasten und beten

Das Licht, „das den Glanz der Sonne übertraf“, hatte Saulus’ Augen derart geblendet, dass er anschließend nicht mehr sehen konnte … bis drei Tage später der Jünger Ananias ihm die Hände auflegte und er wieder geheilt war. Was Saulus in diesen drei Tagen (durch)gemacht hat, wird uns im Detail nicht berichtet. Nur zwei Dinge werden erwähnt:

  1. Er aß und trank nicht, d.h. er fastete. 
  2. Er betete.

Das Fasten ist der äußerlich sichtbare Ausdruck einer tiefen inneren Beugung. Saulus nahm Abstand von allem Natürlichen und Irdischen, um ungestört in der Nähe Gottes zu sein. Jetzt hatte er Zeit, über sein vergangenes Leben nachzudenken. Wie wird ihm da die Größe seiner Sünde und sein verlorener Zustand bewusst geworden sein! Vielleicht hat er sich schon in diesen Tagen als den ersten der Sünder gesehen, weil er ein Lästerer, Verfolger und Gewalttäter gewesen war (vgl. 1. Tim 1,13). Wir können uns vorstellen, dass Saulus in seiner zerknirschten Haltung alle ihm bewussten Sünden bekannt hat und nicht eine davon verschwiegen hat.

Aber noch etwas wird ihm bewusst geworden sein: die über die Maßen überströmende Gnade und Langmut seines Herrn. Er war in die Welt gekommen, um Sünder zu erretten (vgl. 1. Tim 1,14.16.15). Daran klammerte sich Saulus jetzt im Glauben und mit großer Dankbarkeit.

Das alles mag der Inhalt seiner Gebete gewesen sein. Das Beten jedenfalls war für den Jünger Ananias der deutliche Hinweis darauf, dass Saulus ein vollständig veränderter Mensch war. Ab jetzt zählte er nicht mehr zu den Pharisäern; ab jetzt gehörte er zur christlichen Familie und wurde in diesem Sinn „Bruder“ genannt.

Zeugnis geben

Das, was dieser veränderte Mann später an die Römer schrieb: „Denn mit dem Herzen wird geglaubt zur Gerechtigkeit, mit dem Mund aber wird bekannt zum Heil“ (Röm 10,10), hatte er selbst so praktiziert. Nachdem der Heilige Geist ihn erfüllt hatte, wurde er getauft. Und es dauerte keine Woche, bis er in den Synagogen „Jesus“ predigte. Er kannte das Alte Testament bereits vor seiner Bekehrung sehr gut. Doch jetzt verstand er es auch. So konnte er sogar den Juden beweisen, dass Jesus der Christus ist. Dass solch ein Start nicht jedem Wiedergeborenen geschenkt wird, ist klar. Oft fängt es sehr klein und bescheiden an, ähnlich wie bei dem Mann, dem der Herr Jesus das Augenlicht geschenkt hatte. Er wusste zwar fast nichts, war aber trotzdem bereit, sich vor den Juden zu verantworten. Er bekannte schlicht: „Eins weiß ich, dass ich blind war und jetzt sehe“ (Joh 9,25). Wie schwach unser (öffentliches) Bekenntnis auch sein mag – eine „echte“ Bekehrung wird für andere nicht verborgen bleiben.

Hartmut Mohncke