Bibelstudium

Christus vor Augen Teil 4 - Kolosser 1

In der letzten Folge über Kolosser 1 haben wir das Dankgebet von Paulus betrachtet und besonders die Hoffnung des Christen gesehen, wie Paulus sie im Kolosserbrief beschreibt. In diesem Heft geht es ab Kolosser 1,5 um das Evangelium.

 

Das Evangelium

Nun beginnt der Apostel einen neuen Gegenstand. Paulus redet auf einmal vom Evangelium – das ist wunderbar. In Verbindung damit spricht er von vier Dingen:

  1. Die „Hoffnung“ ist Bestandteil des Evangeliums.
  2. Dieses Evangelium ist die absolute Wahrheit.
  3. Das Evangelium ist universal – es ist in der ganzen Welt.
  4. Dieses Evangelium bringt Frucht, wo immer es hinkommt, und es wächst

 

Die „Hoffnung“ ist Bestandteil des Evangeliums.

Im Allgemeinen sieht man nicht, dass das Evangelium die ganze Stellung und Hoffnung des Christen zum Inhalt hat. Wenn wir in der heutigen Zeit vom „Evangelium“ hören, verstehen wir darunter oft nicht mehr als die gute Botschaft für Ungläubige. Aber das ist zu wenig. Römer 1 zum Beispiel spricht von dem „Evangelium Gottes über seinen Sohn“ (V. 3). Das macht klar, dass das Evangelium weit mehr umfasst. Zudem dürfen wir nicht vergessen, dass  Paulus es schon lange auf dem Herzen gehabt hatte, nach Rom zu kommen, um auch den Heiligen dort „das Evangelium zu verkündigen“ ( Vers 15). Dabei waren sie längst gläubig geworden. Das Evangelium im eigentlichen, umfassenden Sinn des Neuen Testamentes stellt uns also den ganzen Umfang der geistlichen Segnungen vor die Seele, die sich auf den Tod und die Auferstehung des Herrn Jesus gründen.

Nebenbei bemerkt ist es nicht exakt, von einer frohen Botschaft zu sprechen. Die Vorsilbe „eu“ des Wortes „Evangelium“ (gr. euangélion) bedeutet nicht „froh“, sondern „gut“. Es ist eine gute Botschaft. Tatsächlich ist es eine gute Botschaft, wenn Gott mir sagt: „Du musst Buße tun!“ Froh ist sie nicht. Denn Buße zu tun ist keine Sache, über die ich mich freue. Niemand kann sich freuen, mit Gott über seine Sünden sprechen zu müssen. Und doch ist es eine gute Sache, denn sie führt zum Erkennen der Wahrheit Gottes, der Güte und Liebe Gottes. Die Kehrseite des Evangeliums ist sehr ernst. Denn wer es nicht annimmt, geht ewig verloren.

Aus Kolosser 1,5 lernen wir, dass es Gottes Wille ist, dass die Hoffnung des Christen Bestandteil der Verkündigung des Evangeliums ist. Daran erkennen wir, dass das Evangelium einen sehr weiten Blickwinkel hat in der Schrift.Wie dankbar konnten die Gläubigen in Kolossä sein, dass sie schon damals, als sie das Evangelium gehört hatten, auch die wunderbare Hoffnung des Christen kennengelernt hatten! Was Paulus ihnen jetzt schrieb, würde indes nichts anderes sein als das, was sie schon kannten. Diese Hoffnung ist eine „bewahrte“ Sache, die für uns in den Himmel „aufgehoben“ ist. Es ist jedoch nicht genug, dass Gott für uns das Erbteil aufbewahrt. Es ist auch nötig, dass wir dorthin kommen, dass wir dafür bewahrt werden – durch Glauben (1. Pet 1,5).

 

Das Evangelium ist die absolute Wahrheit.

Der zweite Gedanke im Blick auf das Evangelium ist, dass es absolut wahr ist. So spricht Paulus von „dem Wort der Wahrheit des Evangeliums“. Die Unveränderlichkeit der Wahrheit dieses Evangeliums kann nicht stärker ausgedrückt werden als durch die Hervorhebung der Person, von der das Evangelium redet. Der Inhalt des Evangeliums ist Gott in seiner Liebe und Heiligkeit (vgl.„Gnade Gottes“ in V. 6) – wir können auch sagen: Christus persönlich. Damit ist das Evangelium eine absolute Größe, es ist unveränderlich. Das ist großartig! In der Welt weicht alles. Es gibt überhaupt nichts Konstantes, es gibt überhaupt nichts, von dem wir noch sagen können: Dies ist absolut zuverlässig. Aber die Botschaft Gottes ist, seitdem Er sie mitgeteilt hat, absolut unverändert. So unverändert, wie Gott unveränderlich ist. Es gibt also schon in dieser Zeit, die selbst flüchtig und von starken Veränderungen geprägt ist, etwas, was ebenso konstant ist wie Gott selbst, nämlich das, was Er gesagt hat.

Der Apostel verbindet hier das Wort der Wahrheit des Evangeliums mit Gott selbst. Dabei war das, was Paulus verkündigte, nichts anderes als das, was die Kolosser schon gehört hatten. Es ist ihm nicht wichtig, welches Werkzeug Gott benutzt. Ich finde es daher nicht glücklich, wenn man die Lehre von Paulus und die von Johannes trennt. Es gibt an sich nur die eine Lehre des Wortes Gottes und auch nur eine Wahrheit, nicht drei Wahrheiten, sondern die Wahrheit. Natürlich ist es nicht falsch, von „Wahrheiten“ zu sprechen, wenn man die unterschiedlichen Seiten der Wahrheit meint. Aber Gottes Wort redet an sich immer nur von einer Wahrheit. Es ist ein Merkmal wirklicher Treue, wenn wir bei dem bleiben, was wir als die Wahrheit erkannt haben. Ein Aufgeben dessen, was man einmal bekannt hat, ist verhängnisvoll. Man verliert das Wesen des Ganzen: die Wahrheit Gottes.

 

Vers 6: Das Evangelium ist universal – es ist in der ganzen Welt.

Ein dritter Punkt, der hier mit dem Evangelium verbunden wird, ist dessen Universalität. Übrigens stehen alle vier Punkte in gewissem Gegensatz zum Gesetz. Das Gesetz war nicht der volle Ausdruck dessen, was Gott ist, sondern nur eine Teiloffenbarung. Es ist nicht die Wahrheit. Aber das Evangelium, das Wort Gottes des Neuen Testamentes, ist die Wahrheit, natürlich verbunden mit dem Alten Testament – sie sind nicht voneinander zu trennen. Aber es ist im universalen Sinn die Botschaft Gottes. Sie richtet sich nicht nur an ein begünstigtes Volk, wie das Alte Testament an das Volk der Juden, sondern das Evangelium ist eine allgemeine Botschaft. Und wenn es hier heißt,„dass zu euch gekommen ist, wie es auch in der ganzen Welt ist“, dann zeigt genau dies die Universalität des Evangeliums.

Wir sehen an dieser Stelle, wie sorgfältig Gott sein Wort eingegeben hat. Er schreibt sein Wort mit viel mehr System, als wir wahrnehmen. Ich habe den Eindruck, Er schreibt zuerst von dem, was speziell ist, was typisch für die Kolosser war. Dann schreibt Er etwas, was universal ist, was allgemeingültig ist. Und danach kommt Er wieder auf das Spezielle zurück. Eigentlich heißt es: „Von der (d. h. der Hoffnung) ihr zuvor gehört habt in dem Wort der Wahrheit des Evangeliums, das zu euch gekommen ist, wie es auch in der ganzen Welt Frucht bringend und wachsend ist, wie auch unter euch.“

Wir sehen zuerst, dass dieses Wort der Wahrheit zu ihnen – zu den Kolossern – gekommen war: Das ist speziell. Es ist übrigens   10  eine sehr interessante Ausdrucksweise, denn es heißt hier wörtlich:„Das Wort war zu ihnen gekommen und war jetzt bei ihnen gegenwärtig“; es war also etwas, das sie begleitete. Aber dieses Wort war auch in der ganzen Welt: Das ist universal. Es war zu ihnen persönlich gekommen und hatte seine Botschaft speziell an sie ausgerichtet, aber an sich war es seinem Charakter nach das Evangelium, das universal für die ganze Welt ist.

Später (Vers 23) sagt Paulus dann, dass er ein Diener des Evangeliums sei,„das ihr gehört habt, das gepredigt worden ist in der ganzen Schöpfung, die unter dem Himmel ist, dessen Diener ich, Paulus, geworden bin“. Paulus war ein Diener dieses Evangeliums. Und es wurde gepredigt in der ganzen Welt – das ist der Charakter des Evangeliums und zugleich die Zielsetzung Gottes. Paulus hat danach gehandelt, so weit es ihm persönlich möglich war. Das bedeutet natürlich nicht, dass er in den Wald gegangen wäre, wie Franz von Assisi es gemacht haben soll. Wir wollen über diesen Mann überhaupt nicht herabsetzend reden, aber er hat geglaubt, er müsse entsprechend dieser Schriftstelle in den Wald gehen und müsse den Tieren und den Rehen und den Füchsen das Wort Gottes predigen. Das ist natürlich nicht der Gedanke.

 

Das Evangelium bringt Frucht und wächst, wo immer es hinkommt.

Das Evangelium ist nicht beschränkt auf ein einziges Volk, sondern richtet sich an alle Menschen. Nachdem Paulus das gesagt hat, kommt er wieder auf das Spezielle zurück: „Und ist Frucht bringend und wachsend, wie auch unter euch.“ Das ist der vierte Charakterzug des Evangeliums: Es bringt Frucht, wo immer es hinkommt. Das war in der ganzen Welt so, aber auch ganz konkret bei ihnen in Kolossä.

Dass die Botschaft Gottes heute so universal ist, hat uns vielleicht noch gar nie so richtig beeindruckt und dankbar gemacht. Wir haben uns sehr daran gewöhnt, dass das Evangelium auch in unserem Land verkündigt wird. Viele haben gläubige Eltern und kennen gar nichts anderes, als von Jugend auf vertraut zu sein mit den Gedanken Gottes. Das ist ein großes Vorrecht. Wer wollte das gering schätzen? Aber dass wir gerade in einer Zeit leben, wo sich die Botschaft der Güte Gottes nicht nur auf ein bestimmtes Volk konzentriert, sollte uns dankbar machen. Denn das war nicht immer so.

Die Einschränkung auf ein Volk in dieser Welt muss Gott gleichsam wehgetan und beengt haben. So sagt der Herr Jesus: „Ich habe aber eine Taufe, womit ich getauft werden muss, und wie bin ich beengt, bis sie vollbracht ist!“ (Lk 12,50). Bis zu seinem Tod am Kreuz war Er beengt. Das will nicht sagen, dass Er Angst hatte. Nein, Er ist freiwillig in den Tod gegangen. Er ist gekommen, um hier zu sterben, nicht um hier zu leben. Aber Er war beengt, bis das Werk vollbracht war, denn Er konnte die Güte Gottes vor seinem Kreuz nicht in umfassender Weise allen schenken, die es hören wollten.

In den früheren Jahrtausenden hat Gott gewissermaßen von den Nationen überhaupt keine Kenntnis genommen. Natürlich gab es auch unter den Nationen Gläubige, wie zum Beispiel Hiob, einen der ältesten der Patriarchen. Aber die Nationen als solche standen nicht vor Gottes Augen, wenn es um seine Wege mit den Menschen ging. In dieser Hinsicht hatte Er nur ein Volk ausgewählt: Israel. Aber heute geht die Botschaft an alle Menschen. Wir leben in einer Zeit, in der die Segnungen, die mit dem Aufnehmen der Botschaft verbunden sind, über alle Grenzen menschlichen Verstehens hinausgehen. Das ist wirklich ein Grund zu danken!

 

Frucht bringen

Jetzt gilt: Wo immer das Evangelium hinkommt, da sammelt es und fügt es durch die Wirksamkeit des Heiligen Geistes Seelen zum Herrn hinzu. Dann kommt auch Frucht hervor. Wo immer es hingelangt, bringt es Frucht. Es bringt nicht immer so Frucht, wie es vielleicht wünschenswert wäre. Der Herr Jesus hat einmal in dem wunderbaren Gleichnis vom Sämann deutlich gemacht, dass der Boden des Herzens des Menschen einer Aufnahme des Samens entgegenstehen kann. Ich selber habe mich oft an diesem Gedanken getröstet.Wir sehen heute wenig sichtbare Ergebnisse, was aber nicht heißt, dass keine da sind. Aber wir sehen oft wenig Frucht nach der Verkündigung des Wortes und könnten manchmal den Eindruck haben: Es hat alles nicht viel gebracht.

Aber selbst als der vollkommene Meister, der nur guten Samen und nie falsche Methoden benutzte und der Wort für Wort die Wahrheit sagte – was keiner von uns sagen kann –, selbst als Er den Samen säte, konnte es geschehen, dass etwas auf einen Herzensboden fiel, der hart war wie ein Weg, auf dem schon viele Menschen gelaufen sind. Und dann nimmt der Teufel das weg, was dem menschlichen Herzen nicht willkommen ist.

Es kann uns auch heute passieren, dass der Herr sein Wort in unsere Herzen streut, aber wir nicht bereit sind, es anzunehmen. Dann kommt mit Sicherheit der Teufel und nimmt es weg. Wenn Du es nicht haben willst – er wird es dir wegnehmen. Doch selbst dort, wo gute Erde ist, ist die Frucht nicht überall bei 100 Prozent.

Wir merken, dass es um zwei unterschiedliche Dinge geht: das Aussäen des Wortes des Evangeliums einerseits und die Aufnah me durch unsere Herzen andererseits. Der Herr Jesus wird sich nie aufzwingen mit dem, was Er sagt. Aber wo das Evangelium hingelangt, da bringt es grundsätzlich Frucht hervor. Das ist eine große Ermutigung für Verkündiger des Evangeliums. Es wird Frucht bringen.

Wenn wir von „Frucht bringen“ hören, denken wir sogleich an den Weinstock (Joh 15). Da macht der Herr Jesus deutlich, dass Frucht bringen Abhängigkeit voraussetzt, das Bleiben am Weinstock, auch wenn sonst die wesentlichen Bedingungen dafür bei uns durch den Besitz des neuen Lebens erfüllt sind. In Römer 7 lernen wir zudem, dass Frucht das normale Ergebnis unserer Verbindung mit einem auferstandenen Christus ist. In den Versen 4.5 heißt es: „Also seid auch ihr, meine Brüder, dem Gesetz getötet worden durch den Leib des Christus, um eines anderen zu werden, des aus den Toten Auferweckten, damit wir Gott Frucht brächten. Denn als wir im Fleisch waren, wirkten die Leidenschaften der Sünden, die durch das Gesetz sind, in unseren Gliedern, um dem Tod Frucht zu bringen“. Eine ergreifende Ausdrucksweise der Heiligen Schrift! Ehe wir bekehrt waren, haben wir dem Tod Frucht gebracht. Alles, was wir taten, führte nur zum Tod.

Jetzt aber sind wir durch den Tod des Christus mit dem Herrn Jesus verbunden, der nicht nur lebt und im Himmel ist, sondern tatsächlich den allerhöchsten Platz einnimmt, den je ein Mensch eingenommen hat: den Thron seines Vaters. Mir ist erst vor wenigen Jahren bewusst geworden, dass kein Geschöpf – Christus ist kein Geschöpf! – diesen Platz mit Ihm teilen wird! Den Platz, den der Herr Jesus jetzt im Himmel hat zur Rechten Gottes, werden wir nie mit Ihm teilen. Wir werden mit Ihm über alles herrschen, weil wir sein Leib sind. Aber den Platz, den Er gegenwärtig hat als ein Geheimnis bei Gott, werden wir nicht haben. Er wird auch als Mensch immer etwas behalten, was wir nicht mit Ihm teilen werden.

Das macht mich glücklich, nicht etwa unglücklich. Denn je näher wir dem Herrn Jesus in unseren inneren Beziehungen und Erfahrungen kommen, umso mehr werden wir sehen, wie hoch Er über uns erhaben ist. Und desto mehr freuen wir uns über die Größe dessen, der uns so geliebt hat. Gerade durch unsere Verbindung mit diesem erhöhten Herrn im Himmel bringen wir jetzt Frucht für Gott.