Die Fußwaschung - heute noch aktuell

Die Fußwaschung – heute noch aktuell?

Was für eine Bedeutung hat die Fußwaschung? Sollte man sie heute noch praktizieren?

Antwort:

Das Waschen von Füßen hat einen ganz praktischen Nutzen. Besonders strapazierte Füße bedürfen einer guten Pflege und Reinigung. Ein Fußbad mit wohltemperiertem Wasser dient der Entspannung, fördert die Durchblutung und reinigt die Füße. In früheren Zeiten wurde die Fußwaschung einem Gast als Geste der Gastfreundschaft angeboten (vgl. Lk 7,44). In 1. Timotheus 5,10 steht das Waschen der Füße der Heiligen in Verbindung damit, dass Fremde beherbergt werden und anderen Hilfe geleistet wird.

Doch es stellt sich natürlich die Frage, ob die Fußwaschung in der Bibel eine darüber hinausgehende, geistliche Bedeutung hat. Der Bericht über die Fußwaschung in Johannes 13 gibt uns dazu konkrete Hinweise. An sich ist die Schil- derung schlicht – und doch zugleich beeindruckend: Der Herr Jesus selbst wäscht seinen Jüngern die Füße, nachdem Er die Oberkleider abgelegt und sich mit einem leinenen Tuch umgürtet hat. Dann gießt Er Wasser in das Waschbecken, wäscht den Jüngern die Füße und trocknet ihnen die Füße mit dem leinenen Tuch wieder ab (Joh 13,1–5). Die ersten 5 Verse beschreiben also den äußeren Ablauf der Fußwaschung. Allein die Tatsache, dass der Herr Jesus, Gottes Sohn, die Initiative ergreift und eine Fußwaschung durchführt, sollte uns bereits aufmerken lassen, denn Er ist darin unser Vorbild, wie man einige Verse später lesen kann (Joh 13,14; vgl. 1. Pet 2,21).

Christus dient seinen Jüngern

Der dann folgende Abschnitt (Joh 13,6– 11) gibt uns die Unterhaltung wieder, die der Herr Jesus mit Petrus hatte. Auf drei Reaktionen von Petrus gibt der Herr Jesus Antworten, die schrittweise die tiefere Bedeutung der Fußwaschung klarmachen:

1. Petrus ist erstaunt, dass der Herr Jesus ihm die Füße wäscht und nicht umgekehrt. Er bekommt eine bemerkenswerte Antwort: „Was ich tue, weißt du jetzt nicht, du wirst es aber nachher verstehen.“ Was ist denn so schwer daran zu verstehen, was der Herr Jesus hier tat? Er hat doch einfach die Füße gewaschen! Und warum sagt Er dann, dass Petrus es nicht verstehen könne? Offensichtlich benutzt der Herr Jesus die Handlung der Fußwaschung, um auf eine geistliche Tätigkeit hinzuweisen, die Petrus später einmal sehr deutlich verstehen würde. Es handelt sich also bei der Fußwaschung nicht bzw. nicht nur um ein Beispiel für Demut. Die „übertragene“ Fußwaschung ist vielmehr mit einer Stellung des Herrn Jesus verbunden, die Er erst „nachher“ einnehmen würde: seinen Platz im Himmel, von wo aus Er jetzt für die Seinen tätig ist.

2. Petrus’ Erstaunen mündet in Verständnislosigkeit. Er ist – wie so oft – sehr überzeugt von sich und seiner Sicht der Dinge: „Niemals sollst du mir die Füße waschen“. Aber was antwortet der Herr? Er sagt: „Wenn ich dich nicht wasche, so hast du kein Teil mit mir.“ Man hätte erwartet: „Wenn ich dich nicht wasche, hast du schmutzige Füße!“ Aber davon ist keine Rede. Vielmehr spricht er über die Frage der Gemeinschaft. „Kein Teil haben“ bedeutet „keine praktische Gemeinschaft haben“. Dieser Hinweis erklärt das Ziel der Fußwaschung: Es geht darum, dass Jünger Jesu in einer Umgebung, in der sie oft innerlich verunreinigt werden, wieder in die innere Übereinstimmung mit dem Herrn Jesus kommen und an seinen „In- teressen“ ebenfalls Freude haben.

3. Nach diesem Hinweis über die Wichtigkeit der Fußwaschung fällt Petrus in das andere Extrem. Er möchte plötzlich, dass nicht nur seine Füße, sondern die Hände und der Kopf gewaschen werden ( Vers 9). Auch hier erhält Petrus eine klare Antwort. Der Herr Jesus sagt: „Wer gebadet ist, hat nicht nötig, sich zu waschen, ausgenommen die Füße, sondern ist ganz rein.“ Auch hier wird deutlich, dass nicht der natürliche Reinigungsprozess mit Wasser gemeint sein kann, sondern ein geistlicher Reinigungsprozess. „Ihr seid rein, aber nicht alle.“ Ein echter Jünger des Herrn hat die „Waschung der Wiedergeburt“ (Tit 3,5) erlebt – und zwar ein für allemal; der Vorgang muss und kann nicht mehr wiederholt werden. Doch Judas hatte das nicht erlebt und besaß daher kein Leben aus Gott (Joh 17,12). Das Wasser ist im Wort Gottes oft ein Hinweis auf das Wort Gottes (vgl. Joh 3,5; 15,3; Eph 5,26), durch das der Herr uns sowohl zur Bekehrung (Joh 3) führt, als auch uns immer wieder innerlich reinigt (Eph 5,26). In diesem dritten Schritt wird also deutlich, dass das Wort Gottes das „Reinigungsmittel“ für den Gläubigen ist, um ihn wieder in den Genuss der Gemeinschaft mit seinem Herrn zu bringen.

Wie geschieht diese Reinigung durch den Herrn Jesus heute? Indem wir Gottes Wort lesen oder hören, bewirkt der Herr Jesus, dass es unser Inneres erreicht und wir uns entsprechend korrigieren, zurecht bringen lassen. Als Hoherpriester (Heb 4,14-16) ist Er „präventiv“, vorbeugend für uns tätig, damit wir in den Schwierigkeiten des Alltags nicht unseren Schwachheiten erliegen und sündigen. Wenn wir dann doch gesündigt haben, übernimmt Er es als unser Sachwalter, als unser Anwalt (1. Joh 2), uns unsere Sünden bewusst zu machen, damit wir sie bekennen und wieder froh den Weg mit Ihm gehen. Gerade sein Wirken als Sachwalter wird uns in Johannes 13 in der Fußwaschung vorgestellt. Wir haben einen großartigen Herrn! Lassen wir Ihn an uns wirken?!

Christen dienen einander

Im nächsten Abschnitt (Vers 12–20) fragt der Herr Jesus die Jünger zunächst: „Versteht ihr, was ich euch getan habe?“ (Vers 12). Mit dieser Frage wollte der Herr Jesus bei den Jüngern die geistliche Bedeutung dieses äu- ßeren Bildes der Fußwaschung weiter vertiefen. Aber sie sollten die Handlung des Herrn Jesus als ein vorbildliches Beispiel ansehen, damit „wie ich euch getan habe, auch ihr tut“. Hier steht nicht„was“, sondern„wie“, um anzudeuten, dass es um dieselbe innere Haltung der Demut geht.

Bei der Fußwaschung geht es also um ein Bild, das einerseits veranschaulichen soll, wie der Herr Jesus sich um die Jünger damals und heute bemüht, damit diese wieder in den Genuss der Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus zurückfinden. Das geschieht oftmals ohne das Mitwirken von Menschen, allein durch das Wort Gottes.

Andererseits zeigt der Herr Jesus in diesem Abschnitt, dass wir als Christen auch gegenseitig einen Dienst aneinander ausüben können – wenn wir dazu von Ihm gesandt sind (Vers 20). Der Herr benutzt also in seinem Dienst für uns auch seine Jünger, seine Diener. Zu diesem Dienst gehört, dass man

1. ihn in einer demütigen Haltung ausübt (vgl. das Ablegen der Oberkleider und die gebückte Haltung; s.a. Gal 6,1);

2. selbst in Reinheit lebt (vgl. das leinene Tuch);

3. das Wort Gottes benutzt (vgl. das Wasser im Waschbecken), um dem Mitchristen eine geistliche Hilfe in seiner konkreten Lage zu bieten;

4. diesen Dienst an solchen tut, die neues Leben haben (vgl. „gebadet“).

Hilfe geben und Hilfe annehmen

Die Fußwaschung in ihrer geistlichen Bedeutung sollte also heute auf jeden Fall noch praktiziert werden, und zwar in beide Richtungen: Wir brauchen sowohl die Bereitschaft, einen Hinweis, ein Bibelwort von anderen (natürlich ganz besonders auch vom Herrn direkt) anzunehmen, um dann bei uns Korrekturen vorzunehmen. Aber wir sollten auch selbst bereit sein, unseren Mitchristen in geistlicher Not beizustehen. Wir werden dazu aufgerufen, das Wort auf den „beschmutzten“ Wandel unseres Mitchristen anzuwenden, und zwar in der Gesinnung des Meisters. Gelegenheiten dazu gibt es genug: im Freundeskreis, in der Ehe (Eph 5), in der Familie oder auch im Kreis der Gläubigen allgemein. Könnte es nicht sein, dass durch eine richtig praktizierte geistliche Fußwaschung ein „Ruck“ durch unser Leben als Christen ginge und wir mehr Freude und mehr Hingabe zeigten?!

Auch Petrus hat später sehr deutlich erfahren, wie wichtig dieser Dienst ist. Er hatte den Herrn dreimal verleugnet. Diese Sünde, diese „Beschmutzung“ lastete bis zur Auferstehung des Herrn auf ihm. Aber danach hat der wunderbare Herr ihm gedient und ihn wieder zu froher Nachfolge geführt:

• Petrus hatte ein persönliches Gespräch mit seinem Herrn, in dem sein Verhältnis mit Ihm wieder in Ordnung kam (Mk 16,7; Lk 24,34);

• er konnte danach wieder einen Auftrag für den Herrn ausführen (Joh 21,6);

• Petrus wurde dann auch in Gegenwart der Jünger durch drei sehr ähnliche Fragen, die sein Inneres berührten, öffentlich wiederhergestellt (Joh 20,15–19) und war danach ein mächtiger Zeuge seines Herrn (Apg).

Außer der reinigenden Auswirkung der Fußwaschung ist auch eine Erquickung und geistliche Belebung die Folge: „Er führt mich zu stillen Wassern. Er erquickt (oder belebt, oder stellt wieder her) meine Seele“ (Ps 23,2-3).

Nebenbei sei noch bemerkt, dass es in den Briefen des neuen Testaments keine Anweisungen gibt, die Gläubige zu einer rein äußerlichen oder zeremoniellen Fußwaschung auffordern. In 1. Timotheus 5,10 wird lediglich Gastfreundschaft mit der damals üblichen Sitte der Fußwaschung verbunden, ohne dass diese Sitte für heute noch gefordert würde.

Sind wir bereit, den segensreichen Dienst der Fußwaschung an uns geschehen zu lassen oder auch einmal selbst auszuüben? Die Freude und der Segen werden nicht ausbleiben!