Damit das Staffelholz nicht auf der Strecke bleibt

Damit das Staffelholz nicht auf der Strecke bleibt

Das blanke Entsetzen stand den vier Top-Athleten der amerikanischen Sprintstaffel ins Gesicht geschrieben. Sie galten als haushohe Favoriten auf den Gewinn des Weltmeistertitels im 4 x 100 Meter-Lauf der Männer bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2005 in Helsinki. Doch die Entscheidung würde ohne sie fallen. Denn gleich beim ersten Stabwechsel hatten sie einen folgenreichen Fehler begangen und waren ausgeschieden.

Auch in unserem Leben gibt es Augenblicke, in denen wir, bildlich gesprochen, das Staffelholz weitergeben müssen. Da wird ein neuer Klassensprecher bestimmt, Kinder übernehmen Aufgaben im Haushalt, um die Eltern zu entlasten, eine bestimmte Arbeit wird an einen Kollegen weitergegeben, weil ich selbst eine neue Aufgabe übernehmen soll, um nur ein paar alltägliche Beispiele zu nennen. Im Normalfall gelingt die Übergabe reibungslos, doch hier und da kommt es auch einmal zu Schwierigkeiten. Am häufigsten tauchen Probleme leider dann auf, wenn es gilt, das Staffelholz vom Älteren an den Jüngeren weiterzureichen, egal, ob in der Familie, im Beruf oder im Zusammenleben als Gläubige.

Stabübergabe – ein von Gott gewollter Vorgang

Gottes Wort berichtet uns an verschiedenen Stellen davon, dass Aufgaben im Dienst für den Herrn weitergegeben wer- den. Im Alten Testament gehört der Dienst der Leviten dazu. Hier finden wir sogar klare Anweisungen, in welchem Alter die Leviten in den Dienst eintreten sollten und in welchem Alter sie ihre Aufgabe am Zelt der Zusammenkunft in jüngere Hände legen mussten (4. Mo 4,3;8,24;1.Chr 23,24). Im Neuen Testament fordert der Apostel Paulus sein Kind im Glauben, Timotheus, auf, das, was er von dem Apostel in Gegenwart vieler Zeugen gehört hat, treuen Zeugen anzuvertrauen, die wiederum in der Lage sein sollten, andere über das Gehörte zu belehren (2. Tim 2,2). Und da ist vor allem der Herr Jesus selbst, der für seine Jünger zu seinem Gott und Vater betet: „Wie du mich in die Welt gesandt hast, so habe auch ich sie in die Welt gesandt“ (Joh 17,18).

Stabübergabe – ein Angriffspunkt für den Feind

Schon beim Auszug des Volkes Israel aus Ägypten sehen wir, wie wichtig das einträchtige Miteinander von Jung und Alt in den Augen Gottes ist und welche Anstrengungen der Feind unternimmt, diese Eintracht zu zerstören. Mose musste dem Versuch des Pharaos, einen Keil zwischen die Alten und die Jungen des Volkes Israel zu treiben, mit aller Deutlichkeit und Schärfe entgegen tre- ten (2. Mose 10). Bis heute ist das harmonische Miteinander der Generationen eines der Hauptangriffsziele des Teufels, um der Versammlung (Gemeinde, Kirche) Gottes zu schaden und sie nach Möglichkeit ganz auszulöschen. Deshalb möchten wir im Folgenden einmal überlegen, worauf es bei der Übergabe des Staffelholzes ankommt, damit wir nicht scheitern und der Feind den Sieg davonträgt.

Wenn einer einfach stehen bleibt

Es gehört wahrscheinlich keine Fantasie dazu, um zu verstehen, dass der Stabwechsel nicht gelingen kann, wenn einer der beiden Läufer einfach stehen bleibt. Bleibt der Startläufer stehen, kommt das Staffelholz gar nicht erst in der Wechselzone an. Startet der nächste Läufer nicht, verlässt das Staffelholz die Wechselzone nicht mehr.

Wenn ich mich nicht mit Gottes Wort beschäftige, nicht darum bete, was Gott mir mit dem Gelesenen sagen möchte und wie ich es mit seiner Hilfe im Alltag verwirklichen kann, bleibe ich im übertragenen Sinn stehen. Doch wie wollen wir als Eltern unsere Kinder zu treuen Nachfolgern des Herrn Jesus erziehen, wenn der Sohn Gottes zwar unser Heiland, aber nicht der Herr über unser Leben ist? Kinder sind sehr gute Beobachter, und durch ein Leben, das nicht in Übereinstimmung mit Gottes Wort und Willen ist, machen wir Gottes Wort unglaubwürdig. Es ist klar, dass es dann zu Schwierigkeiten kommen muss, wenn die Kinder einmal das Staffelholz übernehmen sollen. Oder etwa nicht?

Und wie wollen wir als Kinder in die Fußstapfen unserer gottesfürchtigen Eltern treten, wenn wir keine eigene, lebendige Beziehung zum Herrn Jesus haben oder nicht nach seinem Willen für unser Leben fragen? Timotheus war dem Beispiel seiner Großmutter Lois und seiner Mutter Eunike gefolgt und für seinen ungeheuchelten Glauben bekannt, als der Apostel Paulus ihn zu seinem Mitarbeiter machte (2. Tim 1,5). Ein nachahmenswertes Vorbild!

Es müssen also alle Beteiligten laufen, im übertragenen Sinn also eine lebendige, aktive Glaubensbeziehung zu Gott haben, weil sie an seinen Sohn als ihren Herrn und Heiland glauben.

Wenn der Staffelläufer zu weit läuft

Die Übergabe des Staffelholzes kann aber auch dann noch scheitern. Stellen wir uns einmal vor, ein einzelner Läufer wollte die gesamten 400 Meter alleine laufen, weil er gerade so gut in Schwung ist. Das wäre doch ein unsinniges Vorhaben, bei dem er keine Chance auf den Sieg hätte, denn der Weltrekord im 400 Meter-Lauf der Männer liegt bei etwas über 43 Sekunden, während die Weltrekordler in der 4 x 100-Meter- Staffel der Männer für die gleiche Strecke weniger als 38 Sekunden benötigten.

Auch wenn ich mich noch so rüstig fühle und an allem rege teilnehme, irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem ich nicht mehr kann. Auf einmal wollen die Beine oder die Augen nicht mehr so wie früher, vielleicht lässt auch das Gedächtnis nach oder ich verstehe die Zusammenhänge des immer komplexer werdenden Schul- und Arbeitslebens nicht mehr so recht. Ganz natürliche Vorgänge, die dem einen früher, dem anderen später widerfahren.

Wenn man das Staffelholz zu lange festhält

Gerade, weil wir diesen Zeitpunkt selbst nicht im Voraus kennen, ist es so wichtig, die Jüngeren beizeiten an die Aufgaben heranzuführen, die sie so oder so irgendwann unweigerlich einmal übernehmen müssen. So lange ich selbst noch fit bin, kann ich ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Tue ich das nicht und lasse die Jüngeren nicht zum Zuge kommen, müssen sie unvorbereitet in die Bresche springen, hat der Herr mich erst einmal „zur Ruhe“ gesetzt.

Genau aus diesem Grund sollten sich die Leviten im Alter von 50 Jahren aus dem aktiven Dienst an der Stiftshütte zurückziehen. Von diesem Zeitpunkt an war nicht mehr ihre eigene Kraft gefragt, um zum Beispiel die Geräte durch die Wüste zu tragen. Dafür waren jetzt jüngere Leviten zuständig. Mussten die über 50-jährigen deshalb tatenlos zusehen? Ganz sicher nicht. Auch wenn sie selbst nicht mehr mit Hand anlegen sollten, durften sie doch die in vielen Jahren des Dienstes gewonnenen Erfahrungen an die Jüngeren weitergeben. Ein erhabenes Beispiel dafür finden wir im Neuen Testament in den Briefen des Apostels Petrus, speziell im ersten Kapitel seines zweiten Briefes.

Wie wir eingangs dieses Abschnittes schon gesagt haben, ist die Altersobergrenze für den Dienst der Leviten für uns heute sicher nicht wörtlich, sondern im übertragenen Sinn zu verstehen. Über den richtigen Zeitpunkt, den Stab loszulassen, wird der Herr jedem Gläubigen persönlich Klarheit schenken.

Wenn ein Läufer zu früh langsamer wird

Noch etwas ergibt sich aus der Altersobergrenze für den Dienst der Leviten: Im Normalfall konnten sie nicht vor dem 50. Lebensjahr aus dem Dienst ausscheiden. Das an sich sinnvolle Bestreben, Jüngere in den Dienst hineinwachsen zu lassen, darf nicht dazu führen, mich vor der Zeit aus den mir von Gott gegebenen Aufgaben zurückzuziehen. Schließlich gibt es ja genügend Aufgaben, die ich erst dann den Gedanken Gottes entsprechend erfüllen kann, wenn ich entsprechende Erfahrungen in der Lebensschule Gottes gesammelt habe. Nicht umsonst schreibt Paulus dem Timotheus, dass Neulinge im Glauben für Aufseherdienste in der Versammlung Gottes nicht geeignet sind (1. Tim 3,6). Der Apostel nennt in den vorhergehenden Versen sogar einige Voraussetzungen für Aufseher, die erst nach einer Reihe von Lebensjahren erfüllt werden können.1

Es kommt auf beide an

Jetzt hat es „den Alten“ endlich mal einer gesagt. Hoffentlich kam bei keinem dieser Gedanke beim Lesen des bisher Gesagten auf. Denn für einen gelungenen Stabwechsel kommt es nicht nur auf den an, der das Staffelholz abgeben muss. Ganz im Gegenteil! Und da sich „Folge mir nach“ in erster Linie an Jüngere als Leser richtet, tun wir gut daran, uns zu fragen, was wir zu einer gelungenen Stabübergabe beitragen können.

Wenn man zu früh losläuft

Die Übernahme des Staffelholzes wird nämlich auch misslingen, wenn ich als der übernehmende Läufer zu früh loslaufe. Der Frühstart ist gerade heute eine nicht zu unterschätzende Gefahr, denn spätestens im Berufsleben wird deutlich, wie heftig heute oft Jüngere „mit den Hufen scharren“ und nur darauf warten, ältere Mitarbeiter endlich beiseite zu schieben. Wie groß der Schaden sein kann, wird meistens dann deutlich, wenn es nicht mehr rund läuft und Fehler auftreten, die mit der Erfahrung der aufs Abstellgleis geschobenen Kollegen oft hätten vermieden werden können.

Vielleicht auch ein Grund, warum die Leviten nach den Gedanken Gottes erst mit 30 Jahren den Dienst, die Stiftshütte durch die Wüste zu tragen, übernehmen sollten (4. Mo 4: Such doch einmal alle Verse heraus, in denen in diesem Kapitel vom 30. Lebensjahr gesprochen wird). Auch hier ist damit sicherlich nicht unser Lebensalter gemeint, sondern es geht darum, im übertragenen, geistlichen Sinn 30 zu werden. Erst dann kommt der Zeitpunkt, das Staffelholz zu übernehmen. Nicht früher und nicht später. Warum dies so ist, wird uns im nächsten Abschnitt noch ausführlicher beschäftigen.

Übrigens: Die Vorbereitungszeit der Leviten auf den Dienst dauerte fast 30 Jahre, die Zeit ihres aktiven Dienstes nur 20 Jahre.

Schon allein dieses Verhältnis zeigt uns deutlich, welch schlechter Ratgeber die Ungeduld ist.

Und wenn man zu spät losläuft?

Ich kann den richtigen Moment auch verpassen und zu spät loslaufen. Um das zu vermeiden, wurden die Leviten im Gegensatz zu den übrigen Männern des Volkes Israel schon einen Monat nach ihrer Geburt das erste Mal gemustert. In einer zweiten Zählung wurden dann bei der Einsetzung des Dienstes alle Leviten erfasst, die dreißig Jahre und älter waren. Und nur sie bestimmte Gott dazu, die Geräte des Heiligtums auf der Wanderung durch die Wüste zu transportieren2. In 4. Mose 8, 24 lesen wir, dass Gott den Leviten gestattete, ab dem 5. Lebensjahr in den Dienst zu treten. Dabei scheint es sich um eine Art Lehrzeit zur Vorbereitung auf den Dienst zu handeln, den sie dann ab 30 auszuführen hatten. Spätestens an seinem 5. Geburtstag wird also jedem jungen Leviten klar geworden sein, dass er sich auf die anstehenden Aufgaben vorbereiten musste. Sind wir uns dessen heute auch noch bewusst?

Wir können nicht erst beginnen, würdig des Herrn zu wandeln, wenn wir einen Dienst für den Herrn übernehmen sollen, sondern ein dem Herrn würdiger Wandel ist eine der Voraussetzungen dafür, überhaupt für die Übernahme eines Dienstes für den Herrn befähigt zu werden. „Wer im Geringsten treu ist, ist auch in vielem treu“, sagt der Herr im Gleichnis vom ungerechten Verwalter in Lukas 16,10. Und zu dem Knecht, dem von seinem Herrn die zehn Pfunde anvertraut wurden und der für seinen Herrn zehn weitere Pfunde hinzuerwarb, wird gesagt: „Wohl, du guter Knecht! Weil du im Geringsten treu warst, so habe Gewalt über zehn Städte.“ (Lk 19,17). Nutzen wir die Zeit, die bildlich gesprochen zwischen unserer Zählung – diesen Augenblick können wir vielleicht auf unsere Bekehrung anwen- den – und dem Diensteintritt liegt, um in der Stille in Gottes Wort heimisch und für die Menschen um uns herum wahrnehmbar Täter seines Wortes zu werden.

Doch trotz bester Vorbereitung ist es möglich, dass ich den richtigen Zeitpunkt verpasse, um loszulaufen. Dies kann zum Beispiel aus falscher Zurückhaltung geschehen. So musste Timotheus von Paulus ermahnt wer- den, die ihm gegebene Gnadengabe nicht zu vernachlässigen, sondern sie zur Ehre des Herrn und zum Wohl der Gläubigen einzusetzen. Timotheus erhält diese ermunternde Ermahnung3, nachdem der Apostel Timotheus aufgefordert hat, sich seinem noch jüngeren Alter angemessen zu verhalten (1. Tim 4,11.12).

Nicht zu schnell loslaufen!

Starte ich zu schnell, kann sich mein Vorgänger noch so sehr anstrengen und seinen Arm immer weiter ausstrecken, er kann mir das Staffelholz einfach nicht mehr rechtzeitig in die Hand drücken. Und mit jedem Schritt wird die Lücke größer, sodass das Staffelholz zwangsläufig zu Boden fallen muss.

Zum Schutz vor dieser Gefahr ist es noch heute bei den Juden üblich, bestimmte Stellen aus dem Wort Gottes erst ab einem bestimmten Alter öffentlich in der Synagoge vorzulesen. So werden z.B. Stellen aus dem Hohelied grundsätzlich nur von Männern vorgelesen, die das 40. Lebensjahr vollendet haben.

Wenn wir die Verse 11 bis 16 aus dem vierten Kapitel des ersten Briefes an Timotheus sorgfältig lesen, sie auf uns wirken lassen und in unserem praktischen Handeln verwirklichen, schenkt uns Gottes Wort ein wirksames Hilfsmittel zur Geschwindigkeitsregulierung. Denn alles, was der Apostel Paulus seinem Mitarbeiter Timotheus in diesen Versen aufträgt, nimmt ganz natürlich eine gewisse Zeit in Anspruch, um es verwirklichen zu können.

Noch einmal: Es kommt auf alle an

Den entscheidenden Fehler, der die Übergabe des Staffelholzes misslingen lässt, kann also jeder der beiden Läufer begehen. Nicht zu vergessen ist außerdem die Möglichkeit, dass beiden gleichzeitig ein Fehler unterläuft. Aus diesem Grund trainieren Sprintstaffeln den Stabwechsel im- mer und immer wieder, bis sie ihn „blind“ beherrschen und jeder weiß, was der andere gerade tut und was man selbst in diesem Augenblick zu tun hat.

Wie viel mehr tun wir als Christen gut daran, uns im täglichen Miteinander von Alt und Jung auf den Augenblick der Stabübergabe vorzubereiten. Den richtigen Zeitpunkt zum Loslassen wird Gott uns dann ebenso zeigen wie den zum Übernehmen des Staffelholzes.

 

1 Die Erfüllung der in diesem Abschnitt genannten Voraussetzungen unterliegt übrigens nicht der eigenen Beurteilung, sondern der Beurteilung derer, die jemanden auf seinem Glaubensweg beobachten. Damit soll nicht gesagt werden, Älteste oder Aufseher müssten durch die Geschwister an einem Ort gewählt oder eingesetzt werden. Es geht vielmehr darum, dass sich jemand nicht selbst Eigenschaften zuspricht, die er gar nicht hat. Letztlich steht über allem die Beurteilung durch den Herrn.

2 Zur Zeit Davids und noch später zur Zeit des Königs Jehiskia wurden die Leviten bereits mit 20 Jahren zum Dienst im Heiligtum gemustert. Dafür gibt es gleich zwei mögliche Gründe. Zum einen gab es weniger Männer im Stamm Levi als zur Zeit der Wüstenwanderung, und zum anderen änderte sich der Dienst der Leviten mit der Einweihung des Tempels in Jerusalem, denn das Zelt der Zusammenkunft musste nun ja nicht mehr durch die Wüste getragen werden.

3 Im Griechischen steht für „ermuntern“ und „ermahnen“ übrigens das gleiche Wort parakaleo, das auch mit „auffordern“ übersetzt wiedergegeben werden kann.