Wählen - warum ( nicht ) ?

Wählen – warum (nicht)?

Täglich lesen und hören wir von Ungerechtigkeit, Korruption und hoher Arbeitslosigkeit in unserem Land. Was können wir als Christen dagegen tun? Müssen wir nicht durch aktive Teilnahme an Wahlen helfen, diese Probleme zu lindern? „Selbstverständlich“ antwortet ein großer Teil der Gläubigen. „Auf keinen Fall“ erwidern viele andere. In Kürze finden in Deutschland Wahlen statt. Können wir unseren Standpunkt begründen, wenn uns ein Mitchrist oder auch ein Ungläubiger fragt? Wir möchten doch gerne dem Herrn nachfolgen, aber das geht nur, wenn man den Weg kennt. Deshalb lohnt es sich, anhand von Gottes Wort über die Frage „Wählen – warum (nicht)?“ nachzudenken. Das wird uns helfen, den richtigen Weg bewusst(er) zu gehen. Und schließlich sollten wir auch in der Lage sein, unsere Haltung gegenüber unserer Umgebung zu begründen – und zwar „in Gnade, mit Salz gewürzt“ (Kol 4,6), um vielleicht sogar Menschen für den Herrn zu gewinnen!

Der Christ – ein „Außerirdischer“

Keine Sorge, niemand will jetzt eine Reise zum Mars empfehlen. Und wir stehen auch alle noch mit beiden Beinen auf der Erde. Aber denken wir einmal kurz nach, was Gott eigentlich mit uns getan hat, als wir uns zu Ihm bekehren durften.

Wissen wir, dass unsere Sünden durch das Erlösungswerk des Herrn Jesus vergeben sind und dass wir jetzt Kinder Gottes sind? Lasst uns Ihm täglich dafür danken! Jetzt haben wir neues Leben und damit auch ganz andere Interessen als vorher. Und Gott hat noch viel mehr mit uns vor und beschenkt jeden Christen mit großem Segen. Doch dazu musste Er uns erst einmal aus den alten Bindungen herausnehmen: Er hat uns gerettet aus der Gewalt der Finsternis (Kol 1,13), wir sind herausgenommen aus der gegenwärtigen bösen Welt (Gal 1,4).

Und der Herr Jesus sagt über uns, dass wir nicht von dieser Welt sind (Joh 17,14; lies hierzu auch den Aufsatz „Die Welt“ auf Seite 24 in diesem Heft).

Wir leben vielleicht noch in derselben Umgebung wie früher, haben die gleichen Aufgaben, aber innerlich ist alles anders geworden. Wir spüren den Unterschied zu den nicht gläubigen Menschen um uns her täglich. Wir gehören eben einer anderen Welt an (Phil 3,20). Und je mehr wir das Wort Gottes lesen und den Herrn Jesus besser kennen lernen, desto stärker werden wir diesen Abstand empfinden (wenn das nicht mehr der Fall ist, sollte bei uns die „rote Lampe“ angehen!).

Als Christen haben wir jetzt ganz neue und ganz andere Ziele. Wir wollen

  • den Herrn Jesus und sein Wort lieben und Ihm gehorchen (Joh 14,21.23);
  • die Menschen um uns her auf die Notwendigkeit der Bekehrung hinweisen (Mk 16,15; Kol 4,6);
  • die Maßstäbe der Bibel praktizieren (u. a. Ehrlichkeit, Gerechtigkeit, sexuelle Reinheit);
  • als Himmelsbürger in der Erwartung leben, dass der Herr Jesus bald kommt und dass dann diese Welt gerichtet werden wird (Phil 3,20.21; 2. Pet 3,10.13).

Vergleichen wir diese Punkte einmal mit den Plänen unserer Mitschüler oder Kollegen am Arbeitsplatz! Natürlich wollen und müssen auch wir alle unsere Aufgaben erfüllen, mit Freude und in Treue, aber unser „neuer“ Herr erfüllt uns mit einer ganz anderen inneren Einstellung, aus der heraus wir leben und arbeiten. Als „Außerirdische“, für den Himmel Bestimmte, die doch mit vollem Einsatz hier auf der Erde für ihren Herrn leben möchten!

Wer bestimmt die Regierungen?

 Diese Ziele bilden also einen großartigen Rahmen für unser Engagement in unserer Umgebung und in der Welt, um diese guten Werte zu verbreiten. Kann man das denn nicht auch durch Teilnahme an Wahlen unterstützen?

Wer bestimmt die Regierungen? Was für eine komische Frage, oder? Die Regierungen in demokratischen Ländern gehen doch aus geheimen und freien Wahlen hervor, an denen alle stimmberechtigten Bürger teilnehmen können!? Und in Ländern mit autoritären Regierungsformen „bestimmen“ eben wenige oder einzelne Menschen, wer das Sagen hat!? Ja und nein.

Der Herr Jesus sagt zu Pilatus: „Du hättest keinerlei Gewalt gegen mich, wenn sie dir nicht von oben gegeben wäre“ (Joh 19,11). Paulus schreibt an die Römer: „Es gibt keine Obrigkeit, außer von Gott“ (Röm 13,1). Und Daniel sagt furchtlos zum mächtigen König Nebukadnezar: „Er (Gott) setzt Könige ein und setzt Könige ab“ (Dan 2,21). Später ergänzt er, „dass der Höchste über das Königtum der Menschen herrscht und es verleiht, wem er will“ (Dan 4,17).

Der große Gott selbst bestimmt also, ganz unabhängig von der Herrschaftsform1, wer in den einzelnen Ländern (und auch in den nachrangigen Bereichen wie zum Beispiel im Bundesland oder in der Gemeinde) Regierungsgewalt ausübt. Hinter den Kulissen der Politik, der Kriege und der großen Treffen der Politiker hält Gott die Fäden in der Hand – Ihm entgleitet nichts!

Deshalb sind die Männer und Frauen im Amt trotzdem Gott für ihr Tun verantwortlich. So sagt der Herr Jesus auch zu Pilatus, dass er sündigte, als er den Herrn schuldlos verurteilte. Und darüber hinaus bleibt auch bestehen, dass Satan der Fürst dieser Welt ist (Joh 12,31) und alle Menschen, auch die Regierenden, zum Bösen verführen will.

Zwischenbilanz

Christen sind also herausgenommen aus der Welt und leben unter einer Regierung, die Gott selbst und kein anderer einsetzt – so könnte man die bis jetzt genannten beiden Hauptpunkte zusammenfassen.

Deshalb kann ich eine Teilnahme an politischen Wahlen mit dieser Stellung des Christen nicht in Übereinstimmung bringen.

Daher scheidet nach meiner persönlichen Überzeugung die Ausübung des Wahlrechts für einen Christen aus2. Damit soll jedoch nicht einfach anderen verordnet werden: „Du darfst nicht wählen“. Niemand sollte einfach die Ansicht eines anderen Christen „schlucken“ oder ungeprüft übernehmen. Prüfen wir deshalb unter Gebet und durch eigenes Forschen im Wort Gottes die hier oder andernorts genannten Argumente. Der Herr wird uns bestimmt einen klaren Weg zeigen. Und Er wird uns davor bewahren, auf anders denkende Christen hochmütig herabzusehen.

Rückzug ins Private als Alternative? Weit gefehlt!

Kann ich also mein Christsein überhaupt nicht zum Wohl und Segen der Gesellschaft einsetzen, so dass mir nur der Rückzug ins Private bleibt? Gott sei Dank gibt uns die Bibel fast unerschöpfliche Möglichkeiten der „Einflussnahme“ auf Politik, Gesellschaft und die Menschen um uns her.

Äußere Einflussnahme:

Christen dürfen und sollen:

  • für Könige, und alle, die in Hoheit sind, beten (1. Tim 2,2);
  • sich der Regierungsgewalt unterwerfen und damit helfen, dass das Land Ruhe, Frieden und Wohlfahrt hat (Röm 13,1; Tit 3,1);
  • „Salz der Erde” sein und so die Ordnungen Gottes in Ehe, Familie, Schule, am Arbeitsplatz und in der Nachbarschaft aufrecht halten bzw. ausleben (Mt 5,13);
  • wenn möglich, mit allen Menschen in Frieden leben (Röm 12,18) und es so den Ordnungshütern leicht machen;
  • die Wohltaten in Gesellschaft und Beruf (Kindergeld, BaföG, Urlaub, 37-Stunden- Woche) verantwortungsbewusst, dankbar und treu verwalten und nicht einfach „einsacken”(1. Pet 2,14, Tit 2,10); und wenn wir auch dann noch dankbar sind, wenn Wohltaten „gestrichen” werden, wird das die „mit ihrem Los Unzufriedene” (Jud 16) erst recht nachdenklich machen;
  • „das Gute wirken gegenüber allen” (Gal 6,10) und so die Not in unserer Umgebung oder in anderen Gebieten lindern helfen.

Innere Hilfe für unsere Umgebung:

Der Herr Jesus hat uns nicht nur aus dieser Welt mit ihren falschen Zielen herausgenommen, sondern Er sendet uns auch wieder in die Welt hinein zum Zeugnis für die Menschen (Joh 17,18):

  • Wir sind das „Licht der Welt” (Mt 5,14) und zeigen unseren Mitmenschen durch unsere praktische Lebensführung und durch unsere Worte, dass es Licht für Menschen in Finsternis gibt;
  • Wir sollen nicht die Welt lieben, uns von ihr unbefleckt halten und nicht ihre Wertmaßstäbe übernehmen (1. Joh 2,15; Jak 1,27; Röm 12,2); das wird viele zum Nachdenken und Nachfragen bringen – eine gute Möglichkeit zum Evangelisieren!
  • Wir haben keine Berechtigung, soziale Änderungen zu erkämpfen (1. Kor 7,20.21; s.a. den Sklaven Onesimus, den Paulus zu seinem Herrn Philemon zurückschickt!), sondern durch unser treues Verhalten in diesen Lebensbereichen werden wir viele Chancen haben, die gute Botschaft der Befreiung weiterzugeben.

Ergänze einmal selbst die beiden Listen, und du wirst erkennen, wie groß das „Regierungsprogramm“ für unser Leben ist!

Wahlen in Schule und Gesellschaft

Wir haben auch in anderen Bereichen die Möglichkeit, unsere Meinung durch Wählen zu äußern, zum Beispiel im Betrieb (Betriebsratwahlen) oder im Studium (Wahl der Studentenvertretung). Darüber hinaus gibt es berufliche oder ständische Organisationen, denen man angehören kann (Gewerkschaft, Arbeitgeberverband, Innungen) oder muss (Krankenkasse, Ärzte- oder Handelskammer) und die ihre Sprecher/ Leiter durch Wahl bestimmen. Und schon in der Schule wählt man Klassensprecher und Pflegschaftsvorsitzende. Gibt es hierzu Antworten aus der Bibel?

Gottes Wort sagt eindeutig, dass ein Christ keine Gemeinschaft mit Gesetzlosigkeit und mit einem Ungläubigen haben kann (2. Kor 6,14.15). Diesen Grundsatz sollten wir auf die Bereiche, in die Gott uns stellt, anwenden. Das wird in der Praxis zunächst einmal bedeuten, genau zu prüfen, ob eine Mitgliedschaft wirklich erforderlich und Gott wohlgefällig ist. Diese Entscheidung muss jeder für sich treffen, und wir sollten sehr vorsichtig sein, die Handlungen anderer von vornherein zu verurteilen3. Oft kennen wir die beruflichen Situationen oder andere Aspekte unserer Mitgeschwister kaum.

Für die Teilnahme an den Wahlen in diesen Bereichen ist meines Erachtens das gleiche zu beachten wie bei politischen Wahlen. Aber auch hier mag es Situationen geben, wo wir unsere Meinung bekunden sollten. Manchmal ist eine Wahl ja auch nichts anderes als ein Austausch von Gedanken oder eine Besprechung, in der ein geeigneter Team-Leiter oder Ansprechpartner bestimmt wird.

Wenn wir in den vielen Detailbereichen unseres Lebens nach dem Willen des Herrn fragen und Ihm treu bleiben wollen, wird Er uns bestimmt klar zeigen, wie wir uns verhalten sollen.

Lasst uns durch unseren Lebenswandel „wie Lichter in der Welt“ (Phil 2,15) scheinen, zur Ehre unseres Herrn und zum Segen für unsere Umgebung!

Hinweis: In den Heften 3/94 und 2/2000 von „Folge mir nach“ werden weitere Aspekte des Verhältnisses von Christen zur Politik beschrieben. Gerne senden wir interessierten Lesern Kopien zu.

 

1 Gerade wir Christen sollten m.E. dankbar dafür sein, dass Gott uns durch die in unseren Ländern praktizierte Regierungsform einmalige Freiheiten gibt. Es ist auch Vorsicht geboten, die Demokratie im Vergleich zu anderen Herrschaftsformen besonders zu kritisieren. Von der Seite der Verantwortung des Menschen aus gesehen ist ein Alleinherrscher nach dem gleichen Prinzip an die Macht gekommen wie ein demokratisch gewählter Regent, nämlich „von unten“ (durch wenige Anhänger). Und aus der göttlichen Sicht betrachtet ist sowohl ein Bundeskanzler als auch ein Kaiser Regent „von Gottes Gnaden“. Das ändert natürlich nichts daran, dass es immer Gottes Wille ist, dass Macht und Gewalt „von oben“ kommen.

2 Und zwar nicht nur das aktive (d.h. die Stimmabgabe für andere), sondern auch das passive (sich wählen lassen). Es ist überhaupt nicht gesagt, dass Gott zum Beispiel bibeltreue Parteien mit benutzen will. Und kann ein zum Fremdling und Himmelsbürger bestimmter Christ sich gleichzeitig als Politiker für eine Welt einsetzen, die der Herr bald richten wird?! Deshalb könnte ich solche Parteien weder aktiv noch passiv unterstützen.

3 Jemand mag Mitglied in einem Verein für MS-Kranke sein, um als Betroffener Hilfestellung zu erhalten. Dagegen birgt eine Mitgliedschaft in einem Sportverein wohl fast immer die Gefahr in sich, die gute Gemeinschaft mit Christen gegen diejenige mit Ungläubigen einzutauschen.