Bibel erklärt

Hört das Gleichnis vom Sämann

Das Gleichnis vom Sämann greift eine gewöhnliche Alltagssituation in Israel auf, die damals und heute jeder Zuhörer und Leser gut verstehen kann. Deshalb gehört es wohl auch zu den bekanntesten Gleichnissen. Es ist offensichtlich von so großer Bedeutung, dass der Herr es mit der Aufforderung „Hört!“ einleitet und abschließend noch einmal betont: „Wer Ohren hat zu hören, der höre!“ (Mk 4,3-9). Außerdem steht es gleich dreimal in der Bibel. Was hat es uns heute zu sagen?

 

Gleichnisse – leicht und schwer zugleich

Jesus lehrte in Gleichnissen, das heißt in bildhafter Rede. Sie haben den Vorteil, dass man sich das Gesagte gut merken kann – viel besser als einen theoretischen Vortrag. Die Herausforderung besteht allerdings darin, die tieferen Kerngedanken eines Gleichnisses richtig zu erfassen. Insofern waren die Gleichnisse einerseits ein Segen für die Glaubenden und andererseits ein Zeichen des Gerichts für alle, die den Sohn Gottes nicht annehmen wollten. Jemand hat einmal treffend gesagt: Ein Gleichnis dient dazu, Schwieriges verständlich zu machen (für die, die „drinnen“ sind), und zugleich, Schwieriges noch unverständlicher zu machen (für die, die „draußen“ sind).

 

Thema des Gleichnisses

Wenn früher ein Sämann säte, hing er sich eine beutelartige Tasche um und füllte diese mit Samenkörnern. Während er über den Acker lief, griff er mit einer Hand in den Samen und ließ ihn bei einer Schwenkbewegung möglichst gleichmäßig aus der Hand fallen. Ein Teil des Samens konnte dabei auf den Weg fallen oder auf steinige Erde oder auch unter Dornen. Dort war er sozusagen verloren, denn entweder machten sich die Vögel darüber her oder er keimte auf, brachte aber nichts zur Reife.

 

Struktur des Gleichnisses

Bevor wir auf das Gleichnis und seine Erklärung eingehen, wollen wir auf die verschiedenen Dreiergruppen in diesem Gleichnis achten:

  • Rahmenhandlung: Sämann – Samen – Boden
  • Schlechte Bodenbeschaffenheit: Weg – Steiniges – unter den Dornen
  • Fehlentwicklungen der Pflanzen: Wegpicken durch Vögel – Verbrennen durch die Sonne – Ersticken durch Dornen
  • Ertragshöhe auf der guten Erde: dreißigfach – sechzigfach – hundertfach

In der Übertragung des Gleichnisses auf uns als Zuhörer stoßen vier Herzenszustände und vier Einflüsse aufeinander – jeder von uns ist irgendwo dabei…

 

Der Sämann sät …

Aussaat markiert einen Neuanfang. Es liegt auf der Hand, dass der Sämann Jesus selbst ist, der mit seinem Kommen auf die Erde ein neues Werk begonnen hat. Und dieses Werk soll etwas Gutes hervorbringen, denn wo Er sät, erwartet Er auch Frucht. Dabei fällt auf, dass weder der Sämann etwas falsch macht noch der Same von schlechter Qualität ist. Allein die Bodenbeschaffenheit kann ein Problem darstellen – das sind unsere Herzen.

 

… den guten Samen

„Der Same ist das Wort Gottes“, erklärt der Sämann selbst (Lk 8,11). Er selbst kaufte die gelegene Zeit aus, um das Wort zu predigen. Dieses „lebendige und bleibende Wort Gottes“ muss auch heute der Inhalt der Predigten sein (vgl. 1. Pet 1,23). Sonst brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn Menschen die Orientierung verlieren und keine geistliche Frucht sichtbar wird.

 

Einiges fiel an den Weg …

„… an den Weg“ – das ist der Boden, der hier zuerst genannt wird. Ein Weg ist hart, festgelaufen oder festgefahren. Wenn der Same auf diesen Boden fällt, berührt er ihn zwar, dringt aber nicht ein. Genauso ist es oft mit unseren Herzen: Sie sind hart – verhärtet durch die verschiedensten Einflüsse dieser Welt. Das gehörte Wort durchdringt nicht einmal die Oberfläche; es führt nicht weiter als zu einem Gespräch oder einer Spekulation über das Gehörte bzw. einer Bewunderung oder Ablehnung des Predigers.

Da hat der Teufel leichtes Spiel. Im Bild der Vögel ist er „sogleich“ da, als habe er schon darauf gewartet, dem Betreffenden das Wort Gottes wegzunehmen. So kann es nicht mehr an Herz und Gewissen wirken, und der Hörende hat nichts davon.

 

… anderes auf das Steinige …

Der zweite Boden sieht zunächst Erfolg versprechend aus. In der steinigen Erde fängt der Same schnell an zu keimen und geht auf. Doch „als die Sonne aufging, wurde es verbrannt, und weil es keine Wurzeln hatte, verdorrte es“ (V. 6).

Mit dem steinigen Boden werden oberflächliche Menschen beschrieben, die auf die Botschaft der Bibel sogleich freudig reagieren. Natürlich will Gott uns mit seiner Botschaft erfreuen, aber zunächst einmal spricht sie das Gewissen an: Dann bereuen wir unser bisheriges Leben ohne Gott, bekennen Ihm unsere Sünden und setzen unser Vertrauen auf den Herrn Jesus Christus.

Das Wort Gottes muss tiefe Wurzeln schlagen, muss in unser Inneres vordringen, damit sich bleibende Frucht in unserem Leben einstellen kann. Wenn das nicht der Fall ist, weil nur die Gefühle angeregt worden sind, besteht die Gefahr, sich vom Glauben abzuwenden. Spätestens dann, wenn wir wegen unseres Glaubens leiden müssen, indem wir belächelt oder angegriffen werden, zeigt sich, ob wir echte Jünger Jesu sind oder nicht.

 

… anderes in die Dornen …

Bis heute wird der gute Samen gesät: Die Botschaft der Bibel wird auf vielerlei Weise verbreitet: durch Predigten, Bücher, Plakate … Die Menschen reagieren unterschiedlich darauf, wie wir schon gesehen haben. Manche gleichen dem Samen, der unter die Dornen fällt. Sie haben das Wort gehört, aber „die Sorgen der Welt und der Betrug des Reichtums und die Begierden nach den übrigen Dingen kommen hinein und ersticken das Wort“ (V. 19).

Es geht um vielbeschäftigte Leute, deren Lebensinhalt und -ziel sich um das Irdische dreht. Sind sie arm, werden sie von ihren Existenzsorgen verschlungen – besonders dann, wenn andere in ihrem Umfeld sich besserstehen. Sind sie reich, nehmen ihr Besitz und alle Vergnügungen, die sie sich dadurch leisten können, sie gefangen. Beachten wir, dass der Reichtum betrügt: Er täuscht Glück und Sicherheit vor. In Wirklichkeit macht er egoistisch und blind für das, was bleibenden Wert hat: das ewige Leben.

Doch auch „Begierden nach den übrigen Dingen“ wie Vergnügungen können den Menschen fesseln. Das allerdings sind Dinge, die unsere Wünsche nur für kurze Zeit befriedigen können. Wir dürfen nicht zulassen, dass sie Gottes Wort „ersticken“.

Sorgen, Reichtum und Begierden beziehen sich auf unsere Wünsche im Hier und Jetzt. Gottes Wort dagegen öffnet uns das Herz für Christus und sein Reich und lässt Charaktereigenschaften „wachsen“, die Gott wertvoll wie Früchte sind.

 

… anderes in die gute Erde

Viele Menschen haben „keine Frucht“ gebracht, obwohl sie die Botschaft der Bibel gehört haben. Woran hat es gelegen? Ist die Botschaft nicht klar genug formuliert worden? Das mag sein. Aber die Hauptursache liegt im Herzen des Menschen: Man lässt das Wort Gottes nicht zur Entfaltung kommen. Dazu muss man es nämlich „aufnehmen“, man muss ihm Raum geben, wie es bei der „guten Erde“ der Fall ist.

„Frucht“ im Leben eines Menschen ist das, was Gott gefällt. Dabei denken wir zuerst an die Umkehr zu Gott und den Glauben an Jesus Christus sowie an Verhaltensweisen, die Gott bei uns Menschen sehen will. Der Galaterbrief beschreibt die „Frucht des Geistes“, die aus den folgenden neun Elementen besteht: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Gütigkeit, Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit (Kap. 5,22.23). Letztlich ist es eine „Reproduktion“ des Samens, des Wortes Gottes – und dessen Inhalt ist Christus. Diese Frucht kann nur dort wachsen, wo das Wort Gottes neues Leben erweckt hat. Doch selbst wenn das geschehen ist und „Neues geworden ist“ (2. Kor 5,17), gibt es unterschiedlich viel Frucht: dreißig-, sechzig- oder hundertfach.

Jeder, der das Wort Gottes hört oder liest, muss sich fragen, wie es in seinem Herzen aussieht, damit der Same nicht nur eingeschränkt Frucht hervorbringt. Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir uns prüfen, inwieweit wir bereit sind, das Wort Gottes zu tun – und nicht nur zu hören oder zu lesen.

Wie schön wäre es, wenn Gott durch unser Leben hundertfache Frucht empfangen würde!