Jesus Christus

Das Lied vom Erlöser (Teil 2)

Jesaja 53

Teil 2: Nachdenken und Staunen

Ist Jesus dein Retter und dein Herr? Dann möchtest du Ihn sicher besser kennenlernen – um Ihm bewusster nachzufolgen und Ihm konkreter zu danken für seine Liebe. Im ersten Teil wurden der Zusammenhang und die Struktur des großartigen Textes aus Jesaja 53 skizziert. Jetzt im zweiten Teil geht es um den Text selbst. Ihn wollen wir mit innerer Anteilnahme überdenken. Und dabei das staunende Danken nicht zu kurz kommen lassen.

Jesaja 52,13–15: Gott zieht Resümee über seinen Knecht

Mit Andacht wollen wir nun den Text durchgehen und einige kurze Erläuterungen geben – jeder Leser kann für sich selbst tiefer einsteigen und mehr Schönheiten des Erlösers entdecken.

[13] Siehe, mein Knecht wird einsichtig handeln; er wird erhoben und erhöht werden und sehr hoch sein.

„wird einsichtig handeln“: Gott zieht in der ersten Strophe (ähnlich wie oft in den Psalmen) ein Resümee und zeigt in den Strophen danach, was für einen Weg der Leiden sein Sohn gegangen ist. Im Friedensreich wird Christus, der Herr einsichtig regieren (vgl. Jes 32,1).

  • „erhoben..erhöht…sehr hoch“:
  • Christus wurde auferweckt aus den Toten („erhoben“);
  • Er wurde in den Himmel aufgenommen („erhöht“);
  • Er sitzt jetzt zur Rechten Gottes („sehr hoch“).

[14] Wie sich viele über dich entsetzt haben – so entstellt war sein Aussehen, mehr als irgendeines Mannes, und seine Gestalt, mehr als der Menschenkinder –,

  • „über dich entsetzt“: Gott redet Christus selbst an – der jetzt zu seiner Rechten ist.
  • „entstellt“: Bezugnahme wohl auf die 3. bis 6. Stunde am Kreuz oder auch auf die Geißelung vorher (vgl. Ps 22,18) – in seinem Leben war der Herr ja durchaus „attraktiv“ für andere, z.B. für Kinder.
  • [15] ebenso wird er viele Nationen in Staunen versetzen, über ihn werden Könige ihren Mund verschließen. Denn sie werden sehen, was ihnen nicht erzählt worden war; und was sie nicht gehört hatten, werden sie wahrnehmen.
  • Könige: Könige im künftigen Friedensreich (vgl. Ps 72,10.11).
  • Der Herr Jesus hat Schlimmes gelitten. Doch jetzt ist Er befreit und erhöht. Kenne ich Bibeltexte, die von dieser Verherrlichung des Herrn Jesus reden?

Jesaja 53,1–3: Der Knecht erscheint und wird verachtet

[1] Wer hat unserer Verkündigung geglaubt, und wem ist der Arm des HERRN offenbar geworden? –

  • „unserer“: Jesaja (vgl. Joh 12,38, Rö 10,16) macht sich eins mit dem Volk
  • Arm des Herrn: Die Kraft im Leben des Herrn Jesus (vgl. 52,1; 40,10) – sie wurde gesehen, aber man hat sie einfach ignoriert.

[2] Und er ist wie ein Reis vor ihm aufgeschossen und wie ein Wurzelspross aus dürrem Erdreich. Er hatte keine Gestalt und keine Pracht; und als wir ihn sahen, da hatte er kein Aussehen, dass wir ihn begehrt hätten.

  • „Reis … Wurzelspross“: eine zarte Pflanze, die „Wurzel Davids“,
  • „dürres Erdreich“: Aus dem Volk Juda und auch aus dem Geschlecht Davids (vgl. „Stumpf Isais“ in Jes 11,1) war nichts Fruchtbares zu erwarten – doch der Herr sprosst auf vor seinem Gott!
  • „Keine Gestalt … keine Pracht … kein Aussehen“: Für den Gläubigen ist der Herr gerade auch in seinem Leiden „schöner als die Menschensöhne“ (Ps 45,3), seine Gestalt ist großartig „wie der Libanon … alles an ihm ist lieblich“ (Hld 5,15.16)! Doch die Juden hatten einen König in Herrlichkeit und Macht erwartet – und für „diesen Jesus“ (Apg 2,36) nur Verachtung übrig.

[3] Er war verachtet [1] und verlassen [2] von den Menschen, ein Mann der Schmerzen [3]und mit Leiden vertraut [4], und wie einer, vor dem man das Angesicht verbirgt [5]; er war verachtet, und wir haben ihn für nichts geachtet [6].

  • [1] – [6]: 6 Kenzeichen des leidenden Herrn
  • „Mann der Schmerzen“: Sein Inneres war verwundet (Ps 109,22) durch das, was man Ihm antat;
  • „Mit Leiden vertraut“: Sein Weg war mit Leiden gepflastert, sie waren seine ständigen Begleiter, seine Seele war „satt von Leiden“ (Ps 88,4): Versuchung durch den Teufel, Hass der Obersten, Unverständnis der Jünger.


Der Herr Jesus hat in seinem Leben unendlich viel erduldet. Er freut sich auch heute über solche, die in dieser Hinsicht seiner gedenken. Nehme ich mir Zeit, mich mit den Leiden meines Erlösers zu beschäftigen?

Jesaja 53, 4–6: Leiden des Herrn Jesus im Leben und im Gericht Gottes

[4] Doch er hat unsere Leiden getragen, und unsere Schmerzen hat er auf sich geladen.

  • „Doch“: Vielleicht im Sinn von „fürwahr“, „tatsächlich“; der Herr hat in seinem Leben die ganze Not der Menschen zu seiner eigenen Not gemacht – und sie vielfach weggenommen (Mt 8,16.17)
  • Und wir, wir hielten ihn für bestraft, von Gott geschlagen und niedergebeugt; [5] doch um unserer Übertretungen willen war er verwundet, um unserer Ungerechtigkeiten willen zerschlagen. Die Strafe zu unserem Frieden lag auf ihm, und durch seine Striemen ist uns Heilung geworden.
  • „wir hielten ihn für bestraft“: War nicht ein Gehängter ein Fluch Gottes (5. Mo 21,23)? Doch die Juden hatten sich gründlich geirrt – der Herr wurde für fremde Schuld zum Fluch, nicht für eigene!
  • „verwundet … zerschlagen“: In seinem Tod hat der Herr die Ursache der ganzen menschlichen Not weggenommen: Ungerechtigkeiten, Übertretungen.
  • „Strafe…Striemen“: Vers 10 („Schuldopfer“) und Vers 12 („Sünde tragen“) zeigen, dass es um innere, sühnende Leiden ging – „Striemen“ sind Bildersprache für das Gericht Gottes über die Sünde; die Striemen der Geißelung konnten keine einzige Sünde tilgen!
  • „Übertretungen“: Überschreiten der göttlichen Grenzen.
  • „Ungerechtigkeiten“: Abirren vom rechten Weg.

[6] Wir alle irrten umher wie Schafe, wir wandten uns jeder auf seinen Weg; und der HERR hat ihn treffen lassen unser aller Ungerechtigkeit.

  • „irrten umher“: Der Herr sah Israel wie Schafe ohne Hirten (Mt 9,36), in der Zukunft wird es der Überrest genauso sehen (vgl. Ps 119,176).
  • „der HERR hat ihn treffen lassen“: Gott hat alle bösen Taten derer, die je an Christus glauben würden, auf den Herrn gelegt – niemand kann Ausmaß und Tiefe dieser Leiden ermessen.

Wir dürfen dem Herrn Jesus täglich für Golgatha danken – und Ihm durch treue Nachfolge eine Antwort auf seine Liebe geben.

Jesaja 53,7–9: Jesus, das Lamm Gottes

[7] Er wurde misshandelt, aber er beugte sich und tat seinen Mund nicht auf, wie ein Lamm, das zur Schlachtung geführt wird, und wie ein Schaf, das stumm ist vor seinen Scherern; und er tat seinen Mund nicht auf. –

  • „misshandelt“: Verhaftung, sechs Verhöre, zwei Spott-Szenen (im Synedrium, im Prätorium), Geißelung, Kreuzigung – was für eine Fülle von Leiden und Misshandlungen hat der Herr erduldet!
  • „tat seinen Mund nicht auf“ (zweimal): Einmal vor dem Synedrium (Mt 26,62), dreimal vor Pilatus (Mt 27,12.14; Joh 19,9), vor Herodes (Lk 23,19).
  • „wie ein Lamm“: Das ersehene Lamm aus 1. Mose 22,7.8 wird jetzt als Person enthüllt: Es ist das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt (Joh 1,29)

[8] Er ist weggenommen worden aus der Angst und aus dem Gericht. Und wer wird sein Geschlecht aussprechen? Denn er wurde abgeschnitten aus dem Land der Lebendigen: Wegen der Übertretung meines Volkes hat ihn Strafe getroffen.

  • „Weggenommen aus dem der Angst [wörtlich: Bedrückung] und aus dem Gericht“:
  • Das menschliche Gericht (das gar kein richtiges war) endete abrupt, der Herr wurde daraus weggenommen, doch danach kamen das göttliche Gericht und der Tod als Lohn der Sünde!
  • „Wer wird sein Geschlecht [o. „seine Zeitgenossen“] aussprechen“: Wer kann die Bosheit dieser Menschen, die den Herrn so misshandelten, beschreiben?
  • „Denn er wurde abgeschnitten“:
  • Verantwortung des Menschen: Sie hatten den Urheber des Lebens getötet, gekreuzigt, ermordet (Apg 2,36; 3,15; 5,30; vgl. Dn 9,27
  • „Wegen der Übertretung meines Volkes…Strafe“
  • Ratschluss Gottes: Der Tod war nicht nur menschlich bewirkt, sondern auch göttlich beabsichtigt. Gott hat seinen Christus leiden lassen, Ihn in das Gericht und in den Tod gebracht (Rö 8,31´; Apg 2,23). Ihn hat Strafe getroffen.

[9] Und man hat sein Grab bei Gottlosen bestimmt; aber bei einem Reichen ist er gewesen in seinem Tod, weil er kein Unrecht begangen hat und kein Trug in seinem Mund gewesen ist.

  • „bei einem Reichen“: Joseph von Arimathia war ein reicher Mann (Mt 27,57).
  • „kein Unrecht … kein Trug“: Das war der Herr aus der Sicht Gottes! Die Menschen hatten andere negative Ausdrücke für Ihn bereit: “keine Gestalt, keine Pracht, kein Aussehen“ (Jes 53,2)!
  • Der Herr Jesus ist als Lamm Gottes einmalig in seinem stillen Erdulden von Leiden von Menschen und von Gott. Danke für Deine Liebe, Herr Jesus!

Jesaja 53,10–12: Der Triumpf des Knechtes Gottes

[10] Doch dem HERRN gefiel es, ihn zu zerschlagen, er hat ihn leiden lassen.

  • „Gefiel“: Gott hatte große Freude an seinem Sohn, aber Er wollte dich und mich erlösen – das gefiel Ihm, deshalb gefiel es Ihm, den Herrn so leiden zu lassen!
  • „Zerschlagen“: Gott zerschlägt (in 1 Mo 3,19 und Ps 90,3 mit zermalmen übersetzt) seinen Sohn in sühnenden Leiden – niemand schaut zu. Der Teufel zermalmt dem Herrn die Ferse, der Herr zermalmt ihm den Kopf – doch vorher zerschlägt Gott seinen Knecht!
  • Wenn seine Seele das Schuldopfer gestellt haben wird, so [1] wird er Samen sehen, [2] er wird seine Tage verlängern; und [3] das Wohlgefallen des HERRN wird in seiner Hand gedeihen.
  • „Seele“: Dreimal wird in den Versen 10 bis 12 von der Seele des Herrn gesprochen – seine ganze Person, sein ganzes Inneres war betroffen.
  • „Schuldopfer“: Ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Opfer in 3. Mose auf Christus hinweisen. Die Opfer damals wurden gestellt – Christus hat sich selbst als Opfer gestellt!
  • „wird“: 8 Mal weist Gott (Vers 10-12 – im Text oben und unten unterstrichen) auf die Folgen des Erlösungswerks seines Sohnes hin.

[11] Von der Mühsal seiner Seele [4] wird er Frucht sehen und sich sättigen. Durch seine Erkenntnis wird mein gerechter Knecht die Vielen zur Gerechtigkeit weisen, und ihre Ungerechtigkeiten wird er auf sich laden.

  • [1] – [4]: Ergebnisse des Todes des Herrn:
    • [1]: „Samen sehen“: geistliche Nachkommen, die den Herrn preisen (vgl. Ps 22,31; Heb 2,13b);
    • [2]: „Tage verlängern“: Christus ist nicht mehr im Tod, sondern lebt in Ewigkeit als Mensch (Ps 21,5; Off 1,18);
    • [3] „gedeihen“: Der beste König aller Zeiten wird Gottes Willen auf der Erde realisieren;
    • [4]: „Frucht sehen und sich sättigen“: Christus war „satt von Leiden“ (Ps 88,4), doch schon jetzt genießt Er „Sättigung von Freuden“ bei Gott (Ps 16,11) – die Seinen jetzt sind seine besondere Freude. Und in der Zukunft wird Er sich an Israel erfreuen (Jes 62,5).
  • „Die Vielen zur Gerechtigkeit weisen“: In seinem Leben schon hat Christus Unterricht gegeben – mit positivem oder negativem Ergebnis (vgl. z.B. die Bergpredigt). In der Zukunft wird Er sich wieder durch die Verständigen an die „Vielen“ des Volkes richten (Dan 11,33).
  • „und ihre Ungerechtigkeit wird er auf sich laden“: In seinem Tod hat Christus Sühnung bewirkt – für diejenigen unter den Vielen, die geglaubt haben oder noch glauben werden.

[12] Darum werde ich ihm Anteil geben an den Vielen, und mit Gewaltigen wird er die Beute teilen: dafür, dass er [1] seine Seele ausgeschüttet hat in den Tod und [2] den Übertretern beigezählt worden ist; er aber hat [3] die Sünde vieler getragen und [4] für die Übertreter Fürbitte getan.

  • „Viele“ – „Gewaltige“: Vielleicht handelt es sich um die gleiche Gruppe von Menschen (analog zur hebräischen Parallelismus in der Poesie). 
  • „Anteil geben“: Die Vielen, „Starken“ des Volkes werden sein Eigentum sein (vgl. Mal 3,17) – und alle Erlösten sind es jetzt schon!
  • „die Beute teilen“: Das erlöste Israel wird herrschen über seine Feinde (Sach 9,13), alle Erlösten werden mit Christus herrschen (Off 20,4).
  • [1] – [4]: Vier Gründe für die Erhöhung des Herrn Jesus:
  • „Seele ausgeschüttet“ – Parallele zum Johannes-Evangelium (Christus als freiwillige Hirte lässt sein Leben, vgl. Joh 10,17);
  • „den Übertretern beigezählt“ – Parallele zum Matthäus-Evangelium (Christus stirbt für fremde Schuld, besonders für die seines Volkes, vgl. Mt 1,21);
  • „die Sünde vieler getragen“ – Parallele zum Markus-Evangelium (Christus gibt sein Leben als Lösegeld für viele, vgl. Mk 10,45);
  • „Fürbitte getan“ – Parallele zum Lukas-Evangelium (Christus bringt Frieden und Vergebung, vgl. Lk 23,34).

Hat sich der Herr Jesus heute, in der letzten Woche, an mir sättigen können? Ich habe Ihm so viel Mühsal auf Golgatha bereitet. Wie steht es um meine Antwort auf seine Liebe – durch Distanz zum Bösen, durch stille Beschäftigung mit Ihm, durch echte Jüngerschaft?

 

Herr, weil ich weiß, dass du mein Retter bist, vertrau ich still.
Weil du für mich das Lamm geworden bist, vertrau ich still.
Weil ich durch dich dem Tod entrissen ward,
präg tief in mich, Herr, deine Lammesart.

(Helga Winkel, 1952/1957, Diakonissenmutterhaus Aidlingen)