Personen in der Bibel

Onesiphorus

 

Als Paulus seinen zweiten Brief an Timotheus schrieb, war er in Rom im Gefängnis. Was ihn aber viel mehr beschäftigte als seine persönlichen Umstände, war die Tatsache, dass er machtlos zusehen musste, wie der Niedergang des christlichen Zeugnisses voranschritt. In dieser bedrückenden Situation stärkte Onesiphorus den Apostel im Glauben. Dieser Bruder reiste nach Rom, um Paulus im Gefängnis zu besuchen. Was hat er dort getan? Nichts Aufsehenerregendes: „Er hat mich oft erquickt“ (2. Tim 1,19)  Wie wertvoll sind solche Besuche, einfache Besuche, ohne vorgeplantes Programm, ohne vorbereitete Rede, die in Abhängigkeit von Gott gemacht werden!

In seinem Dienst für Paulus zeichnete sich Onesiphorus durch drei Merkmale aus, über die wir nachdenken wollen:

 

1) Die Liebe des Onesiphorus

Zu einer Zeit, als in Ephesus die erste Liebe schon abnahm und sich in Asien ein trauriger Niedergang abzeichnete, führte die Liebe einen Epheser zu Paulus.        

Onesiphorus reiste nach Rom, um diesem armen alten Gefangenen liebevoll zu dienen. Wir erfahren nicht, was Onesiphorus für Paulus tat – vermutlich unterstützte er ihn materiell . Wir erfahren auch nicht, was er dem Apostel sagte – sicher aber wusste er ihn mit einem Wort aus der Heiligen Schrift zu ermutigen. Aber wir wissen, was er für Paulus war und was sein Besuch dem Gefangenen brachte: Trost von Gott, dem Gott allen Trostes (vgl. 2. Kor 1,3), Taktgefühl und Hingabe, die umso mehr geschätzt wurde, als der Apostel allein war. Diese Sprache der göttlichen Liebe verstand Paulus gut und nahm er gerne an.

 

2) Der Mut des Onesiphorus

Als Onesiphorus nach Rom reiste, wurden die Christen unterdrückt und verfolgt. Wer Paulus im Gefängnis aufsuchte, gab sich als Christ zu erkennen und lief Gefahr, ebenfalls verhaftet zu werden. Trotzdem schämte sich Onesiphorus nicht der Kette, d.h. der Gefangenschaft des Paulus. Wir können gut verstehen, dass dieser Mut den Gefangenen selbst tröstete. Denn damals gab es viele ängstliche Kämpfer für Jesus Christus, die sich weigerten, an den Leiden teilzunehmen, und die „am Tag des Kampfes umkehrten“ (Ps 78,9). Als Paulus Timotheus ermahnte, sich seiner nicht zu schämen (2. Tim 1,8), konnte er sich auf das Beispiel des Onesiphorus berufen. Dieser hatte sich nicht davon abhalten lassen, den Apostel im Gefängnis zu besuchen. Er identifizierte sich mit der Schmach, die Paulus auf sich nahm, weil er die Krone der Gerechtigkeit vor Augen hatte (vgl. 2. Tim 4,8).

 

3) Die Ausdauer des Onesiphorus

Die Ausdauer des Onesiphorus zeigte sich in zweifacher Weise. Zunächst einmal suchte er „fleißig“ nach dem Gefangenen – ein Beweis dafür, dass Paulus wirklich von jedem Kontakt zur Außenwelt abgeschnitten war. Onesiphorus forschte solange, bis er den Apostel gefunden hatte. Dabei beließ er es nicht bei einem kurzen Besuch, sondern schaute immer wieder bei Paulus vorbei, so dass dieser sagen konnte: „Er hat mich oft erquickt.“ Wie beispielhaft! Stürzen wir uns nicht manchmal euphorisch auf eine Aufgabe, die wir dann genauso schnell wieder aufgeben, weil das anfängliche Gefühl uns verlassen hat? Ausdauer ist ein Merkmal des Glaubens! In diesem Sinn fordert uns der Apostel auf:  „Ihr aber, Brüder, ermattet nicht, Gutes zu tun“ (2. Thes 3,13).

 

Fazit

Liebe, Mut, Ausdauer – all diese Eigenschaften erfordern keine besonderen Fähigkeiten. Es bedarf weder der besonderen Gabe eines Hirten noch einer großen Bibelkenntnis[1], um einen Kranken oder Bedrängten zu besuchen. Jeder Bruder, jede Schwester, der oder die ein selbstloses, mitfühlendes und hingebungsvolles Herz hat, ist für diesen Dienst geeignet. Vergessen wir nicht die Verheißung des Herrn: „Glückselig die Barmherzigen, denn ihnen wird Barmherzigkeit zuteilwerden (Mt 5,7). Der Herr Jesus wird niemals jemandes Schuldner sein.

Wer solche einfachen Dienste tut, wird vom  Herrn gesegnet werden. Wir werden erleben, was der Apostel in Römer 1,12 sagt: „das ist aber, um mit euch getröstet zu werden in eurer Mitte, ein jeder durch den Glauben, der in dem anderen ist, sowohl euren als meinen.“ Wie oft hat sich dieses Wort bei Besuchen von Gläubigen erfüllt! Jemand wollte etwas mitbringen und kehrte mit einem gefüllten Herzen nach Hause zurück. Er selbst wurde ermutigt durch die Standhaftigkeit, die Unterordnung, den Glauben und das Durchhaltevermögen des anderen, der in seiner Not vom Herrn aufrechterhalten wurde. Wir gehen zu Gläubigen, die sehr geprüft werden – und treffen dort gewissermaßen den Herrn Jesus an. Wie viele Krankenbetten, Trauerhäuser und dunkle Gefängniszellen sind durch die Gemeinschaft der Gläubigen für kurze Momente zum „Himmel auf Erden“ geworden!

Das Beispiel des Onesiphorus soll für uns ein Ansporn sein, diesen Dienst der Liebe unter der Leitung des Herrn Jesus zu tun.

 



[1] Auch nicht eines bestimmten Alters (Anm.d. Red.)