Bibelstudium

Gedanken zu Johannes 4

Begegnung am Jakobsbrunnen (2)

In der ersten Folge haben wir gesehen, wie der Herr Jesus das Gespräch mit der samaritischen Frau aufnimmt und sie neugierig macht, die Gabe Gottes kennenzulernen. Doch sie versteht Ihn nicht. Deshalb spricht Er ihr Gewissen an. In dieser Folge wollen wir uns mit dem Höhepunkt und dem Ausgang der Unterredung Jesu befassen.

 

Wo soll die Anbetung stattfinden?

„Unsere Väter haben auf diesem Berg angebetet, und ihr sagt, dass in Jerusalem der Ort sei, wo man anbeten müsse. Jesus spricht zu ihr: Frau, glaube mir, es kommt die Stunde, da ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. Ihr betet an und wisst nicht, was; wir beten an und wissen, was; denn das Heil ist aus den Juden“ (V. 20-22).

„Wenn du … wüsstest, wer es ist, der zu dir spricht“, hat der Herr Jesus der samaritischen Frau am Brunnen gesagt. Nein, noch weiß sie nicht, wer vor ihr steht. Nachdem der Herr seinen Finger auf eine wunde Stelle in ihrem Leben gelegt und ihr dadurch deutlich gemacht hat, dass ihre traurige Geschichte gescheiterter Beziehungen offen vor Ihm liegt, merkt sie, dass Er ein Prophet ist. Versucht sie nun, die Unterhaltung über ein Nebengleis in eine religiöse Diskussion zu führen und so den persönlichen Bezug zu unterdrücken, weil ihr das Gewissen schlägt? Oder nutzt sie jetzt die Gelegenheit, um Klarheit über eine Frage zu bekommen, die sie beschäftigt? Wir wissen es nicht. Es fällt zumindest auf, dass sie als Samariterin die eigene Tradition infrage stellt: Wo soll man eine Begegnung mit Gott suchen – auf dem Berg Gerisim oder in Jerusalem?

Eine erste Begegnung mit Gott findet gerade statt, ohne dass sie sich dessen schon bewusst ist: Der Sohn Gottes selbst in der Person Jesu steht vor der fragenden Frau. Darüber hinaus macht Er ihr klar:

  1. In naher Zukunft, nämlich in der Zeit des Christentums, würde es bei der Anbetung nicht länger auf den Ort der Anbetung ankommen; dann würde eine Person im Mittelpunkt der Anbetung stehen – Gott, der Vater.
  2. Die Samariter kannten Gott eigentlich nicht, weil sie vieles von dem ablehnten, was Gott im Alten Testament offenbart hatte. Insofern geschah ihre Anbetung in Unkenntnis und im Eigenwillen. Die Juden dagegen wussten, dass aus dem Stamm Juda der Christus kommen würde, „der über allem ist, Gott, gepriesen in Ewigkeit“ (Röm 9,5).

 

Die christliche Anbetung

„Es kommt aber die Stunde und ist jetzt, da die wahrhaftigen Anbeter den Vater in Geist und Wahrheit anbeten werden; denn auch der Vater sucht solche als seine Anbeter. Gott ist ein Geist, und die ihn anbeten, müssen in Geist und Wahrheit anbeten“ (V. 23.24).

In seiner Unterhaltung mit der samaritischen Frau kündigt Jesus jetzt einen Wechsel der Zeiten an: Mit seinem Kommen auf die Erde hat ein neuer Zeitabschnitt begonnen – Gott hat sich in seinem Sohn Jesus Christus als Vater offenbart. Das geht weit über die Gottesoffenbarung im Alten Testament hinaus. Und als Vater wünscht Gott jetzt von den Gläubigen angebetet werden.

Wenn früher in Unkenntnis und vielleicht auch ohne Beteiligung des Herzens angebetet wurde, gibt es jetzt wahrhaftige Anbeter – so wie Gott es sich wünscht.

Wahre Anbetung geschieht „in Geist“, das heißt, sie besteht weder in äußeren Ritualen noch in materiellen Opfern wie zu alttestamentlichen Zeiten. Der Heilige Geist ist die Kraft der Anbetung, der den menschlichen Geist zu jeder Zeit und an jedem Ort zur Bewunderung führen kann, wobei es um Gott selbst und sein Handeln geht.

„In Wahrheit“ bedeutet: Anbetung muss an das vollständige Wort Gottes geknüpft sein. Denn nur dort finden wir die Wahrheit über Gott, die Welt und den Menschen.

Gott, der Vater, sucht Anbeter. Doch beachten wir in diesem Zusammenhang das ausdrückliche „Müssen“: Gott selbst schreibt vor, wie wir anbeten sollen. Er will in Geist und Wahrheit angebetet werden. Wir dürfen nicht – losgelöst von der Bibel – mit unseren eigenen Gedanken und Vorstellungen Gott preisen. Gott nimmt nur das an, was von Ihm selbst kommt.

Hast du Gott schon einmal dafür bewundert, dass Er seinen eigenen Sohn hat sterben lassen, um uns eine ewige Heimat bei sich zu schenken?

 

Der Messias

„Die Frau spricht zu ihm: Ich weiß, dass der Messias kommt, der Christus genannt wird; wenn er kommt, wird er uns alles verkündigen. Jesus spricht zu ihr: Ich bin es, der mit dir redet. Und darüber kamen seine Jünger und wunderten sich, dass er mit einer Frau redete. Dennoch sagte niemand: Was suchst du?, oder: Was redest du mit ihr?“ (V. 25-27).

Die Frau ist zwar ihre Frage losgeworden: „Wo ist der richtige Ort zur Anbetung?“, aber die tiefe Bedeutung der Worte Jesu hat sie nicht vollständig verstanden. Sie tröstet sich mit dem Gedanken an den erwarteten Messias, der sie über alles in Kenntnis setzen würde. Offensichtlich empfindet sie, dass sie ohne Ihn nicht auskommen kann.

Erinnern vielleicht gerade die Worte Jesu die Samariterin an den Messias? Der Herr hat ihr ja von dem außerordentlichen Segen berichtet, von dem lebendigen Wasser, das ins ewige Leben quillt. Auch hat Er sie in ihrem Gewissen angesprochen – sie lebt ja in Sünde. Und jetzt hat Er ihr angedeutet, dass es einen Umbruch geben wird.

Die Frau sehnt sich nach dem Messias und seinem Segen. Wie bewegend ist dieser Moment, als Er sich ihr zu erkennen gibt: „Ich bin es, der mit dir redet.“ Als Juden hat sie Ihn äußerlich gleich identifizieren können; als Propheten hat sie Ihn an seinen entlarvenden Worten erkannt. Aber dass der durstige Reisende selbst der Messias sein sollte – das beeindruckt sie, auch wenn sie es noch nicht fassen kann.

Die Unterhaltung wird durch die Jünger abrupt beendet. Sie kommen von ihrem Einkauf zurück und wundern sich, dass ihr Meister mit einer fremden Frau spricht. Wenn sie wüssten, worüber sie gesprochen haben, würden sie sich noch viel mehr wundern. Die Jünger schweigen und bleiben auf Distanz. – Schade, wenn wir uns über die Worte und das Handeln Jesu nur wundern und ihnen nicht auf den Grund gehen.

 

Die samaritische Frau wird zur Missionarin

„Die Frau nun ließ ihren Wasserkrug stehen und ging weg in die Stadt und sagt zu den Leuten: Kommt, seht einen Menschen, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe! Dieser ist doch nicht etwa der Christus? Sie gingen aus der Stadt hinaus und kamen zu ihm“ (V. 28-30).

Die Gnadenworte Jesu haben das Herz der Samariterin geöffnet. Als sie schlussendlich von Ihm erfährt, dass Er der Christus ist, hat das eine unmittelbare Wirkung auf sie: Sie lässt ihren Wasserkrug stehen und geht in die Stadt.

Alles, was ihre tägliche Arbeit und Mühe ausmacht – dafür steht symbolisch der Wasserkrug –, lässt sie nun hinter sich. Sie hat etwas Wichtigeres gefunden. Selbst der traditionsreiche Brunnen und ihre religiösen Vorfahren verlieren an Bedeutung. Diese Person, die vor ihr steht und von der sie jetzt so ergriffen ist, ist unvergleichlich größer als der Erzvater Jakob. Was für ein Umschwung im Leben dieser Frau!

„Aus der Fülle des Herzens redet der Mund“ (Lk 6,45) – dieses biblische Wort wird auch im Leben dieser Frau wahr. Sie lädt andere dazu ein, diesen Christus zu erleben. Der Herr hatte zu ihr gesagt: „Geh ... rufe … und komm hier her“ (V. 16). Diese Worte nimmt sie jetzt auf und sie bittet die Leute der Stadt: „Kommt …!“ Zusammen mit ihnen will sie zu Christus gehen. Sie ist eine Missionarin geworden.

Wie viele Menschen sind seitdem ausgegangen und haben immer wieder zu Jesus Christus eingeladen! Jeder von ihnen hat dasselbe erlebt wie die Samariterin: Sein sündiges Leben wurde aufgedeckt. Und nachdem er seine Sünden bekannt hat und umgekehrt ist, hat dann die vergebende Gnade Jesu alles zugedeckt.

Die Frau hat keine Scheu, vor anderen ihre sündige Vergangenheit anzudeuten. Daran wird ihr echter Glaube sichtbar. Ihre wenigen Worte gehen von Herz zu Herz und zeigen Wirkung: Viele kommen zu Jesus. – Man kann nur wünschen, dass sich diese Geschichte noch tausendfach wiederholt.

 

Die geistliche Speise des Sohnes Gottes

„In der Zwischenzeit baten ihn die Jünger und sprachen: Rabbi, iss! Er aber sprach zu ihnen: Ich habe eine Speise zu essen, die ihr nicht kennt. Da sprachen die Jünger zueinander: Hat ihm wohl jemand zu essen gebracht? Jesus spricht zu ihnen: Meine Speise ist, dass ich den Willen dessen tue, der mich gesandt hat, und sein Werk vollbringe“ (V. 31-34).

Die Samariterin hat alles stehen und liegen lassen und ist in die Stadt gegangen. Diese Zeit nutzen die zwölf Jünger, um ihrem Meister aufzuhelfen: „Rabbi, iss!“ Gewiss ist ihre Aufforderung gut gemeint. Doch ähnlich wie bei der Versuchung in der Wüste, als der Teufel den Herrn dazu aufforderte, seinen Hunger zu stillen, verweist der Herr hier auf eine Speise, die für Ihn immer Vorrang hatte. Er leugnet nicht die irdischen Bedürfnisse des Menschen, ergreift aber die Gelegenheit, um seine Jünger geistlich zu unterweisen.

Die Jünger sind ratlos: Woher hat Jesus Speise? Wer sollte Ihm etwas zu essen gebracht haben? – Auch hier fällt auf, dass die Jünger nicht den Herrn selbst fragen, sondern „zueinander sprechen“. Warum gehen sie – wie viele Menschen heute – mit ihren Fragen nicht direkt zu Jesus, dem Sohn Gottes?

Der Herr lässt seine Jünger nicht im Unklaren: Für Ihn ist das Gespräch mit der Samariterin – mit dem Ziel, ihr das Heil zu schenken – eine große Erfrischung. Inmitten aller Belastungen des täglichen Lebens schöpft der Herr innere Kraft aus seiner Beziehung zum Vater. Ihm will Er als Mensch hier auf der Erde in allem gehorsam sein und das Werk des Vaters will Er ausführen.

„Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes“ (Mt 6,33) – dieses bekannte, aber oft vernachlässigte Bibelwort, ist das Lebensprinzip Jesu. Wenn wir es uns zu eigen machen, werden wir erleben, dass es uns an nichts mangeln wird.

 

Ernte-Felder

„Sagt ihr nicht: Es sind noch vier Monate, und die Ernte kommt? Siehe, ich sage euch: Erhebt eure Augen und schaut die Felder an, denn sie sind schon weiß zur Ernte. Der erntet, empfängt Lohn und sammelt Frucht zum ewigen Leben, damit beide, der sät und der erntet, zugleich sich freuen. Denn hierin ist der Spruch wahr: Einer ist es, der sät, und ein anderer, der erntet. Ich habe euch gesandt, zu ernten, woran ihr nicht gearbeitet habt; andere haben gearbeitet, und ihr seid in ihre Arbeit eingetreten“ (V. 35-38).

Die Frau aus Sichar ist noch in der Stadt, um Menschen einzuladen, Christus kennenzulernen. Inzwischen belehrt der Herr seine Jünger. Es geht um die Ernte – zuerst um die natürliche und dann um eine geistliche Ernte. Die natürliche Ernte würde erst in vier Monaten beginnen, aber geistlich gesehen waren die Felder bereits erntereif. Denkt Jesus dabei an diese eine Samariterin, die jetzt an Ihn glaubte? Soll das die ganze Ernte sein? Nein, der Herr schaut weiter: Noch viele Samariter und Menschen von überall würden glauben – und einmal in der Ewigkeit bei Ihm sein.

In dieser gleichnishaften Rede weist der Herr Jesus auf missionarische Arbeit hin. Sie hat das Ziel, Menschen zum Glauben an Christus zu führen. Jeder „Erntehelfer“ empfängt dabei seinen Lohn; Gott wird dafür sorgen. Und das Schöne ist: Die gesammelte Frucht verdirbt niemals und geht auch nicht verloren. Alle, die auf der Erde Kinder Gottes geworden sind, bleiben es im ewigen Leben bei Gott im Himmel.

Oftmals ist es so, dass Männer und Frauen Gottes eine Zeit lang hart arbeiten und den Samen des Wortes Gottes unermüdlich ausstreuen, aber kaum Frucht sehen. Andere dagegen, die später in diese Arbeit einsteigen, dürfen erleben, dass viele Menschen zum Glauben kommen. Ist da der ursprünglich Säende nicht benachteiligt? Nein, im Himmel gibt es weder Ungerechtigkeit noch Neid. Jeder Diener freut sich dort über die geernteten Früchte, das heißt über alle, die er im Himmel wiedersehen darf.

 

Glaube durch eine persönliche Begegnung mit Jesus

„Aus jener Stadt aber glaubten viele von den Samaritern an ihn um des Wortes der Frau willen, die bezeugte: Er hat mir alles gesagt, was ich getan habe. Als nun die Samariter zu ihm kamen, baten sie ihn, bei ihnen zu bleiben; und er blieb dort zwei Tage. Und noch viele mehr glaubten um seines Wortes willen; und sie sagten zu der Frau: Wir glauben nicht mehr um deines Redens willen, denn wir selbst haben gehört und wissen, dass dieser wahrhaftig der Heiland der Welt ist“ (V. 39-42).

Wer hätte gedacht, dass die Bewohner von Sichar der berüchtigten Frau ihr Ohr leihen würden? Und nicht nur das: Aufgrund ihrer Worte glauben sogar sie nun auch an Christus. Entscheidend ist zunächst das Zeugnis der Frau: „Er hat mir alles gesagt, was ich getan habe.“

Diese Aussage lässt zweierlei erkennen:

  1. Christus ist der Prophet, von dem Mose bereits vorausgesagt hatte, dass Gott Ihn erwecken würde (5. Mo 18,15). Er ist Gott selbst; Er kennt unser Leben, unsere Herzen, einfach alles. Und Er sagt uns, wie Er über uns und unser Leben denkt.
  2. Die Samariterin nahm das Urteil an, das Christus über ihr Leben ausgesprochen hatte. Ohne Ausreden, Entschuldigungen etc. gestand sie ihr sündiges Leben ein.

So sind auch im Laufe der Jahrhunderte viele Menschen zu Jesus Christus geführt worden: Sie wurden durch die sichtbare Umkehr anderer angezogen. Aber dabei darf es nicht bleiben: Jeder muss eine persönliche Begegnung mit Christus haben, jeder muss zu einer persönlichen Überzeugung kommen.

Die Samariter glauben nicht mehr nur „um des Wortes der Frau willen“, sondern „um seines Wortes willen“. Sie brauchen weder Zeichen noch Wunder. Sein Wort hat ihnen die Gewissheit geschenkt, dass Jesus der Heiland der Welt ist.