Lebensbeschreibung

Martin Luther – biographische Notizen (Teil  2)

In diesem Jahr jährt sich die Reformation zum 500. Mal. Auch in ‚Folge mir nach‘ möchten wir die Gelegenheit nutzen, um an den Reformator Martin Luther zu erinnern und die Reformation unter verschiedenen Gesichtspunkten beleuchten. Zu Beginn wollen wir die verschiedenen Stationen im Leben Martin Luthers betrachten. In diesem Artikel geht es um die Frage, wie Luthers Leben nach dem Thesenanschlag 1517 weiterging.

Auseinandersetzungen mit Luthers Thesen

Heidelberger Disputation 1518: Im April 1518 erhält Luther die Möglichkeit auf einer Generalversammlung seines Ordens, seine Thesen vorzutragen – sie widersprechen in vielerlei Hinsicht der herrschenden Lehrmeinung in der katholischen Kirche.

Verhör in Augsburg 1518: Im August 1518 erhält Luther über Kardinal Cajetan die Vorladung, binnen 60 Tagen in Rom zu erscheinen. Da Luther weiß, dass ihm, wenn er seine Thesen nicht widerrufen würde, womöglich der Scheiterhaufen drohte, bat er seinen Kurfürsten um Hilfe. Er sollte beim Papst erreichen, dass die Verhandlung in Deutschland stattfindet. Dies war erfolgreich und so kommt es im Oktober 1518 zu einem Verhör in Augsburg. Luther sagt während der Zeit in Augsburg : „Ich stehe fest. Es geschehe der Wille des Herrn. Auch inmitten seiner Feinde, herrscht Christus. Christus lebe, Martinus sterbe.“[1] Die Gespräche bringen jedoch keine Verständigung und Luther verlässt nach dem vergeblichen Gespräch die Stadt am 20. Oktober.

Leipziger Disputation 1519: Im nächsten Jahr kommt es zu einem Gespräch zwischen Luther und dem Ingolstädter Theologen Johannes Eck. In diesem Gespräch behauptet Luther u.a., dass auch Konzile irren könnten. Sie hätten sich auch schon geirrt: Nämlich das Konzil zu Konstanz mit der Verbrennung des Johannes Hus. Allein die Heilige Schrift sei die Quelle und Richtschnur des Glaubens. Ein kirchliches Lehramt, wie das Papsttum, erkannte Luther nicht mehr an.

Bann gegen Luther 1521: Nachdem Eck über sein Gespräch mit Luther nach Rom berichtet hat, wird Luther der Bann (Exkommunikation, d.h. Ausschluss aus der Kirche und Ächtung) angedroht. Luther hat 60 Tage Zeit zu widerrufen. Seine Schriften müssen verbrannt werden. Luthers Antwort besteht darin, dass er am 10. Dezember 1520 im Beisein seiner Studenten die Bannbulle verbrennt. Auch hierzu ein Zitat Luthers: „Täglich erwarte ich den Bannfluch aus Rom, darum bestelle und ordne ich alles, damit ich, wenn er kommt, bereit und gerüstet von dannen ziehe wie Abraham, ungewiss, nein, ganz gewiss wohin, denn Gott ist überall.“

In jenen Jahren erscheinen auch einige entscheidende Schriften Luthers, deren weite Verbreitung durch die neu erfundene Buchdruckerkunst gefördert wurde:

  • „Von dem Papsttum zu Rom“: Hier lehrt Luther, dass die Kirche kein Haupt auf Erden habe, da Christus im Himmel ihr Haupt sei.
  • „An den christlichen Adel deutscher Nation“: Hier greift Luther die „drei Mauern“ (wie er es nennt) der katholischen Kirche an. „Die ‚Romanisten‘ haben mit großem Geschick drei Mauern um sich gezogen; damit haben sie sich bisher geschützt, so dass niemand sie hat reformieren können. Dadurch ist die ganze Christenheit schrecklich verdorben worden. Zum ersten: Wenn man ihnen mit weltlicher Gewalt zugesetzt hat, haben sie festgesetzt und gesagt, die weltliche Gewalt habe kein Recht über sie, sondern umgekehrt stehe die geistliche über der weltlichen. Zum zweiten: Wollte man sie mit der Heiligen Schrift widerlegen, setzen sie dem entgegen, es gebühre niemandem, die Schrift auszulegen als dem Papst. Zum dritten: Droht man ihnen mit einem Konzil, so erfinden sie, es könne niemand ein Konzil einberufen als der Papst.“[2]
  • „Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche“: Hier wendet Luther sich gegen die katholische Messe und Sakramentenlehre.[3]
  • „Von der Freiheit eines Christenmenschen“: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“

Der Reichstag zu Worms

Nach dem Bann wäre Kaiser Karl V. eigentlich verpflichtet gewesen, Martin Luther zu ächten. Doch er wollte Luther erst verhören. So ergeht am 6. März 1521 eine Einladung an Luther zum Reichstag nach Worms. Jetzt sollte sich Luther nicht vor der kirchlichen, sondern vor der weltlichen Obrigkeit verantworten. Luther folgt dieser Einladung und sagt Folgendes dazu: „Und wenn sie gleich ein Feuer machten, das zwischen Wittenberg und Worms bis an den Himmel reicht, so wollt ich doch im Namen des Herrn erscheinen.“ Vor dem Kaiser und den versammelten Reichsständen[4] wird Luther gefragt, ob er bereit sei, den Inhalt seiner Bücher zu widerrufen. Dies lehnt Luther mit den Worten ab: „Werde ich nicht durch Zeugnisse der Schrift oder klare Vernunftgründe überzeugt – denn ich glaube weder dem Papst noch Konzilen allein, da es am Tage ist[5], dass sie oft geirrt haben –, so bleibe ich überwunden durch die von mir angeführten Schriftstellen und mein Gewissen gefangen durch Gottes Wort. Daher kann und will ich nichts widerrufen. Denn gegen das Gewissen zu handeln ist beschwerlich, unheilsam und gefährlich. Amen.“ Luther verlässt Worms, noch ehe das „Wormser Edikt“ (die Acht[6] über Luther) vom Kaiser und den Reichsständen unterschrieben war.

Die Reichsacht bedeutete auch, dass es verboten war, Luthers Schriften zu kaufen oder zu verbreiten. Dieses Verbot war jedoch in Deutschland nicht durchzuführen, da schon viele Fürsten auf Luthers Seite standen.

Auf der Wartburg

Am 26. April 1521 begibt sich Luther auf die Reise nach Wittenberg. Das ihm zugestandene freie Geleit gilt noch für 21 Tage. Dann würde die Acht in Kraft treten. In den Wäldern bei Eisenach fällt ein Trupp bewaffneter Reiter über den Wagen her. Luther wird aus dem Wagen gezerrt, entführt und auf die Wartburg gebracht. Diese Maßnahme war von dem Kurfürsten von Sachsen angeordnet worden, um Luther zu schützen. Er nimmt ihn sozusagen in „Schutzhaft“. Auf der Wartburg vertauscht Luther die Kutte mit dem Rittergewand, lässt sich einen Bart wachsen und nimmt als „Junker Jörg“ eine neue Identität an. Aus den Augen der Welt ist Luther damit vorerst verschwunden. Auf der Wartburg hat er nach volkstümlicher Überlieferung mit dem Teufel „gekämpft“ und sein Tintenfass nach ihm geworfen. Seine weitaus bedeutendste Leistung in jener Zeit war die Übersetzung des Neuen Testaments (1522) ins Deutsche[7].

Währenddessen werden in Wittenberg weitere Konsequenzen aus Luthers Lehren gezogen, ohne dass er selbst Einfluss darauf hat. Deshalb kehrt er 1522 – ohne Genehmigung seines Kurfürsten, der sich immer noch Sorge um seine Sicherheit macht – nach Wittenberg zurück, um zu verhindern, dass ihm die Entwicklung[8] völlig aus der Hand gleitet. Die Reformation gerät jedoch mehr und mehr unter den Einfluss der Fürsten. Das Deutsche Reich verliert schnell seine religiöse Einheit. Immer mehr Landesfürsten wenden sich von der römischen Kirche ab und errichten Landeskirchen nach reformatorischem Glaubensgut. Der Kaiser ist machtlos, da er alle Fürsten braucht (z.B. im Kampf gegen die Türken, die vor Wien stehen). Gegen die Aufforderung des Kaisers, alles beim Alten zu lassen und die weitere Ausbreitung des „neuen Glaubens“ zu verhindern, protestieren die reformatorischen Fürsten auf dem Reichstag zu Speyer (1529). Seitdem nannte man sie die „Protestanten“. Im Augsburger Religionsfrieden 1555 wird beschlossen, dass jeder Fürst seine Konfession und die seiner Untertanen frei wählen kann. Wer anderer Überzeugung als der Landesfürst ist, hat oft nur die Wahl auszuwandern.

Luthers Ende

In den 1530er Jahren steht Luther nicht mehr vorrangig im Mittelpunkt der rerformatorischen Entwicklung. Städte wie Straßburg, Zürich und Genf werden zu neuen Zentren der Reformation. Andere Reformatoren wie Melanchton, Bucer, Bugenhagen, Bullinger und Calvin[9] gewinnen zunehmend an Bedeutung

Bei der großen Bedeutung, die Luthers Wirken für die weitere Entwicklung der Christenheit in Deutschland und darüber hinaus hat, soll nicht übersehen werden, dass er auch ein eifriger Seelsorger war. Das wird auch in seiner letzten Aufgabe deutlich.

Graf Albrecht von Mansfeld lag mit seinem Bruder seit langem im Rechtsstreit[10]. Beide waren schließlich bereit, Luther als Vermittler anzuerkennen. Im Januar 1546 reiste Martin Luther nach Eisleben. Hier predigte er zum letzten Mal. Er schloss mit den Worten: „Das und viel mehr wäre von diesem Evangelium weiter zu sagen, aber ich bin zu schwach, wir wollns hierbei bleiben lassen.“ In Eisleben befiel den 62-jährigen „eine schwere Brustbeklemmung“. Zu denen, die bei ihm wachten, sagte er: „Ich werde nun wohl zu Eisleben, da ich geboren und getauft bin, bleiben“. Am 18. Februar starb er in der Nacht. Sein letztes Gebet endete mit den Worten: „O himmlischer Vater, ob ich schon diesen Leib lassen und aus diesem Leben hinweggerissen werden muss, so weiß ich doch gewiss, dass ich ewig bei dir bleiben und aus deinen Händen mich niemand reißen kann. Amen.“

 

 

 

Literaturhinweis

Der Einfluss Martin Luthers ist unbestreitbar. Doch die Geschichte der Reformation wäre nicht denkbar, ohne die vielen Menschen, die daran mitgewirkt haben. Für interessierte Leser sei das Werk von Uwe Birnstein, Who is Who der Reformation (Kreuz Verlag) empfohlen. Es berichtet detailreich in lexikalischer Anordnung über eine Vielzahl von Männern und Frauen, die einen Anteil an der Entwicklung jener Jahre hatten.

 


[1] Zitate von Martin Luther stammen, wenn nicht anders angegeben, aus: S. Heinzelmann, Martin Luthers Lebensweg aus seinen eigenen Worten zusammengestellt
[2] Martin Luther, Die reformatorischen Grundschriften, Band 2
[3] Luther lässt nur zwei Sakramente (Taufe und Abendmahl) gelten. Das Wort Sakrament stammt vom kirchenlateinischen Begriff sacramentum „Heilszeichen, Heilsmittel, Heilsweg, sichtbares Zeichen der verborgenen Heilswirklichkeit“ ab. Es ist kein Begriff, der in der Bibel eine Grundlage hat.
[4] Die Reichsstände des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation waren diejenigen Personen und Korporationen, die Sitz und Stimme im Reichstag besaßen. Dies waren mehr als 300 geistliche und weltliche Fürsten, Prälaten, Vertreter von Ritterorden, Grafen und Herren sowie Freie Städte und Reichsstädte.
[5] D.h. da es offenbar ist.
[6] S. Info-Box „Reichsacht“
[7] Darüber wird ein weiterer Artikel ausführlicher berichten.
[8] Näheres s. Info-Box „Luther und Karlstadt“
[9] Diese Personen sind Gegenstand eines weiteren Artikels dieser Serie.
[10] Die Mansfelder Grafen waren die früheren Landesherren Luthers.