Fliehen oder Widerstehen

Fliehen oder widerstehen? Fortsetzung aus heft 3/99

Beim letzten Mal haben wir uns vier Bibelstellen angesehen, wo wir aufgefordert werden, bestimmte Sünden zu fliehen. Zuletzt hatten wir über den Unterschied zwischen Versuchungen von innen und von außen nachgedacht. Die Versuchungen von innen waren Versuchungen zu Sünden, die wir fliehen sollen. Die Versuchungen (o. Erprobungen) von außen hingegen sind Gefahren für uns, gegen die wir kämpfen müssen, wo es gilt, Widerstand zu leisten. Auf diese Gefahren wollen wir in der heutigen Fortsetzung eingehen. Am Schluß werden wir uns dann kurz mit den Versuchungen beschäftigen, die der Herr Jesus in den Tagen seines Erdenlebens erfahren hat.

2. Widerstehen

Jetzt wollen wir uns drei Schriftstellen zuwenden, die uns auffordern zu widerstehen:

  • „Deshalb nehmt die ganze Waffen-rüstung Gottes, damit ihr an dem bösen Tag zu widerstehen und, nachdem ihr alles ausgerichtet habt, zu stehen vermögt" (Eph 6,13; siehe auch Vers11).
  • „Widersteht aber dem Teufel, und er wird von euch fliehen" (Jak 4,7).
  • „Der Teufel geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge. Dem widersteht standhaft im Glauben" (1. Pet 5,8.9).

Widerstand bedeutet Kampf. Auch wir müssen kämpfen, solange wir in dieser Welt sind, und zwar den Kampf des Glaubens. So forderte Paulus Timotheus auf, den guten Kampf des Glaubens zu kämpften (1. Tim 1,18; 6,12), und sagte von sich am Ende seines Lebens, daß er diesen Kampf gekämpft hatte (2. Tim 4,7). Gott hat auch für uns diesen Kampf vorgesehen. Wir sollen darin ausharren, damit unser Glaube gefestigt und bewährt wird. Wie wir im Falle Hiobs sehen, benutzt Gott in diesen Versuchungen häufig den Teufel. Und der Teufel hat keine andere Absicht, als uns innerhalb des ihm von Gott zugemessenen Spielraums zu schaden oder, wenn möglich, zu Fall zu bringen. Auffallend ist bei den drei oben genannten Stellen, daß es immer um Widerstand gegen den Teufel geht, insbesondere gegen die Listen des Teufels.

2.1. Verteidigung der himmlischen Besitztümer

Der Epheserbrief beschreibt uns wie kein anderer Brief die geistlichen Segnungen der Gläubigen in den himmlischen Örtern (Kap. 1,3). Wir werden in diesem Brief als solche gesehen, die bereits mit Christus auferweckt sind und mit Ihm in den himmlischen Ortern befinden und schon jetzt im Glauben alle diese Segnungen besitzen. Nachdem Paulus in den ersten fünf Kapiteln die Größe der Segnungen entfaltet hat, fordert er die Epheser in Kapitel 6 auf, die ganze Waffenrüstung Gottes anzuziehen, um bestehen zu können, wenn der Teufel mit seinen Listen kommt.

Zudem verfügt dieser über große Heere böser Mächte, die in Vers 12 beschrieben werden und die ebenfalls Zugang zu den himmlischen Ortern haben.

„Groß Macht und viel List sein grausam Rüstung ist" M. Luther

Es ist seine Absicht, uns den Genuß der geistlichen Segnungen zu rauben, uns gleichsam aus dem Land Kanaan (ein Bild der himmlischen Orter) zu vertreiben. Wie schnell können Gläubige vergessen, daß sie mit Christus einsgemacht sind, mit Ihm versetzt sind in himmlische Örter und auf der Erde nur Fremde sind. Wie schnell können wir die himmlische Stellung der Versammlung sowie die Wahrheit von dem einen Leib aus den Augen verlieren. Der Teufel versucht, uns durch irdische Dinge von den himmlischen Segnungen abzulenken. Da dürfen wir nicht fliehen, sondern müssen dem Teufel energischen Widerstand leisten, und zwar bekleidet mit der ganzen Waffenrüstung Gottes und zudem „zu aller Zeit betend mit allem Gebet und Flehen in dem Geist" (V. 18). Einen solchen Kämpfer vermag der Teufel nicht zu überwinden.

Ein schönes Beispiel für solch einen Verteidigungskampf finden wir in 2. Samuel 23,11.12. Dort floh das Volk vor den Phi-listern, die keinerlei Anrecht auf das „Land" hatten, doch Schamma, ein Held Davids, verteidigte ein Ackerstück und schlug die Philister.

Die beiden folgenden Schriftstellen, Jakobus 4,7 und 1. Petrus 5,8.9, stellen uns besonders die beiden Hauptcharakterzüge der Listen des Teufels vor. In Jakobus 4 kommt der Teufel und stellt uns die angenehmen Dinge dieser Welt vor, die Freundschaft mit der Welt, um uns von dem Weg des Glaubens und des Gehorsams abzuziehen. In 1. Petrus 5,8.9 sehen wir ihn als einen brüllenden Löwen umhergehen und wie er versucht, durch Verfolgungen und Leiden, also die unangenehmen Dinge, uns verzagt und schwach im Glauben zu machen.

2.2. Die angenehmen Dinge der Welt

Die Welt mit ihren angenehmen Dingen ist und bleibt eine Gefahr für jeden Gläubigen. Wir können nicht dem Herrn auf dem Weg seiner Verwerfung in dieser Welt folgen und zugleich nach den Annehmlichkeiten dieser Welt verlangen. Der Herr Jesus hat selbst gesagt, daß jeder, der nicht allem entsagt, was er hat, nicht sein Jünger sein kann (Lk 14,33). Die Freundschaft der Welt ist Feindschaft gegen Gott (Jak 4,4).

Und Johannes ermahnte die jungen Männer: „Liebt nicht die Welt noch was in der Welt ist", und fuhr fort, „wenn jemand die Welt liebt, so ist die Liebe des Vaters nicht in ihm; denn alles, was in der Welt ist, die Lust des Fleisches und die Lust der Augen und der Hochmut des Lebens, ist nicht von dem Vater, sondern ist von der Welt" (1. Joh 2,15.16). In eine dieser drei Kategorien lassen sich all die angenehmen Dinge der Welt einteilen. Häufig ist eins mit dem anderen verbunden. Wie bemerkenswert ist es doch, daß wir in Verbindung mit der ersten Versuchung, die uns in Gottes Wort vorgestellt wird, auch gleich diese drei Kategorien finden: „Und das Weib sah, daß der Baum gut zur Speise [Lust des Fleisches] und daß er eine Lust für die Augen [Lust der Augen] und daß der Baum begehrenswert wäre, um Einsicht zu geben [Hochmut des Lebens]" (1. Mo 3,6).

Diese drei Kategorien sind die moralischen Grundsätze dieser Welt, deren Fürst der Teufel ist (Joh 12,31; 14,30; 16,11; Eph 2,2). Er beherrscht durch diese Grundsätze diese Welt. Sie liegt moralisch in dem Bösen (1. Joh 5,19). Diese Grundsätze sind ihrem Wesen nach Unabhängigkeit von Gott. Selbst die Befriedigung natürlicher Bedürfnisse wie Essen und Trinken, was an sich eine Gabe Gottes ist (Pred 3,13) und mit Danksagung angenommen werden sollte (1. Tim 4,3), wird zur Sünde, wenn wir in Unabhängigkeit von Gott essen und trinken. Das ist der Grundsatz. Durch die Sünde ist alles um uns her in dieser Welt verdorben. Und Sünde ist ja eben Unabhängigkeit von Gott (vgl. 1. Joh 3,4; Röm 14,23).

Der Prediger forderte den jungen Mann auf, sich zu freuen und im Anschauen seiner Augen zu wandeln. Doch er sollte das in Abhängigkeit von Gott tun, in dem Bewußtsein, daß Gott ihn um dies alles ins Gericht bringen würde (Pred 11,9).

Die letzte dieser drei Kategorien ist der Hochmut des Lebens. Hochmut richtet sich vor allem gegen Gott. Darum ist es Gott selbst, der dem Hochmütigen widersteht (Jak 4,6; 1. Pet 5,5). Hochmut war auch die eigentliche Sünde des Teufels (siehe Hes 28,11-19; Vers 17: ,Dein Herz hat sich erhoben ..."). War es nicht im besonderen der Hochmut, durch den die Schlange Eva zu Fall brachte? „Mitnichten werdet ihr sterben ... ihr werdet sein wie Gott" (1. Mo 3,4.5). Zu sein wie Gott, das war für Eva erstrebenswert. Wie vielen Menschen hat der Teufel in dieser Welt zu Ehre und Ansehen verholfen, doch als Preis haben sie ihre Seele verkauft. Doch auch wir als Gläubige müssen wachsam sein und die Listen des Teufels erkennen, um ihm in der richtigen Weise widerstehen zu können.

Wir sind nur dann in der Lage, dem Teufel Widerstand zu leisten, wenn das Wort Gottes und die Liebe des Vaters in uns sind. Johannes hatte den jungen Männern geschrieben, weil sie stark waren und das Wort Gottes in ihnen geblieben war und sie den Bösen überwunden hatten (1. Joh 2,14). Das Wort Gottes war in ihnen, es war zu einem Bestandteil ihres Lebens geworden. In eigener Kraft können wir dem Bösen nicht entgegentreten, wohl aber in der Stärke Gottes, die wir durch das Wort Gottes finden. Dieses Wort bewahrt uns auf dem Weg des Gehorsams. Der Teufel stellt das Wort Gottes in Frage. So kam einmal die Schlange zu Eva mit der Frage „Hat Gott wirklich gesagt?" (1. Mo 3,1). Eva ließ sich auf eine Debatte mit der Schlange ein, und das wurde ihr zum Verhängnis, denn die Schlange „war listiger als alles Getier des Feldes". Wäre die Schlange nicht geflohen (vgl. Jak 4,7), wenn Eva einfach die Worte Gottes aus Kapitel 2,16.17 wiederholt hätte?

2.3. Verfolgungen und Leiden

In 1. Petrus 5 finden wir nun die für uns unangenehmen Dinge der Welt, die ebenso eine Gefahr für unseren Glauben sein können. Nun kommt der Teufel wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge. Auch hier ist Widerstand und Kampf erforderlich. Nicht daß wir bösen Menschen widerstehen sollen, die uns vielleicht bedrücken (vgl. Mt 5,39). Unser Kampf ist nicht gegen Fleisch und Blut (Eph 6,12), sondern gegen den Teufel und seine Mächte. Es ist ein Kampf des Glaubens. So wurde den Hebräern gesagt, daß sie „viel Kampf der Leiden erduldet" hatten, indem sie einerseits durch Schmähungen und Drangsale zur Schau gestellt wurden und andererseits Genossen derer wurden, die so einhergingen (Heb 10,32.33). Sie hatten den Raub ihrer Güter mit Freuden aufgenommen. Dennoch wurden sie aufgefordert: „Werft nun eure Zuversicht nicht weg, die eine große Belohnung hat. Denn ihr habt Ausharren nötig, damit ihr, nachdem ihr den Willen Gottes getan habt, die Verheißung davontragt" (10,35.36). Selbst solche bewährten Christen bedurften noch des Ausharrens.

Das sind die Versuchungen, von denen Jakobus in Kapitel 1,2.3 schreibt.1 So ermahnte auch Petrus die Gläubigen, nüchtern zu sein und zu wachen. Sie sollten dem Teufel widerstehen durch Standhaftigkeit im Glauben, durch Vertrauen auf Gott, der alle Leiden und Verfolgungen kennt und zuläßt, sie aber zu ewiger Herrlichkeit in Christus Jesus ausschlagen lassen wird, nachdem sie eine kleine Zeit gelitten hätten. Gott selbst würde sie „vollkommen machen, befestigen, kräftigen und gründen" (V. 10). In dieser Kraft Gottes dürfen auch wir in Leiden den Anfechtungen durch den Teufel in dem Bewußtsein widerstehen, daß diese Dinge „nötig sind" (1. Pet 1,6) und daß es letztlich Gott ist, der uns züchtigt, „damit wir seiner Heiligkeit teilhaftig werden", denn „alle Züchtigung aber scheint für die Gegenwart nicht ein Gegenstand der Freude, sondern der Traurigkeit zu sein; danach aber gibt sie die friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die durch sie geübt worden sind" (Heb 12,10.11).

Dem widersteht standhaft im Glauben. (1. Petrus 5,9)

„Wir wissen aber, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken" (Röm 8,28). „Denn das schnell vorübergehende Leichte unserer Trübsal bewirkt uns ein über jedes Maß hinaus gehendes, ewiges Gewicht von Herrlichkeit" (2. Kor 4,17). Widerwärtigkeiten im Glauben aus der Hand Gottes anzunehmen, das ist der stärkste Schutz gegen diese List des Teufels. Durch den Schild des Glaubens sind wir imstande, die feurigen Pfeile des Bösen auszulöschen (Eph 6,16). Dabei dürfen wir wissen, daß auch der Herr in allen Dingen versucht worden ist in gleicher Weise wie wir. Mit diesen Versuchungen des Herrn, unserem vollkommenen Vorbild in allem, wollen wir uns nun noch beschäftigen.

2.4. Die drei großen Versuchungen in Lukas 4

Es ist Lukas, der uns die Versuchungen des Herrn als des wahrhaftigen Menschen, des Sohnes des Menschen, am deutlichsten vor Augen stellt2. Die drei hier beschriebenen Versuchungen waren bei weitem nicht alle, sondern nur die letzten, schweren Versuchungen. Der Herr wurde vierzig Tage von dem Geist in der Wüste umhergeführt und während dieser Zeit von dem Teufel versucht.

Bei der ersten der hier genannten Versuchung schlug der Teufel dem Herrn vor, aus Steinen Brot zu machen, um seinen Hunger damit zu stillen. Doch der Herr blieb vollkommen abhängig von Gott und wollte lieber nicht essen als etwas tun, was Gott Ihm nicht geboten hatte. Sein Gehorsam ging so weit, daß Er nicht einmal aß, obwohl Er sehr hungrig war, da Er von Gott keinen Auftrag dazu hatte. Der Herr widerstand dem Teufel mit dem „Es steht geschrieben" und zitierte eine Stelle aus 5. Mose: „Nicht von Brot allein soll der Mensch leben, sondern von jedem Wort Gottes" (8,3).

Bei der zweiten Versuchung zeigte der Teufel dem Herrn alle Reiche der Erde und verhieß Ihm Gewalt darüber, falls Er ihn anbeten würde. Der Teufel bot dem Herrn hier die Möglichkeit an, ohne den Weg der Leiden und des Kreuzes zur Herrschaft zu gelangen. Was ist die Antwort des Herrn? „Es steht geschrieben" und: „Du sollst den HERRN, deinen Gott, anbe-ten, und ihm allein dienen" (5. Mo 6,13).

Im dritten Fall schlug der Teufel dem Herrn vor, der Welt ein Schauspiel zu geben, indem Er sich von dem Tempel herabfallen ließe. Nun kam der Teufel sogar mit einem Bibelwort, und zwar aus Psalm 91, wovon er aber absichtlich die Mitte, „dich zu bewahren auf allen deinen Wegen", wegließ (V. 11). Sicherlich würde Gott den Herrn Jesus bewahrt haben. Doch der Glaube erweist sich gerade darin, daß er Gott und seinem Wort vertraut, ohne „auszuprobieren", ob Gott zu seinem Wort steht. Der 91. Psalm zeigt uns gerade den Messias, wie Er inmitten eines von Gott abgewichenen Volkes auf den HERRN vertraut. Sollte der Herr diesen Platz der Abhängigkeit aufgeben und diese Wege Gottes verlassen? Nein, der Herr begegnete auch hier dem Teufel wieder mit „Es steht geschrieben" und „Du sollst den HERRN, deinen Gott, nicht versuchen" (5. Mo 6,16).

So widerstand der Herr Jesus, unser vollkommenes Vorbild, in allen drei Versuchungen mit nichts anderem als dem, womit auch wir widerstehen müssen: dem Wort Gottes. Nachdem der Teufel jede Versuchung vollendet hatte, wich er eine Zeit von Ihm (Lk 4,13).

Gerade die Versuchungen des Herrn Jesus zeigen uns, daß der Teufel ein besiegter Feind ist. Für den Glauben ist das eine Tatsache. Wenn eine Versuchung durch die Sünde da ist, dürfen wir uns vergegenwärtigen, daß der Herr unsere Sünden gesühnt hat und dafür gestorben ist. Wir dürfen im Glauben verwirklichen, daß unser alter Mensch mitgekreuzigt worden ist, als der Herr auf dem Kreuz starb. Und wenn Versuchungen von au-Ben da sind, so dürfen wir wissen, daß der Herr selbst alles durchlebt hat und uns daher in allen Lagen versteht. Er hat Mitleid mit unseren Schwachheiten. Er allein vermag uns darin zu helfen. „Laßt uns nun mit Freimütigkeit hinzutreten zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zur rechtzeitigen Hilfe" (Heb 4, 16).

Und wenn wir durch die Sünde versucht werden, dann wollen wir fliehen, am besten ins Gebet, in die unmittelbare Gegenwart des Herrn. Dann wird Er uns in jeder Lage den Sieg geben, ob wir zu fliehen oder zu widerstehen haben.

„...dem widersteht standhaft im Glauben."

 

1 Für den Apostel Paulus war z. B. der Dorn für das Fleisch eine derartige Versuchung (2. Kor 12,7). Der Herr erlaubte einem Engel Satans, ihn mit Fäusten zu schlagen, damit er sich nicht überhebe. Dieser Dorn ließ ihn seine ganze Schwachheit fühlen, so daß er völlig auf den Herrn und seine Gnade vertrauen lernte. Das machte ihn stark im Glauben und brachte ihn dazu, sich dieser Schwachheiten zu rühmen (2. Kor 11,30; 12,5.9.10).

2 Matthäus beschreibt zwar auch diese drei Versuchungen, doch bei ihm stehen sie mehr in Verbindung mit dem Herrn als dem König Israels und gipfeln darin, daß der Teufel den Herrn versucht, aus seiner Hand die Herrschaft über die Erde anzunehmen.