Du hast ihn ein wenig unter die Engel erniedrigt
Du hast Ihn ein wenig unter die Engel erniedrigt (Heb 2,7)
Hin und wieder hört man die Ansicht, daß der Mensch in der Schöpferordnung Gottes einen Platz unter den Engeln einnehme und daß sich deshalb auch der Herr Jesus bei seiner Menschwerdung unter die Engel erniedrigt habe.
Wir wollen im folgenden diese beiden Aussagen kurz anhand der Schrift beleuchten.
Befindet sich der Mensch in der Schöpferordnung Gottes unter den Engeln?
Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Sicherlich sind Engel dem Menschen in vielen Fähigkeiten überlegen. Denken wir beispielsweise an ihre gewaltige Kraft (Mt 13,39.49; 24,31). Die Erscheinung dieser machtvollen Wesen kann einen furchterregenden Einfluß auf Menschen ausüben (Mt 28,4; Lk 1,12).
Aber nur von dem Menschen wird gesagt, daß er im Bild Gottes erschaffen wurde. Ein Bild ist eine repräsentierende Darstellung, wodurch etwas ausgedrückt werden soll. Die Tatsache, daß der Mensch das Bild Gottes ist, bedeutet, daß er Gott auf der Erde repräsentieren und vertreten soll. Er soll die Macht Gottes über die Erde zum Ausdruck bringen, indem er über sie herrscht (1. Mo 1,26). Adam und Eva, denen zunächst diese hohe Aufgabe gegeben wurde, haben ihr allerdings nicht entsprochen, sie waren ungehorsam. Seitdem hat der sündige Mensch das ihm Anvertraute zur Verunehrung Gottes mißbraucht. Dennoch hat er grundsätzlich seine Stellung und Würde behalten, denn auch nach dem Sündenfall wird er noch das Bild Gottes genannt (vgl. 1. Kor 11,7).
Die Engel hingegen, so mächtig sie sind, wurden nicht zu dem Mittelpunkt und Haupt eines Systems erhoben. Gott hat ihnen die Regierung über andere Geschöpfe nicht gegeben, obwohl sie sie später an sich gerissen haben. In moralischer Hinsicht stehen sie aber doch über den Menschen, da sie, im Gegensatz zu ihnen, in Gehorsam zum Wohlgefallen Gottes handeln (Ps 103,20.21). Außerdem sind sie unsterblich.
Wurde der Herr Jesus bei seiner Menschwerdung unter die Engel erniedrigt?
Nein, sicherlich nicht. Wenn der Schöpfer in seine Schöpfung als Mensch eintritt, muß Er notwendigerweise den ersten Platz vor allen Geschöpfen, auch vor den Engeln, einnehmen. Deshalb wird der Herr Jesus in Kolosser 1,15 der „Erstgeborene aller Schöpfung" genannt. Der Ausdruck Erstgeborener bezeichnet an dieser Stelle, wie an manchen anderen auch, nicht den zuerst Geborenen, sondern den Ranghöchsten (siehe z.B. Salomo in Ps 89,27). Erst als Er starb, wurde Er ein wenig unter die Engel erniedrigt, denn Engel können nicht sterben.
Jetzt aber ist dem auferstandenen, verherrlichten Sohn des Menschen alles unterworfen worden (siehe Heb 2,5ff.). Der Mensch Jesus Christus ist das Haupt über alles, auch über die Engel (Eph 1,20ff.). Im Tausendjährigen Reich wird Er über Himmel und Erde herrschen (Eph 1,9.10; 1. Kor 15,25ff.).
Bereits im Alten Testament wird davon gesprochen, daß dem Sohn des Menschen die Erde unterstellt werden würde (siehe Ps 8,5ff.). Somit würde sich Gottes Absicht, daß ein Mensch zu seiner Ehre über die Erde regiert, erfüllen. Die Tatsache, daß sich die Herrschaft des Herrn Jesus über das ganze Universum erstrecken wird, wurde aber erst im Neuen Testament offenbart.
Die Stellung der Christen und die Engel
Das Neue Testament zeigt auch, daß wir, die wir zur Versammlung Gottes gehören, seine Regierung mit Ihm teilen werden (vgl. Eph 1,11). Dazu gehört auch das Richten der Engel (1. Kor 6,3). Doch schon jetzt sind uns, den Söhnen Gottes der neuen Schöpfung, die Söhne Gottes der ersten Schöpfung (die Engel1) zu Dienern geworden (Heb 1,14). So hoch sind wir, ehemalige Sünder, durch unsere Verbindung mit dem Herrn Jesus über die Engel erhoben worden! Diese Wahrheit gehört sicherlich auch zu den Dingen, in die Engel hineinzuschauen begehren (vgl. 1. Pet 1,12).
Die Engel sind bevorrechtigte Wesen. Sie befinden sich in der Nähe Gottes. Sie dürfen etwas von Gottes Macht und Herrlichkeit offenbaren. Doch nach seinem Ratschluß hat Er für den nichtigen, gefallenen Menschen ein höheres Teil vorgesehen. Es hat Ihm gefallen, sich an diesen Menschen völlig zu verherrlichen. Denn in ihrer Begnadigung und Segnung werden alle seine Wesenzüge - wie Liebe, Gnade, Barmherzigkeit - kundgemacht.
„Was ist der Mensch, daß du seiner gedenkst?"
1 Im Alten Testament wird der Ausdruck Söhne Gottesnur in bezug auf die Engel verwendet (vgl. Hiob 38,7).
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