Bibel praktisch

Fully persuaded – völlig überzeugt?

Es ist nichts Neues, dass Menschen verschiedene Überzeugungen haben: Unternehmer sind überzeugt von ihrem Produkt, Fußballfans von ihrem Verein, manche Menschen sogar von sich selbst. Nicht jede Überzeugung muss zwingend gut und richtig sein. Aber wie sieht es denn bei Christen mit dem Thema Überzeugung aus? Hierzu schreibt Paulus etwas im zweiten Brief an seinen Freund und Mitarbeiter Timotheus. Da er ihm sogar bescheinigt, „völlig überzeugt“ zu sein, lohnt es sich, etwas tiefer einzusteigen.

 

„Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast und wovon du völlig überzeugt bist, ...“

2. Tim. 3,14

 

1. Wovon überzeugt?

Ganz klar: Eine Überzeugung muss eine Grundlage haben. In den Versen 10 und 11 des Kapitels listet Paulus eine Reihe von Punkten aus seinem praktischen Glaubenslebens auf, die Timotheus von ihm gelernt hatte. Aber allem voran stellt er die (christliche) Lehre, denn sie ist das Fundament für alles Folgende. Timotheus hatte die Lehre von Paulus „genau erkannt“ und war von ihr völlig überzeugt. Was hat es mit dieser Lehre auf sich?

  • Die gesamte christliche Lehre fügt Gottes Gedanken – insbesondere über die christliche Epoche – wie ein Puzzle zu einem perfekten Bild zusammen. Sie beginnt bei der Rettung verlorener Sünder, zeigt die christliche Lebenspraxis und stellt das ewige Leben vor. Sie basiert nicht auf theoretischen Annahmen, sondern auf einer Person und der göttlichen Wahrheit: Es ist Jesus Christus, der Sohn Gottes, und das, was mit Ihm verbunden ist. Mit der Verkündigung der Lehre hatte Gott die Apostel (vgl. Apg 2,42) und Propheten aus ihrer Zeit (z.B. Jakobus, Judas u.a.) beauftragt (vgl. Eph 3,5). Die gesamte christliche Lehre ist – vom Heiligen Geist inspiriert – abschließend und vollständig im Neuen Testament niedergeschrieben.
  • In Vers 10 schreibt Paulus von „seiner Lehre“. Nicht, dass er sie „erfunden“ hätte, aber Gott hat ihm einen besonderen Teil der christlichen Lehre offenbart und durch ihn verkündigen lassen (Eph 3,1-7). Dieser Teil beinhaltet die Wahrheit von Christus und seiner Versammlung (Gemeinde). Sie ist der eine Leib, von dem Er das Haupt ist, und das Haus des lebendigen Gottes, in dem man sich nach seinen Grundsätzen verhalten soll (vgl. 1. Kor 12,12 ff.; Kol 1,18). Die Versammlung gibt als Pfeiler und Grundfeste Zeugnis von seiner Wahrheit (vgl. 1. Tim 3,15). Sie bildet außerdem die eine Herde, die durch den Hirten versorgt wird, und die Braut, für die Christus sich aus Liebe hingab und die Er bald zu sich in den Himmel holt (vgl. Apg 20,28; Eph 5,25; Off 22,17). Auf diesen Aspekten liegt sicher der Schwerpunkt, wenn Paulus von „seiner Lehre“ spricht. Es ist das „Bild gesunder Worte“, das Timotheus von Paulus gehört hatte (Kap. 1,13), wobei der restliche Teil des Neuen Testaments (z.B. die anderen Briefe) nicht ausgeschlossen wird. 

 

⇒ Ist auch dieser besondere Teil der christlichen Lehre Inhalt unseres „Lernstoffs“ beim Bibelstudium? Beschäftigen wir uns damit, was die Bibel über Christus und seine Versammlung sagt, welche Grundsätze für sie gelten und wie wir sie gemeinsam umsetzen sollen? Das ist keine „leichte Kost“, aber Gott erwartet von uns, dass wir uns damit befassen und in der Lehre gefestigt werden. Erst dann können wir das richtige tun.

 

2. Wirklich „völlig überzeugt“?

Im Allgemeinen reden wir von Überzeugung, wenn jemand durch Erfahrung oder Prüfung eine gefestigte Meinung von dem hat, was wahr und richtig ist. Völlig von etwas überzeugt zu sein1 ist eine Steigerung. Für den Betreffenden gibt es nicht nur keinen Zweifel mehr an dem, wovon er überzeugt ist, sondern er lebt für seine Überzeugung und steht dafür ein. Timotheus hatte diesen Grad der Überzeugung erreicht.

  • Er hatte die Lehre von Paulus gehört und sich damit beschäftigt. Er setzte sich also inhaltlich damit auseinander und prüfte sie. Dadurch wurde sie für ihn zur zweifelsfreien Gewissheit. Er wusste auch, von wem er gelernt hatte. Damals war das Wort Gottes ja noch nicht vollständig niedergeschrieben. Was er gelernt hatte, hatte er von Männern gehört, die es direkt von Gott empfangen hatten. In erster Linie war das Paulus, aber auch die anderen Apostel bzw. Männer, die Gott benutzte.
  • Lernen war für Timotheus nicht nur ein kognitiver Prozess – nicht nur das verstandesmäßige Erfassen der Inhalte. Timotheus hatte die Lehre des Paulus „genau erkannt“ (V. 10). Das griechische Wort hierfür wird auch mit „genau gefolgt“ übersetzt (vgl. Lk 1,3 und 1. Tim 4,6). Er verinnerlichte die für ihn zur Gewissheit gewordene Lehre und wandte sie als Richtschnur auf sein persönliches (und gemeinschaftliches) Glaubensleben an.
  • Seine Überzeugung war so sicher, dass er nun als Lehrer und Wegweiser diese Lehre weitergeben konnte. Er konnte das Wort predigen und dafür einstehen zu gelegener und ungelegener Zeit; er sollte mit der Lehre (wohlgemerkt: mit aller Langmut!) andere überführen, ernstlich zurechtweisen und ermahnen (Kap. 4,2).  

 

⇒   Wie steht es mit unserem „Überzeugungsgrad“? Passt zwischen die Lehre (d.h. der Schrift) und unsere Überzeugung wirklich „kein Blatt Papier“ mehr? Sind wir so überzeugt von ihr, dass ihre Umsetzung zu unserem persönlichen Lebensziel geworden ist? Sind wir so überzeugt, dass wir Gottes Gedanken und Grundsätze über seine Versammlung persönlich und gemeinsam verwirklichen wollen? Sind wir in der Lehre gefestigt, so dass wir anderen Hilfestellung geben können? Und bleiben wir zugleich demütig genug, um auch Korrekturen in Verständnis und Praxis anzunehmen, wenn sie uns anhand des Wortes Gottes deutlich oder verdeutlicht werden?    

 

Fully persuaded – völlig überzeugt! Bei Timotheus war das der Fall. Als Paulus den ersten Brief an ihn schrieb, mag Timotheus vielleicht erst ca. 30 Jahre alt gewesen sein. Er war wohl jünger, zurückhaltender und ängstlicher als andere (wie z.B. Titus). Trotzdem hatte er in der Versammlung in Ephesus eine führende Aufgabe. Konnte Gott ihn vielleicht deshalb gebrauchen, weil er „völlig überzeugt“ war?

Zum Abschluss noch einen Gedanken zum Kontext von 2. Timotheus 3,14: Paulus zeichnet in diesem Kapitel ein düsteres Bild von der kommenden Entwicklung im christlichen Umfeld. Wenn wir aufmerksam die in den Sendschreiben (Off 2 und 3) vorausgesagte Entwicklung des christlichen Zeugnisses auf der Erde verfolgen, verstehen wir, dass Paulus von unserer Zeit redet: von den letzten Tagen vor dem Kommen des Herrn zur Entrückung der Versammlung. Gerade lehrmäßig würde es in dieser Zeit „drunter und drüber“ gehen. Ein Bild, das sich heute genauso darstellt. Deshalb fordert Paulus seinen Freund Timotheus mit dem dreimaligen „Du aber…“ auf, gegen den Strom zu schwimmen. Wer das heute persönlich – und zwar gemeinsam mit anderen (2. Tim 2,22) – tun will, der muss „völlig überzeugt“ sein. Das gilt nicht allein für junge Leute, es betrifft uns alle: Männer und Frauen, egal ob 16, 25, 35, 50 oder 80 Jahre alt.   

 

 



[1] Im Grundtext steht für „völlig überzeugt“ nur ein einziges Wort: „pistoō“, das in der Bibel nur hier verwendet wird. In der englischen Darby-Übersetzung wird der Begriff mit „fully persuaded“ wiedergegeben.